Iwan Petrowitsch Pawlow: Physiologe, Mediziner und Nobelpreisträger

Iwan Petrowitsch Pawlow gilt als der Grundsteinleger vieler Lerntheorien. Am 14. September 1849, vor genau 160 Jahren, kam der russische Physiologe und Mediziner zur Welt. Pawlow erforschte unter anderem Reaktionen auf Reize und stellte so seine behavioristische Lerntheorie auf, die klassische Konditionierung.

Am 14. September 1849 wurde Pawlow in Rjasan bei St. Petersburg geboren. Er war der älteste Sohn eines russisch-orthodoxen Priesters und sollte eigentlich in dessen Fußstapfen treten. Nach einer schweren Kopfverletzung konnte er erst im Alter von elf Jahren endlich die Schule besuchen. Dort fiel er so positiv auf, dass er zum Studium empfohlen wurde. So studierte Pawlow entgegen den Vorstellungen seiner Eltern Naturwissenschaften und Medizin in St. Petersburg. Im Studium wirkte Pawlow ziellos und chaotisch. Doch mit 34 Jahren machte er dann seinen Doktortitel und schaffte es daraufhin sogar zum Professor. 1884 ging er nach Leipzig und Breslau, wo er sich der Physiologie widmete. Die Physiologie ist die Lehre vom Aufbau menschlicher und tierischer Körper.

Pawlow stellte die Lerntheorie des klassischen Konditionierens auf. Er gilt als Grundsteinleger vieler Lerntheorien.

Auf einer Reise lernte Pawlow seine spätere Frau Serafima Kartschewskaja kennen. Mit ihr hatte er einen gemeinsamen Sohn. Die finanzielle Situation des Ehepaares war lange schlecht. Denn Pawlow lehnte jede Stelle ab, die nicht genau seinen Vorstellungen entsprach. Zudem gab er Verdientes schnell wieder für Experimente aus. Mit 41 Jahren bekam er schließlich die Professur an der militärärztlichen Akademie in St. Petersburg. Diese Stelle behielt Pawlow bis zu seinem Tod am 27. Februar 1936.

Pawlows wissenschaftliche Leistungen

An der militärärztlichen Akademie befasste sich Pawlow mit der Frage, wie der Körper die Verdauung reguliert. In diesem Zusammenhang begann er sich mit der Chirurgie zu befassen. Denn Pawlow war der Meinung, dass ihm nur möglichst schmerzfreie Versuchshunde für die Wissenschaft nützlich sein könnten. Pawlow legte den Hunden künstliche Ausgänge und untersuchte die Sekrete. So gelang es ihm schließlich den bis dahin rätselhaften Verdauungsvorgang aufzuklären. Für diese Forschungsleistung wurde er 1904 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Pawlow erforschte auch die Speicheldrüse. Ursprünglich wollte er hier lediglich den Zusammenhang zwischen Speichelfluss und Verdauung von Hunden untersuchen. Doch während dieser Arbeiten stieß er auf einen weiteren interessanten Aspekt. Die Versuchshunde bekamen ihre Mahlzeiten regelmäßig von Tierpflegern. Nach einer Weile lösten allein die Geräusche der herankommenden Tierpfleger Speichelfluss bei den Hunden aus, und das obwohl noch kein Futter in Sicht war.

Der Pawlowsche Hund und das klassische Konditionieren

  


Das Experiment Der Pawlowsche Hund diente Pawlow als Beweis seiner Lerntheorie.



Der bei den Hunden eintretende Speichelfluss bei der bloßen Geräuschwahrnehmung der Wärter, die das Futter brachten, war der Ursprung von Pawlows behavioristischer Lerntheorie, dem klassischen Konditionieren.

Pawlow folgerte aus dem Verhalten der Hunde, dass Verhalten eine Reaktion auf die Reize der Außenwelt sein muss. Das musste er jedoch erst belegen. Das Experiment Der Pawlowsche Hund diente ihm als Beweis:

Wenn Pawlow dem Hund Futter gab, löste das Speichelfluss beim Hund aus. Das Futter nannte er den unkonditionierten Reiz, auf den eine unkonditionierte Reaktion folgte. Die unkonditionierte Reaktion war der Speichelfluss. Unkonditioniert bedeutet in diesem Fall, dass der Reiz und die Reaktion unwillkürlich geschehen: Der Hund hat Hunger, weshalb ihm beim Anblick des Essens das Wasser im Mund zusammen läuft.

