Franz Boas - Erforscher fremder Kulturen

Mehr als 40 Jahre erforschte er den Stamm der Kwakiutl und hinterließ der Nachwelt umfangreiche Aufzeichnungen über ihre einzigartige Kultur. Franz Boas, geboren am 9. Juli 1858, gilt als Begründer der modernen amerikanischen Ethnologie (Völkerkunde). Der ursprünglich aus Deutschland stammende Forscher brachte den Großteil seines Lebens damit zu, fremde Kulturen zu erkunden. Auf seinen zahlreichen Forschungsreisen zog es ihn immer wieder zu den Kwakiutl, einem nordamerikanischen Indianerstamm, deren Sprache und Tänze ihn faszinierten.

Was ist Kultur?

Wissen, Können und Verhalten, das durch Lernen von einer Generation zur anderen weitergegeben wird - also nicht angeboren ist -, nennen wir Kultur.

Auch Tiere haben in diesem Sinne Kultur. Meisen in England entdeckten zum Beispiel, dass man die Aluminiumverschlüsse der Milchflaschen, die morgens vor die Haustüren gestellt werden, sehr leicht aufpicken kann und so an nahrhafte Milch gelangt. Durch Beobachten und Nachahmen breitete sich der Milch-Trick schnell unter den Meisen aus und schon bald war keine Milchflasche mehr vor ihnen sicher.

Im Gegensatz zu den Tieren kann der Mensch dank der Sprache auch Erfahrungen nutzen, die ein Vorfahre vor langer Zeit und an einem anderen Ort gemacht hat. Erfahrungen und Wissen eines Menschen gehen nicht mehr mit seinem Tod verloren, sondern können von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Geschichten, Bücher, Briefe, Gemälde, Fotos, Filme und Tänze, um nur einige Ausdrucksformen der Menschen zu nennen, tragen zur Kultur eines Volkes bei und lassen sie bestehen. Durch sie wird Wissen vermittelt, auf das die Nachkommen aufbauen können.

Foto links: In Europa wird seit 6000 Jahren Brot gebacken. Es gibt zahlreiche verschiedene Sorten.

Die Kulturen der Erde sind zum Teil sehr unterschiedlich. In Europa gilt Schwarz z.B. als Farbe der Trauer, bei den Chinesen ist die Trauerfarbe jedoch Weiß. Oder in einigen Gebieten Afrikas gelten Heuschrecken als Leckerbissen, auf uns wirken sie jedoch eher unappetitlich. Erst im Umgang mit fremden Kulturen erkennt man, dass vieles, was für uns selbstverständlich ist, anderen Völkern vielleicht seltsam, umständlich oder falsch erscheint.

Was macht ein Ethnologe?

Foto rechts: Franz Boas um 1915.

Ethnologen wie Boas erforschen - einfach gesprochen - die Kulturen von Völkern. Sie beschreiben die Unterschiede und Übereinstimmungen verschiedener Kulturen und versuchen sie zu erklären. Dies ist nicht gerade einfach, da die Kultur eines Volkes immer sehr komplex ist.

Aber die Ethnologie ist auch äußerst spannend, denn das Verhalten und das Selbstverständnis eines jeden Menschen hängen davon ab, in welcher Kultur er aufwächst. Sie prägen einen Menschen und entscheideen, welche Sprache er spricht, wie er die Welt und seine Mitmenschen sieht, an welche Religion er glaubt, welche Gebräuche er für notwendig und richtig hält und wie er sie ausführt.

Foto links: Franz Boas ahmt einen Kwakiutl-Tänzer nach (ca. 1900).

Eine der wichtigsten Arbeitsmethoden der Ethnologen ist die so genannte Feldforschung, was soviel wie auf dem Feld forschen heißt. Das bedeutet, dass die sozialen und kulturellen Lebensverhältnisse eines Volkes unter natürlichen Lebensbedingungen untersucht werden. Auch Boas führte Feldstudien durch und verbrachte viel Zeit bei den Kwakiutl.

Foto rechts: Franz Boas brachte die Fadenspiele der Inuit nach Europa.

Er beobachtete die Kwakiutl bei ihren alltäglichen Arbeiten, Pflichten und Gebräuchen. Um möglichst viele Eindrücke sammeln zu können, filmte er die Indianer bei ihren Tänzen und zeichnete ihre Gespräche und Gesänge auf Tonband auf. Dies war damals eine neuartige Art der Dokumentation.

Keine Kultur ist besser als die andere!

Zu Boas' Zeiten war es üblich, andere, fremdartige Kulturen an den eigenen Errungenschaften und Maßstäben zu messen. Die modernen Industrienationen stellten sich auf die höchste und schriftlose Völker auf die niedrigste Kulturstufe. Boas wandte sich scharf gegen solch eine eingeschränkte Sichtweise und betonte die Gleichwertigkeit aller Kulturen.

Für ihn war keine Kultur besser als die andere. Jede Kultur ist das Resultat einer besonderen Geschichte und somit einzigartig. Vergleiche zwischen verschiedenen Kulturen sind daher nur schwer möglich.

Nicht selten haben unterschiedliche Arten, die Welt zu sehen, zu Missverständnissen oder sogar Kriegen zwischen Völkern geführt. Umso wichtiger ist es, dass wir lernen, fremde Kulturen zu verstehen, um in Frieden miteinander leben zu können.

Links

Weiteres über den Forscher Franz Boas erfahrt ihr hier.

Anlässlich des 150. Geburtstags von Franz Boas findet eine Sonderausstellung im Mindener Museum statt vom 17. Mai bis 17. August 2008.

Mehr über die ursprüngliche Bevölkerung Amerikas lest ihr im WAS IST WAS Band 42 "Indianer". Über die Entwicklung des Menschen informiert euch WAS IST WAS Band 2 "Der Mensch".

09.07.2003 Marion Dimitriadou; aktualisiert: 07.07.08 lm, Illustrationen: WAS IST WAS Band 2 "Der Mensch" und Band 42 "Indianer"; Portrait Boas: pd; Brotsorten und Bücher mit Briefen: Tessloff Archiv.

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