Benni Over: Ein Leben für die Orang-Utans und die Rettung der Regenwälder

 

 

 

 

 

Mona, das einjährige Orang-Utan-Waisenmädchen, fasst vorsichtig Vertrauen zu Benni. Sie ist zum Zeitpunkt von Bennis Besuch erst seit wenigen Wochen im Camp. Bildrechte: Benni Over

 

 

 

 

WAS IST WAS: Hallo Benni! Könntest du dich unseren Lesern bitte kurz vorstellen?

 

Benni Over: Ich bin 29 Jahre alt und wohne im nördlichen Rheinland-Pfalz. Ich bin an einem schleichenden Muskelschwund erkrankt, sitze im Rollstuhl und kann nur noch meine Finger bewegen. Meine große Liebe gilt den Orang-Utans. Seitdem ich weiß, dass die rothaarigen Waldmenschen akut vom Aussterben bedroht sind, setze ich mich mit meiner ganzen Kraft für die Rettung dieser liebevollen Wesen und deren Lebensraum, den Regenwald, ein.

 

WAS IST WAS: Bitte erzähle unseren Lesern, was dich an den Orang-Utans so fasziniert und warum du diese Tiere besonders unterstützt und nicht zum Beispiel Elefanten oder Tiger, die ja auch zu den bedrohten Arten gehören.

 

Benni Over: Bei meinen Recherchen habe ich erfahren, dass Orang-Utans eine sehr wichtige Rolle für den Fortbestand des Regenwaldes haben. Denn mit ihrer Futterauswahl und dem Ausscheiden derselben sorgen sie für den Fortbestand jener Wälder, die das Oxygen produzieren, welches die Welt so dringend braucht. Die Menschen aber roden den Regenwald immer mehr ab und vernichten damit den Lebensraum der Waldmenschen. Experten sagen, dass stündlich Regenwald in der Größe von 200 Fußballfeldern gerodet wird. Der Mensch greift so immer mehr in funktionierende Systeme der Natur ein und vernichtet diese. Das hat dramatische Folgen für die Artenvielfalt - auch für Tiger und Elefanten – sowie für den Klimawandel und damit für uns alle selbst.

 

WAS IST WAS: Wo hast du die Orang-Utans zum ersten Mal live gesehen? Gab es eine Art Schlüsselerlebnis, warum du dich so für sie begeistert hast?

 

Benni Over: Bei einem Besuch im Berliner Zoo bin ich Orang-Utans zum ersten Mal begegnet. Ich habe den ganzen Tag an deren Gehege verbracht. Vor allem war da Bulan, ein kleines Orang-Utan Männchen. Der hat soviel Quatsch gemacht. Wenn Bulan und seine Artgenossen an das Gitter des Geheges kamen, konnte ich in ihre Augen schauen. Diese Augen sagen einem irgendwie die Wahrheit. Und berühren in der Seele. Da ist der Funke übergesprungen.

 

WAS IST WAS: Du hast die Orang-Utans selbst in Indonesien besucht. Sag uns bitte: Was haben Orang-Utans mit Menschen gemeinsam und wie haben sie auf dich reagiert?

 

Benni Over: Orang-Utans haben sehr viel mit uns Erden-Menschen gemeinsam. Auch können sie dieselben Krankheiten bekommen wie wir. Allerdings haben sie viel längere und kräftigere Arme, mit Hilfe derer sie sich in den Kronen der Regenwaldbäume bewegen. Orang-Utans lernen fast alles von der Mama, bei der sie bis zu acht Jahre bleiben.
Die Waldmenschen sind sehr neugierig. Im Waldkindergarten eines von mir besuchten Rettungs-Camps kamen mir junge Orang-Utans ganz nahe und versuchten mir meine Schuhe zu klauen. Das war sehr aufregend.

 

WAS IST WAS: Gab es einen Orang-Utan, zu dem du eine besondere Beziehung aufgebaut hast?

 

