Vor 55 Jahren: Die Polio-Impfung wird eingeführt

Die Kinderlähmung, medizinisch Poliomyelitis oder kurz Polio genannt, ist eine hoch ansteckende, durch Viren übertragbare, fieberhafte Krankheit. Der Erreger befällt bevorzugt die motorischen Nervenzellen im Rückenmark, die für die Kontrolle der Muskulatur zuständig sind. Bei einer Polio-Erkrankung kann es zu bleibenden Lähmungen kommen, in seltenen Fällen auch zum Tod. In rund 95 Prozent der Fälle verläuft die Erkrankung dagegen leicht, ähnlich einem grippalen Infekt oder unkomplizierte Durchfallerkrankung. Die Krankheit befällt besonders Kinder. 1955 wurde gegen diese Krankheit eine Impfung eingeführt, die Poliomyelitis stark eingedämmt hat.

Poliovirus

Krankheitsverlauf

Die Krankheit verläuft in Abschnitten. In der ersten Phase der Erkrankung (sieben bis vierzehn Tage nach der Ansteckung) vermehren sich die Viren im Körper. Dabei weist der Erkrankte Krankheitsanzeichen ähnlich einer Grippe auf, mit Fieber, Schluck- und Halsbeschwerden, Durchfall und Kopf- und Gliederschmerzen. In den meisten Fällen endet die Krankheit mit dem Abklingen dieser Anzeichen.

Nur in fünf bis höchstens zehn Prozent aller Fälle kommt es nach einem beschwerdefreien Zeitraum von ungefähr einer Woche zum Eindringen des Erregers in das zentrale Nervensystem. Damit beginnt die zweite Krankheitsphase. Der Patient erkrankt infolgedessen an einer Hirnhautentzündung, die zu motorischen Störungen bis hin zu Muskellähmungen führen kann.

In seltenen Fällen kann es zu einer Entzündung des Stammhirns kommen. Dies hat Lähmungen der Nerven zur Folge, die für das Schlucken, die Atmungs- und Kreislaufregulation zuständig sind. Diese Form der Kinderlähmung ist besonders bedrohlich.

Wie wird Kinderlähmung übertragen?

Der Erreger der Kinderlähmung ist das Polio-Virus, von dem es drei Typen gibt. Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch über Tröpfchen- oder Schmierinfektion, der Erreger kann aber auch durch Lebensmittel übertragen werden. Schlechte hygienische Verhältnissen begünstigen die Ausbreitung. Eine angesteckte, also infizierte, Person kann schon wenige Stunden danach selbst andere anstecken und das etwa drei bis sechs Wochen lang.

Heute wird der Impfstoff gespritzt.

Wissenschaftler entdecken Gegenmittel!

Im Jahr 1952 wurde die USA von einer katastrophalen Kinderlähmungs- Epidemie heimgesucht. 58.000 Fälle von Polioinfizierten wurden damals gemeldet. Über 3000 Menschen starben, über 20.000 trugen bleibende Lähmungserscheinungen davon. Auch in der BRD gab es damals knapp 10.000 Poliofälle.

1949 hatten die drei amerikanischen Wissenschaftler John Franklin Enders, Frederick Chapman Robbins und Thomas H. Weller sich der Krankheit angenommen und den Polio-Virus in verschiedenen Geweben kultiviert. Für diese Versuche erhielten sie 1954 den Nobelpreis der Medizin. Diese Grundlagen machte sich der Bakteriologe Jonas Edward Salk zunutze. Er war auf der Suche nach einem wirkungsvollen Medikament gegen Polio. Er entwickelte einen Impfstoff und schon 1954 wurden 1,8 Millonen Kinder in den USA auf diese Weise geimpft. Dabei wurden drei Mal abgetötete Polioviren der drei Erregertypen geimpft. Diese Impfung wurde weiterentwickelt zur so genannten Schluckimpfung, die mit einem Stück Zucker verabreicht wurde.

Vorbeugen durch Impfung!

Man stellte bald fest, dass diese Impfung die einzig wirksame Vorbeugung gegen Kinderlähmung war. Ab 1962 wurde diese Impfung in Deutschland zur Pflicht. Dabei kam es aber in sehr seltenen Fällen zur "Impf-Kinderlähmung". Deshalb wird in Deutschland seit 1998 ein Impfstoff aus abgetöteten Viren gespritzt, eine Methode die als sicher gilt. Diese Impfung muss mehrmals durchgeführt werden, um einen vollständigen Impfschutz zu erhalten. Die erste Impfung kann ab dem dritten Lebensmonat durchgeführt werden und gehört zu den empfohlenen Standardimpfungen, die Kinder im Rahmen der Routine-Untersuchungen beim Kinderarzt erhalten.

Kinderlähmung noch nicht völlig ausgerottet

Eine Auffrischung bei Erwachsenen alle 10 Jahre ist durchaus empfehlenswert, allerdings wird sie in Deutschland nicht mehr routinemäßig durchgeführt, sondern nur noch vorbeugend bei Reisen in gefährdete Gebiete empfohlen. In Afrika wurden 2004 zum Beispiel über 1000 Fälle von Kinderlähmung registriert. Gefährdet sind auch Indien und Teile Südostasiens.

In den USA und in Europa konnte die Kinderlähmung dagegen, dank flächendeckender Schutzimpfungen fast ausgerottet werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) arbeitet daran, dass diese Erkrankung durch entsprechende Impfprogramme in den nächsten Jahren weltweit ausgerottet wird.

-ab-13.04.05 Text / Fotos: Science, Technology & Medicine

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