Hans Spemann fragte: wie funktionieren Embryozellen?

Vor 135 Jahren, am 27. Juni 1869 wurde Hans Spemann geboren. Der Biologe untersuchte die Entwicklung von (Tier-)Embryos. Er entdeckte gemeinsam mit einer Doktorandin den sogenannten Organisator-Effekt, der dafür sorgt, dass die Zellen des Embryos wissen, wo sie im fertigen Körper des Tieres hingehören. Damit war eine der Grundlagen für das Klonen geschaffen. Für diese Entdeckung erhielt Spemann 1935 den Nobelpreis für Medizin.

Vom Buchhändler zum Zoologen

Am 27. Juni 1869 wurde Hans Spemann geboren. Da sein Vater Verleger war, absolvierte Spemann eine Buchhändlerlehre und sollte später den Verlag übernehmen. Stattdessen studierte er jedoch Medizin und spezialisierte sich auf die Entwicklung von Tier-Embryonen. Eigentlich war er also Zoologe.

Die große Frage an die kleine Zelle

Dass ein Tier aus der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entsteht, war Spemann bekannt. Die erste Zelle teilt sich immer wieder, bis ein ganzer Zellhaufen da ist, aus dem alle Körperteile, Organe und Haut, Muskeln und Nerven entstehen. Spemann stellte sich die Frage, woher die Zellen wissen, zu was sie werden sollen und wo sie im Körper des Tieres hingehören. Warum ist der Kopf immer am vorderen Ende der Eidechse, ihr Schwanz immer am hinteren?

Neue Untersuchungsmethoden nötig

Um das herauszufinden, untersuchte er die Entwicklung von Eidechsen-Embryos. Doch um Versuche mit den millimeter-kleinen Eidechsen-Embryonen durchführen zu können, musste Spemann zunächst ganz neue Werkzeuge und Operationsmethoden entwickeln. Mit diesen Hilfsmitteln gelang es ihm zu erkennen, aus welchen Zellen sich normalerweise welche Körperregionen bilden. Das war die Basis, um später anhand von künstlichen Veränderungen des Embryos zu sehen, wie die Zellen nun reagieren würden.

Künstliche Zwillinge

Er schnürte bestimmte Teile des Embryos ab oder verpflanzte sie in einen anderen Embryo.

Bei den Schnürungen kam Spemann zu verschiedenen Ergebnissen, je nachdem, an welcher Stelle die Keimzellen abgeschnürt wurden. Entweder es entwickelten sich zwei komplette Embryonen (Zwillinge), oder aber es kam zu Missbildungen mit einem Kopf und zwei Schwänzen oder mit zwei Köpfen und einem Schwanz. Bestimmte Regionen der Keimzellen mussten also bestimmte Funktionen haben.

Fremde Zellen mit neuer Aufgabe

Eine Studentin, die ihre Doktorarbeit bei Spemann verfasste (Doktorandin), unternahm dann das Experiment, für das Spemann später den Nobelpreis erhalten sollte. Ihr Name war Hilde Mangold. Sie verpflanzte Zellen aus einem Embryo in einen anderen. Die beiden Embryonen waren verschieden gefärbt, so konnte sie beobachten, wie sich das transplantierte Gewebestück im neuen Embryo weiterentwickelt. Dabei kam das hinzugefügten Stück an einen ganz anderen Ort, als es in seinem Herkunftskörper gewesen war.

Ziel dieses Versuchs war es zu sehen, wie verpflanzte Zellen reagieren: Würden sie sich so entwickeln, wie sie es im Herkunftsorganismus getan hätten oder würden sie sich an die Stelle anpassen, in die sie im neuen Organismus eingepflanzt wurden und eine ganz andere Aufgabe ausfüllen als in ihrem ursprünglichen Umfeld?

Spemann kam zu folgendem Ergebnis: Wurden die Zellen in einem sehr frühen Stadium verpflanzt, so passten sie sich der neuen Umgebung an. Sie mussten also Informationen von ihren Nachbarzellen erhalten haben, die ihnen sagten, wo sie sich nun befänden und zu was sie sich entwickeln sollten.

Die Organisator-Region

Eine bestimmte Region in der Zelle, die Spemann Organisator-Region nannte, war offensichtlich verantwortlich dafür, auch andere Zellen umzupolen, ihnen also andere Aufgaben zuzuweisen. Besonders deutlich wurde dies, als Mangold die Organisatorregion aus Keimzellen entfernte. Alle Zellen entwickelten sich daraufhin zu dem Bauchstück der Eidechse, Kopf, Nerven, Skelett und Muskeln aber fehlten. Die Basisprogrammierung der Zellen war demnach auf Bauch eingestellt, nur mithilfe der Organisatorregion konnten auch andere Aufgaben erfüllt werden.

Wer war der eigentlich Nobelpreisträger?

Eigentlich hatte Hilde Mangold die Experimente durchgeführt, die zu den Erkenntnissen führten, für die Spemann den Nobelpreis erhielt. Sie selbst erlebte das nicht mit, war sie doch bereits 1924 bei der Explosion eines Ölofens in ihrer Wohnung gestorben.

Von Spemann zum Klonen

Die Untersuchungen, die Spemann und Mangold gemacht hatten, führten in der Wissenschaftswelt zu heftigen Diskussionen. Spemann regte an, auch Zellkerne aus einer Zelle in eine andere Zelle zu verpflanzen das, was heute beim Klonen gemacht wird. Aber es dauerte viele Jahrzehnte bis es dazu kam.

Text: 25.06.04 LM, Foto Spemann: Uni Essen

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