Die Charité in Berlin - mehr als nur ein Krankenhaus

Am 13.5.1710 gründete König Friedrich I. von Preußen in Berlin die Krankenanstalt Charité. Aus der Quarantänestation für Pestkranke wurde zunächst ein Armenhospital. Seit 1810 arbeitet sie mit der Universität zusammen und war Ende des 19. Jahrhunderts das wissenschaftliche Zentrum der deutschen Medizin. Wissenschaftler von Weltruf haben dort studiert und gearbeitet.

Die Charité ist eine Berliner Institution mit einer inzwischen 300jährigen Geschichte. Der Name stammt aus der französischen Sprache und bedeutet "Nächstenliebe" oder auch "Barmherzigkeit".

Die Charité im 18. Jahrhundert:

Vom Pesthaus zum Bürgerhospital


Vor rund 300 Jahren wütete eine Pestepidemie in Osteuropa. Durch die Krankheit war die Provinz Preußen teilweise entvölkert worden.

Im Jahr 1709 bedrohte die Seuche auch die Mark Brandenburg und Berlin. König Friedrich I. von Preußen wollte nicht tatenlos zusehen, wie seine Untertanen dahin gerafft wurden und ordnete die Gründung von Lazareth-Häusern außerhalb der Städte an, um die Krankheit ausserhalb der Stadtmauern zu halten.

Am 13.5.1710 begannen die Bauarbeiten für  das Gebäude der Charité vor dem Spandauer Tor in Berlin.

Weil die Pest an Berlin vorbeizog, wurde der Bau nicht als Quarantänestation benötigt. So wurde das Haus im Sinne seines Namens als Armen- und Arbeitshaus für Bettler, unehelich Schwangere und Prostituierte genutzt. Ferner diente es der preußischen Armee als Garnisionslazarett.

Später avancierte das Haus auch zu einer in Europa einzigartigen Ausbildungsstätte von Militärärzten. Als klinische Lehranstalt ergänzte sie das theoretische medizinische Kollegium in Berlin.


Am 9. Januar 1727 verfügte König Friedrich Wilhelm I. (der Soldatenkönig) die Umwandlung des Lazaretts in ein Bürgerhospital.

In den Jahren 1785 bis 1800 wurde das Gebäude der Charité in mehreren Abschnitten ausgebaut und erweitert.

Die Charité im 19. Jahrhundert:

Eine Ausbildungsstätte ersten Ranges


Berlin wuchs schnell, und durch die veränderten Stadtmauern liegt die Charité seit dem Jahr 1800 innerhalb des Berliner Stadtgebiets.

1810 - die Charité war 100 Jahre alt - wurde die Berliner Universität gegründet. Weil das Hospital einen ausgezeichneten Ruf als Ausbildungsstätte genoß, wurde es schon bald in den universitären Lehrbetrieb einbezogen.

Die Ausbildung an der Charité verlief dabei praxisorientiert am Krankenbett, während die Ausbildung an der Universität sehr theoretisch-allgemeinbildend war.

1856 wurde Rudolf Virchow zum Direktor des pathologischen Instituts berufen. In diesem Amt konnte er seiner Zellularpathologie zum wissenschaftlichen Durchbruch verhelfen.

In der Zellbiologie wird mit Hilfe der Mikroskopie und molekularbiologischer Methoden die Zelle erforscht, um biologische Vorgänge auf zellulärer Ebene zu verstehen und aufzuklären.

Virchow bestätigte die Theorie des Mediziners und Botanikers Franz Meyen (18041840), dass jede Zelle aus einer anderen entsteht ("omnis cellula e cellula"). Mit dieser Lehre revolutionierte er die medizinische Wissenschaft.



Die Zeit der großen Entdeckungen

Ende des 19. Jahrhunderts war die Charité das wissenschaftliche Zentrum der deutschen Medizin und brachte Wissenschaftler von Weltruf hervor.


1876 wurde in Berlin das Gesundheitsamt gegründet. Dort arbeiteten Emil Adolf von Behring und Paul Ehrlich.

