Loch im Kopf

Moderne Operationssäle sind blinkend weiß und rein. Doch unter ganz anderen Umständen haben Menschen schon vor mehreren Tausend Jahren Hirnoperationen vorgenommen. Warum und mit welchem Erfolg ist Thema der Ausstellung Loch im Kopf die ältesten Operationen der Welt im Neanderthal-Museum in Mettmann.

Mehr als 10 000 Jahre alt sind die frühesten Zeugnisse von Gehirnoperationen. Das heißt, schon in der Steinzeit haben Menschen anderen Menschen mit Hilfe von Feuerstein den Schädel geöffnet. Nicht nur das, die so Behandelten überlebten den Eingriff sogar, teils um Jahrzehnte. Die Menschen scheinen also gewusst zu haben, was sie taten. Doch warum taten sie es? Und wie?


Dieser Frage geht die Ausstellung Loch im Kopf die ältesten Operationen der Welt im Neanderthalmuseum in Mettmann nach. Bis zum 2. November 2008 werden trepanierte Schädel gezeigt. Trepanation ist der Fachbegriff für das Öffnen eines von Knochen umschlossenen Hohlraumes.


Ein modernes Trepanationsgerät. Solche Geräte haben einen Sicherheitsmechanismus, damit die Hirnhäute nicht beschädigt werden, wenn der Knochen durchbohrt ist.

Außerdem werden die benötigten Gerätschaften gezeigt, sowie historische Zeichnungen von Trepanationen. Ergänzt wird die Ausstellung durch Ausschnitte aus Film und Fernsehen, die sich mit der Trepanation befassen, sowie durch Kurioses und Wissenswertes zum Thema. An einem modernen OP-Tisch könnt ihr selbst das Trepanationswerkzeug ausprobieren.


Älteste Operation



Darstellung einer Trepanation aus dem 16. Jahrhundert.



Die Trepanation gehört, neben der Amputation, zu den ältesten nachgewiesenen chirurgischen Eingriffen. Einzelne Fundstücke in Afrika und der Ukraine lassen sich bis ins Jahr 10 000 v.Chr. datieren. Mittlerweile sind jüngere Fundstücke aus ganz Europa bekannt. Die Knochenränder der Löcher weisen Wachstumsspuren auf. Das heißt, dass die Patienten den Eingriff teils lange Zeit überlebten. Wie weit dabei eine Betäubung zum Einsatz kam, ist unklar, eine Narkose im modernen Sinne gab es jedenfalls nicht.


Verbindung zur Geisterwelt


Sehr wahrscheinlich hatten die ersten Schädelbohrungen einen medizinisch-religiösen Hintergrund. Die Epilepsie wurde lange Zeit als dämonische Besessenheit aufgefasst. Durch das Loch im Kopf sollten solche Dämonen entweichen. Oder ein Mensch sollte durch das Loch im Schädel wohlmeinenden Geistwesen den Zutritt erleichtern. Dafür spricht, dass die entfernten Knochenstücke als Amulett getragen wurden.


Funde deuten darauf hin, dass trepanierten Menschen zum Teil eine besondere Stellung zukam. In großen Steingräbern aus der norddeutschen Trichterbecherkultur, die etwa von 4200 bis 2800 v.Chr. dauerte, fand man trepanierte Schädel, aber nicht in normalen Gräbern. Auch aus Afrika und Südamerika sind solche Operationen bekannt.


Narrensteine im Kopf


Ausschnitt aus dem Gemälde "Der Narrenstein" von Hieronymus Bosch. Die betrügerische Absicht wird auch an dem Trichter deutlich. Damit schirmt sich der Operateur vor dem allsehenden Auge Gottes ab, um seine unredliche n Gedanken und Taten zu verbergen.

Im frühen Christentum waren solche Operationen verboten. Erst im Mittelalter ab dem 13. Jahrhundert wurde wieder trepaniert. Scharlatane nutzten die Leichtgläubigkeit speziell von reichen Menschen aus. Mit Taschenspielertricks operierten sie Steine, Metall oder sogar kleine Tiere aus den Köpfen ihrer Betrugsopfer heraus. Der Maler Hieronymus Bosch zeigt eine solche Operation in seinem Gemälde Der Narrenstein.


In der heutigen Medizin wird die Trepanation verwendet, um bei Gehirnerkrankungen den Innendruck des Schädels zu senken. Dadurch kann dauerhaften Organschäden und geistiger Beeinträchtigung vorgebeugt werden. Die Löcher werden im allgemeinen wieder verschlossen.





Infos zur Ausstellung gibt's hier.


Wenn dich das Leben vor tausenden von Jahren interessiert, dann wirf doch auch einen Blick in unseren WAS IST WAS-Band 9: Der Urmensch


Text: -jj- 31.7.2008 // Bilder: Trepan PD; Schädel Rama/cc-by-sa 2.0; Gemälde Bosch/PD; Zeichnung Peter Treveris/PD

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt