Der sprechende Baum

In Erlangen gibt es einen "sprechenden Baum". Nein, nicht von Tolkiens Ents ist die Rede, sondern von einer Eiche, die Wissenschaftler seit kurzem komplett verkabelt haben. So wollen sie genaue und vielfältige Informationen sammeln, um zu verstehen, wie es einem Baum im Laufe der Zeit so ergeht. Hier erfahrt ihr mehr ...

Das hätte sich der junge Eichenschößling um das Jahr 1860 herum nicht träumen lassen: Dass er einmal im Mittelpunkt wissenschaftlichen Interesses stehen würde und sein Leben noch dazu weltweit via Internet übertragen wird. So geht es nämlich der mittlerweile 150 Jahre alten Eiche im Botanischen Garten der fränkischen Universität Erlangen-Nürnberg. Dabei ist sie noch ein junges Ding. Sie kann locker noch fünf Mal so alt werden.

Ein sprechender Baum, ein Ent, und ein Hobbit aus dem Ring-Universum von JRR Tolkien.

Quercus robur, so der wissenschaftliche Name, ist von oben bis unten entlang des rund 18 Meter hohen Stammes verkabelt. Das Wissenschaftsmagazin "Spektrum der Wissenschaft" arbeitet mit dem Institut für Geografie der Universität Erlangen-Nürnberg zusammen. Gemeinsam wurde ein wissenschaftliches Internetprojekt ins Leben gerufen.


Ein Foto aus der Serienaufnahme der Erlanger Eiche. Rot umrandet sind angebrachte Messgeräte.



Wissenschaftler möchten herausfinden, welchen Einfluss die Umwelt auf das Wachstum und den Zustand des Baumes hat. Dazu wurde eine Vielzahl an Messgeräten installiert. Diese Daten werden von einer speziellen Software aufbereitet und als Meldungen samt Bild ins Internet gestellt. Auch ein Video gibt es von dem "Sprechenden Baum" schon.


Messen, was möglich ist


Die Wissenschaftler bei der Installation der Messgeräte.

Und es fallen nicht wenige Daten an, denn die Wissenschaftler sind neugierig. Folgende Messgeräte sind installiert:


Ein Thermometer ermittelt die Temperatur in der Umgebung des Baumes.


Lichtempfindliche Sensoren messen, wie lange es hell ist und wie stark die Bewölkung ist. Das sind wichtige Daten, denn von der einfallenden Lichtmenge hängt ab, wie gut der Baum Photosynthese betreiben, also Kohlendioxid in Zucker und Wasser umwandeln kann.


Ein Anemometer misst Windgeschwindigkeit und Windrichtung (anemos = gr. für Wind). Solche Messgeräte gibt es auch für zu Hause, wenn man seine eigene kleine Wetterstation betreibt. Sie sehen aus wie kleine Eierbecher.


Ein Niederschlagsmesser ("Fluviometer") liefert Daten über die Feuchtigkeitsmenge, die durch Regen, Schnee, Tau oder Hagel am Standort niedergeht. Das Gerät ist an einem langen Metallrohr oberhalb der Baumkrone angebracht. So misst man den wirklichen Niederschlag und nicht nur den sogenannten Kronendurchlass, also die Menge, die durch das Blätterdach der Krone den Erdboden erreicht.


Ein Saftflusssensor misst ständig, wie viel Wasser der Baum aufnimmt und aus den Wurzeln in seine Blätter transportiert. Der Sensor funktioniert sehr trickreich: Es werden zwei Messnadeln in gewissem Abstand untereinander vorsichtig in den Stamm gesteckt.

Die obere der beiden Nadeln wird ständig leicht mit konstanter Energiezufuhr beheizt. Nun misst man den Temperaturunterschied zwischen den beiden Nadeln. Das im Stamm von unten nach oben strömende Wasser kühlt die beheizte Nadel. Je geringer also die Temperaturdifferenz zwischen den beiden Nadeln ist, desto mehr Wasser oder Saft fließt von den Wurzeln nach oben.


Ein Dendrometer (dendro=gr. für Baum) zeigt den Wissenschaftlern an, wie viel der Umfang des Baums im Jahresverlauf wächst. So kann man genau verfolgen, welche Umwelteinflüsse sich wie auf den Baum auswirken.


Ein Datenschatz für die Zukunft


Vom Bayerischen Landesamt für Umwelt werden noch Daten zur Ozon- und Feinstaubbelastung gesammelt und in Bezug zu den Baumdaten gesetzt. Denn das hauptsächlich durch den Autoverkehr entstehende bodennahe Ozon kann die Photosynthese des Baums beeinträchtigen, genauso wie zu viel Feinstaub. Schließlich filmt eine Kamera ständig den Baum und stellt die Bilder online auf die Homepage des Baumes.


Das Institut für Geografie der Universität Erlangen-Nürnberg sammelt alle Daten und wertet sie aus. Die Daten sind wichtig für Forschungsprojekte, die erkunden, wie Bäume in der Stadt zurechtkommen. Auch soll erforscht werden, wie sich der Klimawandel langfristig auf den Waldwuchs auswirkt.


Übrigens ...


Wer einmal hören möchte, wie sich nicht sprechende, sondern musizierende Pflanzen anhören, sollte einmal zu http://www.florasonium.de schauen. Professor Dr. Thilo Hinterberger experimentiert mit den elektrischen Signalen von Pflanzen und wandelt diese in Musik um!


Hier findet ihr die Homepage des "Sprechenden Baumes".


Text: -jj- 18.6.2011 // Bilder: (c) und mit freundlicher Genehmigung von Richard Zinken/Dr. Lingenhöhl; Treebeard TTThom cc-by-sa 3.0;

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