Gustav Heinrich Hertz

Der Pionier der Quantenmechanik war der einzige Nobelpreisträger der DDR. Vor 120 Jahren wurde er in Hamburg geboren. Er war ein Neffe des Physikers Heinrich Hertz.

Gustav Hertz kam am 22. Juli 1887 als Sohn des Juristen Dr. Gustav Hertz und seiner Frau Auguste, geborene Arning in Hamburg zur Welt. Sein Vater war ein jüngerer Bruder des bekannten Physikers Heinrich Hertz.

Gustav besuchte zunächst das Johanneum Realgymnasium in Hamburg. 1906 zog er nach Göttingen, studierte dort zwei Semester und wechselte dann nach München. Der Militärdienst unterbrach das Studium. 1908 setzte er es in Berlin fort und blieb dort bis zum Abschluss 1911. Thema der Dissertation war das ultraviolette Absorptionsspektrum des Kohlendioxids.

Franck-Hertz-Versuch

Nach der Promotion blieb Hertz in Berlin und arbeitete als Assistent am Physikalischen Institut der Humboldt-Universität. Dort lernte er den Physiker James Frank (1882-1964) kennen. Gemeinsam untersuchen die beiden Wissenschaftler in den Jahren 1912 und 1913 die Wechselwirkung von Gasatomen und Elektronen. Diese Elektronenstoßversuche verhalfen später der Bohrschen Atomtheorie und der Quantentheorie zum Durchbruch. Diese Arbeiten sind unter dem Namen Franck-Hertz-Versuch in die Geschichte eingegangen und wurden 1925 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.

Giftgas

Gleich nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 ließ Hertz sich von Fritz Haber anwerben. Habers Versuche mit Phosgen und Chlorgas (ein Nebenprodukt aus der Farbproduktion der chemischen Industrie) machten ihn zum Vater der Giftgaswaffen, die im Ersten Weltkrieg von Deutschland eingesetzt wurden. Zur Entwicklung dieser grausamen Waffen warb Haber damals junge Wissenschaftler an.

Gustav Hertz bekam bald den Rang eines Offiziers. Am 22. April 1915 wurde in der belgischen Stadt Ypern das erste Mal Chlorgas durch die deutschen Truppen eingesetzt. Giftgas - insbesondere Senfgas - wird in Frankreich daher auch als "Yperit" bezeichnet. Hertz nahm an diesem Gaskrieg teil und wurde schwer verwundet. Nach seiner Genesung arbeitete er in der technischen Abteilung für Funkgeräte.

Glühlampen und Plasmaphysik

1917 lehrte er zunächst als Privatdozent und habilitierte sich an der Berliner Universität mit einer Arbeit "Über den Energieaustausch bei Zusammenstößen zwischen langsamen Elektronen und Gasmolekülen". Die darin enthaltenen Überlegungen zur Bewegung langsamer Elektronen in Gasen können in der Rückschau als Ausgangspunkt einer modernen Plasmaphysik gewertet werden. 1920 verließ er Berlin, um fortan in Holland zu arbeiten In Eindhoven setzte er im Laboratorium der Philips-Glühlampenfabrik seine Elektronenstoßversuche fort und entwickelte ein Diffusionsverfahren zur Trennung von Edelgasen.

Ein gefragter Forscher

1925 kam er nach Deutschland zurück und wirkte als Professor für Physik in Halle (Saale). Nach der Nobelpreisverleihung kam der Ruf nach Berlin. An der Technischen Hochschule Berlin baute er das neue Institut für Physik auf. 1931 konnte der Institutsneubau eingeweiht werden. In seiner wissenschaftlichen Arbeit behandelte Hertz die Isotopentrennung durch Diffusion. Es gelang ihm 1932, die Neonisotope 20 und 22 zu trennen sowie schweren Wasserstoff (Deuterium) vom normalen Wasserstoff.

1935 wurde ihm wegen seiner jüdischen Abstammung die Prüfungsvollmacht entzogen, worauf er auf sein Lehramt verzichtete. Er wechselte in die Industrie und übernahm den Aufbau eines neuen Forschungslaboratoriums bei Siemens & Halske in Berlin.

Dort beschäftigte er sich mit Diffusionstrennanlagen für leichte Isotope, die sich später als zentrale Technologie im System der Uranbombenentwicklung erwies.

Wegbereiter der sowjetischen Atombombe

Aus diesem Grund wurde er im April 1945 zusammen mit Manfred von Ardenne, Max Steenbeck und anderen Wissenschaftlern von einer Spezialeinheit der Roten Armee nach Sochumi am Schwarzen Meer verbracht. Die Sowjetunion richtete dort extra ein Forschungslabor für die deutschen Spezialisten ein und übertrug Hertz die Leitung.

Die Wissenschaftler entwickelten einen magnetischen Isotopentrenner und eine Duoplasmatron-Ionen-Quelle, die zur Herstellung des radioaktiven Ausgangsmaterials der Atombombe dienen sollten. Da das Verfahren gegen Ende der 40er Jahre aber noch nicht ausgereift schien, kam es (noch) nicht zum Einsatz. Anfang der 50er Jahre stand auf sowjetischer Seite die Entwicklung der Wasserstoffbomben vor dem Abschluss. Erst zu diesem Zeitpunkt kamen die Sowjets auf das Verfahren zur Isotopentrennung zurück.

Kernkraftwerke für die DDR

Im Herbst 1954 durfte Gustav Hertz nach Deutschland zurückkehren und wurde gleich Direktor des physikalischen Instituts an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Dort wirkte er bis zu seiner Emeritierung 1961. Er sollte die DDR auf den Einstieg in die Kerntechnik vorbereiten. 1955 übernahm er die Leitung des forschungspolitisch zentralen Wissenschaftlichen Rates für die friedliche Anwendung der Atomenergie beim Ministerrat der DDR. Sämtliche Vorbereitungen von der Konzentration der zerstreuten Institute bis zum Ausbau des neuen Dresdner Zentralinstitut für Kernforschung (heute Forschungszentrum Rossendorf) wurden dort erarbeitet.

Gustav Hertz war Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR und Gründungsmitglied des Forschungsrates der DDR sowie von 1963 bis 1968 Sekretär der Klasse Physik und Technik. Er verstarb am 30. Oktober 1975 in Berlin, wohin er nach seiner Emeritierung zurückgekehrt war. Er wurde auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg im Familiengrab (u. a. mit Heinrich Hertz) beigesetzt.

Text: RR 16. 7. 2007-07-22 Foto: TU Berlin

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