Zu dieser Reiz-Reaktion-Konstellation hat Pawlow einen neutralen Reiz hinzugefügt. Neutral deshalb, da er im Grunde nichts mit der Fütterung zu tun hat. Der neutrale Reiz war das Läuten einer Glocke kurz vor der Fütterung. Diese Glocke löste keinen Speichelfluss aus, sie sorgte lediglich dafür, dass der Hund die Ohren aufstellte. Der Hund brachte die Glocke anfangs nicht in Verbindung mit dem Essen. Doch nach mehrmaliger Verbindung vom Läuten der Glocke und der darauf folgenden Fütterung änderte sich das Verhalten des Hundes. Nun trat der Speichelfluss bereits ein, wenn die Glocke ertönte und das Futter noch gar nicht in Reichweite war. Diese Reaktion nannte Pawlow eine konditionierte, also eine erlernte Reaktion. Der neutrale Reiz, das Läuten der Glocke, wurde somit zum konditionierten Reiz. Der Hund hat gelernt, dass der Glockenton in Verbindung mit dem Futter steht, weshalb der Speichel bereits bei dessen Ertönen lief.


Der einst neutrale Reiz, die Glocke, wurde zum konditionierten Reiz.

Den Prozess dieses angelernten Verhaltens nannte Pawlow die klassische Konditionierung. Die klassische Konditionierung, die erlernte Verbindung zwischen einem einst neutralen Reiz und einem unkonditionierten Reiz, konnte im Fall des Pawlowschen Hundes wieder gelöscht werden. Nachdem die Glocke mehrmals ohne Fütterung ertönte, löste sie auch keinen Speichelfluss mehr aus. Das heißt der konditionierte Reiz, das Glockenläuten, wurde wieder zum neutralen Reiz.

Die klassische Konditionierung ist die Grundlage vieler Lerntheorien. Mit Hilfe der Prinzipien der klassischen Konditionierung von Pawlow können unter anderem Ängste und Zwangsneurosen behandelt werden. Wobei beispielsweise konditionierte Ängste in Verbindung mit traumatischen Erfahrungen meist nicht mehr zu löschen sind. So werden Kriegsveteranen, die während einer Schießerei gefoltert wurden, bei den selben Geräuschen aus dem Fernsehen auch nach Jahren noch zusammen zucken. Das bedeutet, dass das komplette Löschen einer klassischen Konditionierung je nach Experiment beziehungsweise Erfahrung fast unmöglich ist.

Hintergrundinformationen zum Behaviorismus

Das klassische Konditionieren von Pawlow ist eine behavioristische Lerntheorie. Der Behaviorismus ist die Theorie der Wissenschaft von Verhalten, Verhaltenswissenschaft und Verhaltensanalyse.  Die Behavioristen haben Theorien zum Verhalten von Tieren und Menschen aufgestellt, die sie mit den Methoden der Naturwissenschaft untersucht und bewiesen oder widerlegt haben. Behaviorismus leitet sich übrigens aus dem englischen Wort behavior ab, was auf Deutsch Verhalten bedeutet. Neben Pawlows Theorien gehören unter anderem Theorien von Edward Thorndike, John B. Watson und Burrhus Frederic Skinner zum Behaviorismus. Es gibt jedoch noch weitere Wissenschaften, die sich mit dem Verhalten von Menschen und Tieren beschäftigen. So zum Beispiel die Ethnologie, deren Wissenschaftler unter anderem durch Beobachtungen anderer Kulturen und durch Vergleiche mit anderen Kulturen Theorien über unser Verhalten aufstellen.



Was unserer Gehirn noch so leisten kann und wie es aufgebaut ist, erfahrt ihr im WAS IST WAS Band 108 Das Gehirn. 



Text: Christine Spindler, 07.09.2009, Bilder: Pawlow wikipedia/pd, Hund von Corbis/Tessloff Archiv, Glocke von Image Library/Tessloff Archiv

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