Emil Adolf von Behring forschte unter anderem an der Diphtherieerkrankung, an der damals jedes zweite Kind starb. Wegen seiner wissenschaftlichen Erfolge wurde er damals als Retter der Kinder bezeichnet.

Paul Ehrlich gilt mit seinen Forschungen als Begründer der Chemotherapie und war an der Entwicklung des Serums gegen Diphtherie beteiligt. 1908 erhielt er zusammen mit Ilja Iljitsch Metschnikow den Medizin-Nobelpreis für die Begründung der Immunologie.

In direkter Nähe zur Charité steht ein Denkmal für Robert Koch, der auch in dieser Zeit dort arbeitete und die Erreger von Milzbrand, Tuberkulose und Cholera entdeckte.


Die Liste der Berühmtheiten, die an der Charité wirkten, ließe sich hier noch lange fortsetzen. Zu einzelnen Persönlichkeiten findest Du weitere Artikel im WAS IST WAS-Archiv.

Die Charité im 20. Jahrhundert

Glanz, Krieg, Teilung und Wiedervereinigung

Um die baulichen Voraussetzungen für die erfolgreiche Weiterentwicklung der Medizinischen Fakultät zu schaffen, erfolgten bis 1917 weitere großzügige Um- und Neubauten im Bereich der Charité. In dieser Zeit genoss die Einrichtung ihr höchstes Ansehen. Acht spätere Nobelpreisträger begannen ihren wissenschaftlichen Weg an der Charité, wie zum Beispiel Werner Forßmann und Albrecht Kossel.

Aber auch die Begründer medizinischer Spezialgebiete und weitere namhafte Experten wie Ferdinand Sauerbruch (18751951) nutzten die Klinik. Sauerbruch gilt als einer der bedeutendsten und einflussreichsten Chirurgen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auch über ihn findest du unten in den Links einen eigenen Artikel.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden zahlreiche jüdische Mitarbeiter entlassen, von denen viele zum Erfolg und zum guten Ruf der Charité beigetragen hatten.

Bei Bombenangriffen und während der Kämpfe um Berlin im April 1945 wurden die Gebäude schwer beschädigt aber bald nach dem Krieg wieder aufgebaut.

Durch die Teilung Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Charité in Ost-Berlin. Ab 1961 grenzte sie direkt an die Berliner Mauer.

In der DDR war die Charité an die Humboldt-Universität angegliedert und galt als führendes Krankenhaus der Hauptstadt der DDR. In West-Berlin wurde das städtische Krankenhaus Westend zum Universitätsklinikum Charlottenburg umgewidmet und der Freien Universität Berlin angegliedert. Zu ihr gehörte auch das neu gebaute Universitätsklinikum Benjamin Franklin. Nach der Wiedervereinigung erfolgte die Neustrukturierung der Berliner Hochschul- und Krankenhauslandschaft.

Die Charité im 21. Jahrhundert

Gut gerüstet in die Zukunft

Seit Mitte 2003 sind die medizinischen Fakultäten der Humboldt- und Freien Universität Berlin unter dem Namen Charité Universitätsmedizin Berlin vereinigt.


Aktuell verteilt sich die Charité auf vier Standorte:

Campus Benjamin Franklin (CBF) in Lichterfelde

Campus Berlin-Buch (CBB) in Buch

Campus Charité Mitte (CCM) in Mitte

Campus Virchow-Klinikum (CVK) im Wedding



Damit ist eine der größten Universitätskliniken Europas mit rund 15.000 Mitarbeitern entstanden.

Die Charité ist nach der Deutschen Bahn Berlins zweitgrößter Arbeitgeber. Die Klinik umfasst 3.500 Betten, rund 3.750 Wissenschaftler und Ärzte entwickeln hier die Grundlagen für neue Therapien und optimieren bestehende Behandlungsmethoden. Die Charité bildet hoch qualifizierte, wissenschaftlich denkende und verantwortungsbewußte Ärztinnen und Ärzte aus.

Mehr über viele bedeutende Ärzte der Charité erfahrt ihr im WAS IST WAS Band 66 Geschichte der Medizin.

 

 

Text: RR, Stand 10. 5. 2010, Fotos:


Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt