Kann man aus Stammzellen ein neues Organ züchten?

Die Forschung mit Stammzellen bietet große Chancen in der Medizin. Vor allem Menschen, die auf ein Spenderorgan warten, könnte damit geholfen werden. In Stockholm ist es Ärzten gelungen, einem Patienten eine aus Stammzellen gezüchtete Luftröhre einzupflanzen.

 Was sind Stammzellen?

Wenn nach der Befruchtung ein neuer Mensch entsteht, besteht er zu Beginn aus nur relativ wenigen Zellen. Diese bilden Tochterzelle, die sich dann immer weiter spezialisieren, bis viele verschiedene Zelltypen im Körper existieren. Im Gehirn finden sich also andere Zellen, als in Knochen oder in der Leber.

Alle Zellen des Körpers entwickeln sich aus den Stammzellen. Sie sind auch für die Zellerneuerung verantwortlich.

Stammzellen sind daher die Grundvoraussetzung für das Entstehen verschiedener Organe und eines komplexen Organismus. Sie können sich im Grunde in jedes Gewebe umwandeln. Im Knochenmark sind auch beim Erwachsenen Stammzellen vorhanden, die neue, spezialisierte Zellen bilden und so abgestorbene Zellen ersetzen.

Auf der Suche nach einem Organ

Viele Menschen leiden an Krankheiten, wie zum Beispiel Krebs, die bestimmte Organe befallen und so stark beschädigen, dass sie nicht mehr funktionieren. In so einem Fall benötigt der Patient ein neues Organ. Mit der Technik der Transplantation (lateinisch für verpflanzen) ist es möglich, ein noch funktionstüchtiges Organ aus einem anderen Menschen (meist einem Verstorbenen) zu entnehmen und dem Kranken einzupflanzen.

Doch die Wartelisten für ein Spenderorgan sind lang und für viele Menschen ist die Wartezeit das Todesurteil. Und selbst wenn man das Glück hat, ein passendes Organ zu bekommen, muss das nicht die endgültige Rettung bedeuten. Denn wenn der Körper das neue Organ als fremd erkennt, wird es von den Abwehrkräften angegriffen und abgestoßen. Außerdem halten die meisten Second-Hand-Organe nur 5 bis 10 Jahre.

Hier werden Stammzellen nach dem Verfahren des sogenannten "Tissue Engineering" kultiviert.



Zukunft Stammzellen

Die Forschung mit Stammzellen könnte diesem Dilemma ein Ende machen. Wenn es gelingt, aus den körpereigenen Stammzellen ein neues Organ zu züchten, würde es nicht vom Körper abgestoßen werden. Außerdem müsste man nicht warten, bis sich ein geeigneter Spender in der Datenbank findet. So könnte man sich das neue Organ quasi selbst spenden.

Der Durchbruch

Einem Ärzteteam in Schweden ist nun der Durchbruch gelungen. Ein 36 Jahre alter Mann litt an Luftröhrenkrebs. Der Tumor war schon sehr groß und blockierte die Luftröhre, sodass der Patient ein neues Organ benötigte. Die Ärzte am Karolinska-Krankenhaus in Stockholm schafften es, eine Luftröhre aus den Stammzellen des Mannes zu züchten.

Mit Stammzellen können schon einige Organe herangezüchtet werden, wie hier ein Blutgefäß.

Dazu bauten sie ein künstliches Gerüst des späteren Organs auf und setzten die Stammzellen aus dem Knochenmark darauf. Dann mussten sie eine Umgebung schaffen, in der sich die Zellen zum richtigen Gewebe spezialisieren. Dies taten sie, indem sie die Verhältnisse im künstlichen Blutkreislauf nachahmten, sodass die Zellen wachsen konnten.

Nach zwei Tagen Bebrütung war das neue Organ fertig und konnte von den Ärzten am 9. Juni diesen Jahres eingepflanzt werden. Es war das erste Mal, dass es gelang, ein aus Stammzellen gezüchtetes Organ zu implantieren. Die Hoffnung wächst nun, dass auf diesem Gebiet weitere Fortschritte erzielt werden, und mit Stammzell-Organen vielen Menschen das Leben gerettet werden kann. Der Patient konnte nach einem Monat das Krankenhaus verlassen und führt mit seiner neuen Luftröhre ein ganz normales Leben.

06.09.2011 // Text: Jan Wrede; Bilder: Zellen: Nissim Benvenisty, PLoS (cc-by-sa 2.5), Kulturen: National Cancer Institute (pd), Gefäß: HIA (cc-by-sa 3.0)

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt