Nur ein kleiner Pieks: Die Erfindung der Lokalanästhesie

Zum Glück ist es heute selbstverständlich, dass man etwa beim Zahnarzt eine Betäubungsspritze bekommt. Gerade Eingriffe am Zahn sind schmerzhaft und ohne Betäubung wäre eine Wurzelbehandlung wohl kaum zu ertragen. Dabei gab es in den Anfangstagen gerade von Ärzten Widerstand gegen die so genannte Anästhesierung.

Am 19. Juli 1859 wurde in Stettin Carl Ludwig Schleich in eine Arzt-Familie hinein geboren. Nach dem Abitur arbeitete er während des Studiums der Medizin an verschiedenen Universitäten. Außerdem widmete er sich auch der Literatur und Philosophie.

Herausragende Leistung von Schleich war die Entwicklung der so genannten "Infiltrationsanästhesie". Unter Anästhesie versteht man die Betäubung vor Operationen. Je nachdem, wie und was betäubt wird, existieren unterschiedliche Bezeichnungen.

Narkose

Als Narkose bezeichnet man zum Beispiele eine allgemeine, den ganzen Körper betreffende Betäubung vor einer großen Operation. Eine Narkose erfolgt, indem man Gase einatmet und verschiedene Substanzen gespritzt bekommt. Die verschiedenen Mittel dienen dazu, die Muskeln zu entspannen und das Bewusstsein auszuschalten. Man spricht von hypnotischer (das Bewusstsein ausschaltender), analgetischer (schmerzstillender) und relaxierender (entspannender) Wirkung.

Örtliche Betäubung

Beim Zahnarzt hingegen bekommt man ein lokal wirkendes Betäubungsmittel in das Zahnfleisch gespritzt. Die Moleküle des Schmerzmittels verstopfen Poren in den Nerven. Wissenschaftlich gesprochen: Sie blockieren Ionenkanäle. Dadurch kann der Nerv keine Reize mehr weiterleiten. Weil das zu betäubende Gebiet vom Betäubungsmittel durchdrungen (infiltriert) wird, spricht man auch von Infiltrationsanästhesie.

Diese Entdeckung war zu Zeiten Carl Ludwig Schleichs geradezu revolutionär. Denn damals kannte man nur die allgemeine Narkose, etwa durch Chloroform. Schleich sprach sich dafür aus, wo immer möglich, eine lokale Betäubung vorzunehmen, statt eine Narkose. Denn eine Narkose war besonders zu Schleichs Zeiten auch immer mit der Gefahr von Herz-Kreislaufkomplikationen verbunden, die durchaus tödlich sein konnten.

Ärzte gegen Schmerzfreiheit

Dabei gab es teils beträchtlichen Widerstand gegen Betäubungsverfahren, auch und besonders von Ärzten! So wurde Schleich auf einem Kongress, wo er sein Verfahren vorstellte, das Rederecht entzogen. Ärzte standen der Betäubung aus verschiedensten Gründen zunächst ablehnend gegenüber.

Viele Gründe wurden ins Feld geführt. Neben religiösen Gründen auch der Widerwille von Ärzten an "Kadavern" zu operieren. Als solche betrachteten sie die betäubten Patienten. Auch war man sich nicht sicher, ob die Ausschaltung des Schmerzempfindens neue Gefahren barg. Denn der Schmerz diente bei Operationen dem Arzt auch als Signal dafür, ob er auf dem richtigen Weg war.

Betäubungsmittel als Partydroge

Zudem dachte man, der Organismus würde durch die Betäubung zusätzlich zur Operation belastet. Und schließlich wandte man sich gegen die Verwendung von zum Beispiel Lachgas, weil es damals als Partydroge galt. Damit wollten seriöse Ärzte nicht in Verbindung gebracht werden.

Heute völlig unverständliche Ansichten und gruselig, wenn man sich vorstellt, einen Zahnarzteingriff oder eine Mandeloperation ohne Betäubung mitmachen zu müssen. Schließlich setzte sich auch das Verfahren von Carl Ludwig Schleich durch.

Carl Ludwig Schleich starb am 7. März 1922 in Bad Saarow.



Text: -jj- 17.7.2009 // Bilder: Carl Ludwig Schleich PD

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