Vor uns die Sintflut

Johann Jakob Scheuchzer war ein Schweizer Naturforscher, der sich um die Volksbildung verdient machte und als Ahnherr der Paläobotanik gilt, also der Erforschung ausgestorbener Pflanzen. Allerdings deutete er seine Funde im Rahmen seines christlichen Weltbildes als Beweis für die Sintflut. Mehr erfahrt ihr hier ...

Johann Jakob Scheuchzer wurde am 2. August 1672 als Sohn eines Stadtarztes geboren. In Altdorf bei Nürnberg sowie in Utrecht studierte er Medizin. 1694 promovierte er und unternahm seine erste Forschungsreise in die Alpen.


Scheuchzer musste warten, bis einer der vier amtlichen Ärzte Zürichs verstarb, um dessen Platz einzunehmen. In der Zwischenzeit arbeitete er bei verschiedenen wissenschaftlichen Gesellschaften Zürichs mit. 1695 schließlich erhielt er eine Anstellung als Waisenhausarzt und wurde Direktor der Bürgerbibliothek sowie der Kunst- und Naturalienkammer. Dabei gelangte er zu dem Entschluss, sein Heimatland intensiv zu erforschen. Bis 1714 war er mit Forschungsreisen durch die Schweiz beschäftigt.


Er stellte ein regelrechtes Forschungsprogramm auf er verschickte ein Bündel von mehr als 200 Fragen an Bekannte in alle Regionen der Schweiz. Darin erkundigte er sich nach Wetterverhältnissen und Besonderheiten der Natur. Doch viele scheuten die Beantwortung der vielen Fragen.


Naturgesetze statt Dämonen


Scheuchzer nutzte seine Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse auch, um mit falschen Vorstellungen im Volk aufzuräumen. Sein Ziel war die Hebung der Volksbildung. So beschrieb er in seiner Textsammlung Seltsame Naturgeschichten des Schweizer-Lands wochentliche Erzehlung, dass keineswegs Gewitter durch Dämonen ausgelöst werden, wenn man sich dem Pilatussee nähert oder was in ihn hineinwirft. Scheuchzer schreibt dazu im Jahr 1714: Ich selbst habe im Beisein der Sennen, welche diese Fabeln verlachen, Stein, Holz und anderes nicht nur einmal in diese Pfütze geworfen ohne Gefahr und Schaden. Daneben verfasste er auch das erste Physikbuch in deutscher Sprache: Physica oder Naturwissenschaft


Seine wissenschaftlichen Beiträge sind vielfältig und wichtig: Als erster nutzte er ein Barometer, also ein Luftdruckmessgerät, zur Höhenmessung (siehe auch den Artikel über Saussure und die Vermessung des Mont Blanc). Gemeinsam mit Moritz Anton Kappeler untersuchte er Bergkristalle und begründete damit die moderne Kristallographie. Seine klimatologischen Untersuchungen ermöglichten ihm die Verfassung von Wetterberichten.



Scheuchzer hielt dieses Skelett eines Riesensalamanders für die Überbleibsel eines Menschen, der in der Sintflut umgekommen war.

Erforscher der Fossilien


Bekannt wurde Scheuchzer jedoch für seine paläontologischen Untersuchungen. In der Paläontologie beschäftigt man sich mit ausgestorbenen Lebewesen. Er beschrieb Fossilien, also versteinerte Überreste von Pflanzen und Tieren, als Naturspiele, also als zufällig in der Natur vorkommend. Eine andere Interpretation durch Scheuchzer war, Fossilien als Überbleibsel der Sintflut zu deuten.


Die Sintflut und Naturwissenschaft


1726 stellte er in der Wissenschaftszeitschrift Philosophical Transactions of the Royal Society ein Skelett vor und behauptete, dies wäre das Bein-Gerüst eines in der Sündflut ertrunkenen Menschen - Homo diluvii testis. Erst Jahre später wurde es von Georges Cuvier, ebenfalls ein Pionier der Paläontologie, als Skelett eines ausgestorbenen Riesensalamanders richtig erkannt. Zu Ehren Scheuchzers heißt diese Gattung nun Andrias scheuchzeri. Zu sehen ist das Fossil heute als Wahrzeichen des Naturkundemuseums in Karlsruhe.


Vater der Paläobotanik


Besonders herausragend sind auch die Darstellungen im 1709 erschienenen Herbarium diluvium. Darin zeigt Scheuchzer auf 14 Tafeln versteinerte Abdrücke von Pflanzen, die gut 300 Millionen Jahre alt waren. Mit diesem Werk begründete Scheuchzer die Paläobotanik, also die Erforschung von ausgestorbenen Pflanzen. Die Zeichnungen waren so fein und detailliert gemacht, dass Wissenschaftler die abgebildeten Pflanzen bestimmen konnten. Schließlich fertigte Scheuchzer auch noch eine allgemein anerkannte Karte der Schweiz, die Helvetiae tabula geographica.


Seine Arbeiten brachten Scheuchzer so große Anerkennung, dass sogar sein Zeitgenosse Isaac Newton sich am Druck eines Werkes über die Alpen beteiligte. 1710 empfahl ihn Leibniz als Leibarzt an den Hof Zar Peters des Großen, aber Scheuchzer lehnte ab.


Gottesbeweis und Naturwissenschaften


In der Schweiz selbst erfuhr Scheuchzer keine große Anerkennung. Das lag daran, dass Scheuchzer versuchte, durch die Naturwissenschaften die Existenz Gottes zu beweisen. Er erklärte viele biblische Geschichten durch naturwissenschaftliche Erklärungen. Dies aber nicht im Sinne der Aufklärung. So waren die Fossilien für Scheuchzer ein Beweis für die Sintflut.

Er verfasste die so genannte Kupfer-Bibel, die aber in der Schweiz nicht gedruckt wurde. In Augsburg wurde sie unter dem Titel Jobi physica sacra, oder Hiobs Natur-Wissenschaft verglichen mit der heutigen schließlich verlegt und war, technisch betrachtet, ein Meisterwerk der Druckkunst. 2098 Seiten und 750 Kupferstichen machten sie zu einem wertvollen Buch. Scheuchzer erlebte die Fertigstellung nicht mehr. Er starb am 23. Juni 1733.

Nach Scheuchzer sind verschiedene Pflanzen benannt, etwa Scheuchzers Wollgras (Eriophorum scheuchzeri, siehe Bild), Blumenbinsen (Scheuchzeria palustris) oder Scheuchzers Glockenblume (Campanula Scheuchzeri).

Wenn dich ausgestorbene Tiere und Pflanzen interessieren, dann wirf doch auch mal einen Blick in unseren WAS IST WAS-Band 69: Fossilien


Text: -jj- 2.8.2007 // Bilder: Zeichnungen: PD; Scheuchzers Wollgras: Simon Eugster/GFDL

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