Forschung mit Embryonen in Deutschland

Forscher in aller Welt untersuchen, ob mithilfe von embryonalen Stammzellen Krankheiten wie Krebs und Diabetes geheilt werden können. Das Problem an der Sache ist: Um die Zellen zu bekommen, müssen die Embryos, also die Babys im frühesten Entwicklungsstadium, getötet werden. In Deutschland ist die Gewinnung von Stammzellen verboten.

Am 30. Januar 2002 haben die Abgeordneten im Bundestag entschieden, dass Stammzellen aus anderen Ländern nach Deutschland eingeführt werden dürfen. Hier findet ihr Erklärungen zu schwierigen Begriffen rund um die schwierige Entscheidung.

Was macht der Bundestag?

Der deutsche Bundestag kümmert sich um die Gesetzgebung. Die Mitglieder des Bundestages werden Abgeordnete genannt. Sie werden von den Bürgern gewählt. Die Abgeordneten mussten entscheiden, ob sie ein Gesetz zum Import (= Einführung) von embryonalen Stammzellen befürworten oder nicht.

Die meisten Abgeordneten gehören einer Partei an. Im Bundestag bilden die einzelnen Parteien oder Parteibündnisse die Fraktionen. Normalerweise müssen die Abgeordneten bei Gesetzesbeschlüssen so abstimmen, wie es ihre Fraktion möchte. Man spricht von Fraktionszwang. Bei der Abstimmung zum Import von embryonalen Stammzellen war der Fraktionszwang aufgehoben. Jeder Abgeordnete sollte allein nach seinem Gewissen entscheiden.

Abbildung: Eizelle und Samenzelle verschmelzen, die daraus entstehende Zelle nennt man Embryo. Diese Zelle teilt sich immer wieder und wird dadurch größer.

Was ist ein Embryo?

Embryo nennt man das frühe Stadium in der Entwicklung eines Babys im Mutterleib: die ersten Tage und Wochen nachdem die Eizelle der Frau mit der Samenzelle des Mannes verschmolzen ist. In dieser Zeit vergrößert sich das Embryo durch ständige Zellteilung.

Was sind Stammzellen?

Im menschlichen Körper gibt es eine Vielzahl verschiedener Zellen: Hautzellen, Blutzellen, Nervenzellen etc. Es gibt jedoch auch einige Zellen, die sich zu jedem beliebigen Zelltyp entwickeln können Joker sozusagen. Man nennt sie Stammzellen. Am Anfang der Embryo-Entwicklung stehen solche Stammzellen. Das Embryo besteht in den ersten Tagen ja nur aus wenigen Zellen, diese müssen natürlich universell sein, um sich später zu jeder beliebigen Körperzelle entwickeln zu können.

Doch auch Erwachsene tragen Stammzellen in ihrem Körper. Man nennt sie adulte" (=erwachsene) Stammzellen. Sie können z.B. aus dem Blut oder dem Knochenmark entnommen werden.

Forschung an Stammzellen was wollen Forscher erreichen?

Die Medizin sieht in den Stammzellen eine besondere Chance: Forscher untersuchen derzeit, ob es möglich ist, aus solchen Zellen bestimmte Körperzellen oder sogar ganze Organe nachwachsen zu lassen, die ein Patient durch eine Krankheit verloren hat. Dadurch könnte es neue Heilungsmöglichkeiten für Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder die Alzheimersche Krankheit geben.

Es gibt bereits erste Versuche: in Laboren gelang es, bestimmte Körperzellen zu züchten. Umstritten ist jedoch, ob sich die Zellen tatsächlich erfolgreich im Kampf gegen Krankheiten einsetzen lassen. Die Forschung steht noch ganz am Anfang. Außerdem sind sich die Forscher uneinig darüber, ob für Zelltherapien unbedingt embryonale Stammzellen gebraucht werden, oder ob adulte Stammzellen zu den gleichen Ergebnissen führen.

Wie werden embryonale Stammzellen gewonnen?

Nun fragt ihr euch vielleicht, wie die Forscher überhaupt zu den embryonalen Stammzellen kommen. Wird ein Kind gezeugt, indem seine Eltern miteinander schlafen, bleiben ja keine Embryonen übrig, die im Labor weiterverwendet werden könnten.

Seit einigen Jahren gibt es aber auch die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung, dabei werden Ei- und Samenzelle im Labor miteinander verschmolzen. Diese Methode nutzen Paare, die auf natürliche Weise keine Kinder bekommen können. Um die Wahrscheinlichkeit zu vergrößern, dass es zu einer Befruchtung kommt, wird im Labor nicht nur eine Eizelle mit einer Samenzelle zusammengebracht, sondern gleich mehrere Eizellen mit mehreren Samenzellen. Dadurch werden häufig überschüssige Embryonen gezeugt. Da sich aus diesen Embryonen Babys entwickeln können, werden sie in der Regel nicht einfach weggeworfen, sondern im Gefrierfach aufgehoben.

Aus diesen überzähligen Embryonen wollen Forscher Stammzellen gewinnen. Dabei wird das Embryo getötet.

Die Gewissensfrage

Bei dieser Methode stellt sich ein doppeltes Problem.

Zum einen ist ungeklärt, wann menschliches Leben beginnt. Ein wenige Tage alter Embryo ist für die einen nicht mehr als ein Zellhaufen, für die anderen jedoch schon ein Mensch.

Geht man davon aus, dass es sich um einen Menschen handelt, so ist es moralisch bedenklich, das Leben eines Menschen dafür zu opfern, um möglicherweise Heilmittel für andere Menschen zu finden. Forscher wie Gesetzgeber befinden sich hier in einer Zwickmühle. Besonders, da bisher nicht geklärt ist, ob die Forschungen an den embryonalen Stammzellen die erhofften Ergebnisse bringen werden

Wettlauf der Forschung: welches Land gewinnt?

Jedes Land möchte gern als erstes neue Heilmittel auf den Markt bringen. Deshalb finden es manche Leute unverantwortlich, wenn die Forschung in Deutschland durch ein Verbot der Einfuhr von Stammzellen lahmgelegt wird, während es in anderen Ländern keine solchen Gesetze gibt.

Der Beschluss

Der Beschluss des Bundestages sieht nun folgende Regelung vor: Grundsätzlich ist der Import von embryonalen Stammzellen nach Deutschland verboten. Für Ausnahmenregelungen müssen folgende Faktoren gewährleistet sein:

- Alle alternativen Möglichkeiten, z. B. die Forschung an adulten Stammzellen, sind nicht erfolgversprechend.

- Es dürfen nur Stammzellen von bereits bestehenden Stammzelllinien eingeführt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass keine Embryos mehr für Forschungszwecke getötet werden.

- Die Eltern des Embryos müssen einverstanden sein.

- Die Hochrangigkeit des Forschungsvorhabens muss bewiesen sein.

Zum Bundestag findet ihr Informationen auf www.bundestag.de.

LM - 30.01.02

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