Die Nacht zum Tag machen...

In der Nacht des 4. Februars 1993 wurde die Erde für ein paar Minuten mit Sonnenlicht bestrahlt. Russische Kosmonauten installierten einen 20 Meter großen Sonnenspiegel im All, der das Sonnenlicht auf die Nachtseite unseres Planeten lenkte. Sie erhofften sich dadurch Stromersparnis, stärkeres Wachstum von Pflanzen und eine weniger Kriminalität in den beleuchteten Städten.

Zum Mars segeln

Bild: Sonnenspiegel Znamya

Die Idee, Sonnenlicht mit Hilfe von Spiegeln auf die dunkle Seite der Erde zu projizieren ist schon ziemlich alt. Anfang des 20. Jahrhunderts kamen Weltraumpioniere wie Friedrich Zander und Hermann Oberth auf diesen Gedanken.

Wieder aufgegriffen wurden er Ende der 1980er Jahre zunächst in einem völlig anderen Zusammenhang. Die USA planten zum 500. Jubiläum der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus im Jahr 1992 eine Segelregatta zum Mars. Man hatte nämlich erkannt, dass sich Raumschiffe auch durch den Sonnenwind antreiben lassen, der im All weht. Dafür benötigen sie Segel, die wesentlich größer sind als die von irdischen Wasserfahrzeugen.

Aus dem Segel wird ein Spiegel

Doch die Weltraumregatta wurde aus Geldmangel abgesagt. Übrig blieb die Idee eines großen Segels im All, das als Spiegel fürs Sonnenlicht dienen könnte. Doch wofür das Ganze? Folgende Nutzungsmöglichkeiten wurden vorgeschlagen: Wenn man das Sonnenlicht auf die dunkle Seite der Erde spiegeln könne, wäre es möglich Großstädte, Großbaustellen oder Katastrophengebiete auch nachts zu beleuchten und das ganz ohne Elektrizität.

Außerdem könnte man bewohnte Gegenden am Polarkreis, in denen es im Winterhalbjahr gar nicht hell wird beleuchten um den Menschen dort etwas mehr Lebensqualität zu bieten und Winterdepressionen zu verhindern. Auch für Sonnenkraftwerke wäre der Gedanke interessant, Tag und Nacht Energie produzieren zu können, aber dafür müsste das gespiegelte Licht schon annähernd so stark sein wie die Sonne. Doch davon war das Testprojekt Znamya 2 weit entfernt.

Mit dem Banner in eine hellere Zukunft?

Znamya 2 war der russische Name des Sonnenspiegel-Experiments. Auf Deutsch bedeutet das Banner. Am 4. Februar 1993 war es so weit: Mit dem unbemannten Raumfrachter "Progress M-15" wurde das im Durchmesser 20 Meter große Spiegelsegel in den Weltraum gebracht. Es sollte einen mehrere Kilometer großen Lichtkegel auf die Erde reflektieren, der sich über Westeuropa bewegen und etwa zehnmal so hell wie der Vollmond scheinen sollte.

Tatsächlich war das Ergebnis weit weniger spektakulär. Der Himmel war an den meisten Stellen wolkenverhangen und auch dort, wo es klar war, leuchtete der Spiegel nur etwa so hell wie der Vollmond. Sieben Minuten lang glitt der Lichtkegel über die Erde, dann war der Test auch schon vorbei und das Segel verglühte in der Atmosphäre.

Doch ließ sich das Space Regatta Consortium nicht entmutigen und baute weiter an einer verbesserten Version, der Znamya 2.5. Diese wurde genau sechs Jahre später, am 4. Februar 1999 von der russischen Raumstation Mir aus in den Orbit gebracht. Die Neuerung bestand darin, dass die Spiegelfolie verbessert worden und mit 25 Metern Durchmessern auch etwas größer war als ihr Vorgänger. Außerdem verfügte Znamya 2.5 über eine Fernsteuerung, die es ermöglichen sollte, den Lichtkegel auf eine bestimmte Stelle auf der Erde auszurichten.

Doch der Versuch ging schief. Die empfindliche Folie verhedderte sich an den Antennen der MIR und riss ein. So konnte sich der Solarspiegel nicht entfalten. Das war das Ende der Znamya Projekte.

Die Bedenken

Viele waren darüber auch keineswegs unglücklich, denn es hatte bereits zum Start der ersten Spiegelmission zahlreiche Kritiker gegeben. Diese hatten eingewandt, dass eine helle Nacht zu völlig neuen Lebensbedingungen auf der Erde führen würde, die unvorhersehbare Folgen für Tiere und Pflanzen haben könnten. Außerdem wäre eine Beobachtung des Sternenhimmels dann nicht mehr möglich. Und die Spiegelung der Sonnenstrahlen würde auch eine Erwärmung der betroffenen Regionen zur Folge haben, was den Klimawandel noch verstärken würde, ganz besonders in den Polargebieten.

Mehr über Raumfahrt erfahrt ihr im WAS IST WAS Band 16 Planeten und Raumfahrt.

Text: lm 31.01.08, Bild: NASA.

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