Benni Over:Ja, da gab es gleich mehrere Orang-Utans: Boy, Mona und Henry.
Boy (fünf Jahre alt) ist aus der illegalen Privattierhaltung befreit worden. Er war ganz verstört, als er erstmals im Camp mit Artgenossen in Kontakt kam; weil er ja über Jahre nur an Menschen gewöhnt war. Boy kam gleich zu mir, untersuchte meinen Rollstuhl und suchte körperlichen Kontakt.
Bei Mona (ein Jahr alt) war das ganz anders. Sie war erst wenige Wochen zuvor gerettet und ins Camp gebracht worden. Mona war sehr ängstlich und es dauerte eine ganze Zeit, bis sie Vertrauen zu mir gewann, auf meinen Schoss kletterte, mich anschaute und genüsslich ihre Banane zu sich nahm.
Und dann war da die Begegnung mit Henry, dem eigentlichen Ziel meiner Reise. Henry, die Hauptfigur in meinem Kinderbuch war schon 6 Jahre alt und ein fast ausgewachsener und kräftiger Orang-Utan-Mann. Aus Sicherheitsgründen durfte Henry nur bis auf wenige Meter an mich heran. Als ich dann aber „Henry, Henry …“ rief, schaute er auf und tief in meine Augen. Sein Blick hat mich tief in meinem Herzen getroffen.
Eines möchte ich noch sagen: Alle Orang-Utans in den Rettungs-Camps haben ihre Mama verloren und sind Waisen. Das Ziel der Arbeit in den Camps ist die spätere (nach 6 bis 8 Jahren) Auswilderung in geschützte Regenwaldgebiete. So ist auch völlig unüblich, dass Fremde in die Camps – wie im Zoo - hereingelassen werden. Das war ein riesengroßes Geschenk, was man mir gemacht hat.

 

WAS IST WAS: Über deine Reise hast du ein Buch geschrieben. Was tust du noch, um den Orang-Utans zu helfen und wer unterstützt dich dabei?

 

Benni Over: Während meiner Reise auf Borneo bin ich von den weltgrößten Orang-Utan-Rettungsorganisationen zum Boschafter für Orang-Utans ernannt worden. Mit dieser Ernennung hat man mir folgende Verantwortung auf den Weg gegeben: „Erzähle das alles den Menschen in deiner Heimat. Sie sollen wissen, welche Auswirkungen die Zerstörung der Regenwälder hat, nicht nur hier, sondern auf der ganzen Welt“.
In dieser Verantwortung bin ich zusammen mit meinen Eltern und einem kleinen Team (Ambulante Dienste) in Schulen, Universitäten, Buchhandlungen und Bibliotheken quer durch Deutschland unterwegs – und informiere, rüttele wach und motiviere dazu, das eigenen Konsumverhalten zu ändern. Denn alleine in 50% aller Supermarktprodukte ist Palmöl drin. Und dafür wird immer mehr Regenwald gerodet.

 

WAS IST WAS: Was hast du schon erreicht und welche Ziele hast du für die Zukunft?

 

Benni Over: Ich tue meine Arbeit aus voller Überzeugung. Denn, wenn der Wald leidet, dann leiden die Orang-Utans, die Menschen und die ganze Welt. Es geht also auch um eine lebenswerte Zukunft für die nächsten Generationen.
Konkret arbeiten wir momentan an drei Projekten:
Mit einer von mir initiierten Spendenkampagne möchte ich das Pflanzen von 500.000 Bäumen auf einem maroden Grasland in Indonesien unterstützen. Unter der Überschrift „Spende einen Baum für einen Euro“ möchte das Wiederaufforstungsprojekt mit 100.000 Bäumen unterstützen. Bis Ende Juli sind schon 20.000 Euro bzw. Bäume zusammengekommen.
Des Weiteren arbeiten wir seit Wochen schon an einem Teil 2 zu meinem Kinderbuch „Henry rettet den Regenwald“,welches wir Anfang 2020 herausbringen möchten.
Und dann sind wir in Vorbereitung einer Aktion speziell für Kindergärten – und Kindertagesstätten, diese unter der Überschrift „Kinder kochen für eine gesunde Zukunft“.

 


WAS IST WAS: Man hat durch die Fridays-for-Future-Intiative gesehen, dass viele Kinder etwas für den Klima- und Umweltschutz tun möchten. Können sie deiner Meinung nach selbst etwas beitragen, damit die Orang-Utans eine Zukunft haben?

 

Benni Over: Da gibt es ziemlich viel, was auch Kinder tun können. Ganz wichtig fände ich, dass Kinder und Jugendliche mit ihren Eltern in der Familie über die Klima- und Umweltsituation sprechen. Dann sollte in jeder Familie ein „Familien-Aktions-Plan für den Klimaschutz“ mit konkreten Maßnahmen erarbeitet werden. Darin könnte zum Beispiel aufgenommen werden, keine Produkte mehr mit Palmöl drin und nur noch regionale Produkte einzukaufen sowie grundsätzlich keine Fertigprodukte und nur noch frisch zubereitetes Essen zu sich zu nehmen.
In unserem „Familie-Aktionsplan für den Klimaschutz“ steht dies und einiges mehr drin.

 

WAS IST WAS: Wir sind begeistert von deinem Einsatz für die Orang-Utans und wünschen Dir alles Gute für die Zukunft und weiterhin viel Erfolg für deine Arbeit!