Canyoning - Abenteuer in Österreich

Immer mehr Menschen suchen im Urlaub statt Entspannung das besondere Erlebnis. Unser Reporter Marco Jäger hat allen Mut zusammengenommen und eine geführte Schluchtenwanderung in der Nähe von Salzburg mitgemacht.

Es sollte ein spaßiges Wochenende mit Freunden und einer Prise Abenteuer werden. Auf dem Programm stand eine Wanderung durch die Tauglschlucht, die längste Schlucht Österreichs.

Der Tag unserer Wanderung begann wenig freundlich mit grauen Wolken und Nieselregen. Auch die ganze Nacht hindurch hatte es geregnet, was uns ein ungutes Gefühl in der Magengegend bescherte. Schließlich wandert man beim Canyoning eine Schlucht hinab, die sich bei Regen sehr schnell füllen kann. Auch Todesfälle gab es schon, weil Wanderer die Witterungsverhältnisse unterschätzten.

An der Basisstation warfen wir uns zunächst in hautenge Neoprenanzüge, schnallten uns die Schwimmwesten um und zusätzlich auch noch einen Klettergurt. Neopren ist ein Material mit vielen Poren, dass besonders zum Schwimmen und Tauchen geeignet ist. Die Poren saugen sich mit Wasser voll und zwischen Anzug und Haut bildet sich ein dünner Wasserfilm, der vom Körper erwärmt wird. Das wirkt wie eine Isolationsschicht und man kann tatsächlich mehrere Stunden in einem Neoprenanzug im Wasser aushalten, ohne zu frieren.

Noch können wir lachen...

Wir fuhren gut eine halbe Stunde zum Einstieg in die Tauglschlucht. Der Regen ließ einfach nicht nach. Unser Guide zerstreute unsere Befürchtungen und meinte, dass natürlich Wasser in der Schlucht sei, aber alles noch im grünen Bereich wäre. Außerdem würden wir in der Schlucht ja sowieso nass werden. Die Wanderung sollte sechs bis sieben Stunden dauern.

15 Meter Abseilen ins Abenteuer

Am Einstieg der Schlucht angekommen erhielten wir eine kurze Einweisung und wurden am Kletterseil befestigt. Das Abenteuer konnte beginnen. Unser Guide wickelte das Seil um einen Baum und ließ uns nacheinander etwa 15 Meter über eine Kante in die Schlucht hinab. Links sprudelte ein kleiner Wasserfall etwa fünf Meter tief in die Schlucht, und ein lautes Rauschen dröhnte in unseren Ohren. Es sollte für die nächsten Stunden unser ständiger Begleiter sein. Das Wasser hatte eine Temperatur von etwa acht Grad, die Lufttemperatur betrug circa 12 Grad - kein wirkliches Wohlfühlwetter, aber Aufregung und Neopren hielten uns zunächst warm.

Wer sich in Gefahr begibt...

Der erste Teil der Wanderung verlief ohne Probleme und wir hatten einen Heidenspaß. Zwei, drei Sprünge aus etwa drei Metern in kleine gefüllte Felsbecken, so genannte Gumpen, machten richtig Laune. Zwischendurch klarte auch der Himmel etwas auf, so dass wir guter Dinge waren. Nach knapp zwei Stunden kamen wir zur ersten und einzigen Möglichkeit, die Schlucht vorzeitig zu verlassen. In unserer Euphorie wollten wir natürlich unbedingt weitermachen. Doch Übermut tut selten gut...

Die Entscheidung war gefallen: nun mussten wir die Schlucht bis zum Ende gehen, denn die Seitenwände waren so steil, dass ein vorzeitiger Ausstieg nicht möglich war. Dazu wäre eine richtige Kletterausrüstung nötig gewesen, die wir nicht bei uns hatten.

 

Der kleine Wetterlichtblick war bald vergessen und schwarze Wolken, die immer wieder am Himmel aufzogen, verdunkelten die Schlucht. Das erste leichte Angstgefühl stellte sich bei uns ein und im Kopf tauchten Gedanken an die Berichte über verunglückte Wanderer auf, die von plötzlich steigendem Wasser überrascht worden waren. Aber wir hatten keine Wahl. Durch Konzentration auf die nächsten Schritte und Griffe gelang es, die Angst im Zaum zu halten.

Ein falscher Schritt...

Da passierte es - beim Sprung von einer Felswand verletzte sich ein Mitglied der Gruppe schwer am Bein. Der Knöchel schwoll schnell an und jeder Schritt schmerzte. Was tun? Unser Guide hatte kein Handy oder Funkgerät dabei, denn man hätte in der engen Schlucht keine Verbindung aufbauen können.

Es gab also nur zwei Möglichkeiten: Entweder mit einer Rettungsdecke, wie ihr sie vielleicht aus dem Auto kennt, auf einem Felsvorsprung zurückbleiben und mehrere Stunden im nassem Anzug warten, bis wir die Schlucht verlassen hatten und Hilfe holen konnten. Oder unter Aufbietung aller Kräfte und mit zusammengebissenen Zähnen versuchen, die Tour zu Ende zu gehen.

Die Angst vor dem Alleinsein und die Unsicherheit, ob das Wasser in der Zwischenzeit weiter steigen würde waren größer als die Schmerzen, so dass mein Freund humpelnd versuchte, weiterzugehen. Das kalte Wasser war von Vorteil, weil dadurch die Schwellung gekühlt wurde.

Jetzt war der Spaß vorbei...

Die anfängliche Begeisterung war schnell gewichen. Wir wollten alle nur noch aus der Schlucht heraus. Wir kämpften uns buchstäblich um jede Ecke des Canyons, teils schwimmend, teils in einigen Metern Höhe kletternd. Und das mit einem Verletzten in der Gruppe, immer in der Hoffnung, dass nach der nächsten Kurve der Ausstieg auf uns warten würde.

Die ersten Gefühle von Erschöpfung stellten sich ein, und die Kälte begann langsam, sich ins Neopren zu beißen. Ebenso schwanden langsam, aber sicher, unsere Kräfte. Aber zu Trinken oder zu Essen hatten wir nichts dabei, so dass wir ab und zu einen kleinen Schluck aus dem reißenden Wasser nahmen.

Bis auf einige kurze Abschnitte waren wir ständig in knie- bis hüfthohem Wasser unterwegs. Man musste aufpassen, dass die starke Strömung einen nicht von den Beinen riss, zumal der Untergrund fast die ganze Strecke über aus wackligen und glitschigen Steinen bestand - wenn man nicht gerade in drei, vier Metern Höhe die Felsen entlang kletterte.

Tränen der Erleichterung

Niemand von uns hatte eine Uhr dabei, so dass wir völlig das Zeitgefühl verloren hatten. Es zählte nur noch der nächste Schritt und die nächste Kurve. Umso größer war die Erleichterung, als endlich der Ausstieg auftauchte. Noch einmal mussten wir unsere ganze Konzentration und Kraft zusammennehmen, denn kurz nach dem Ausstieg gab es einen Wasserfall von etwa zehn Metern Höhe und das Wasser zog mächtig an einem. Ein unachtsamer Schritt und man wäre noch einmal ordentlich durchgespült worden.

Zum Glück ging alles gut, und als wir schließlich nach über neun Stunden alle mehr oder weniger wohlbehalten wieder auf festem Boden standen, wischten wir uns alle aus Erleichterung ein, zwei Tränen aus den Augenwinkeln. Vielleicht waren es aber auch nur die letzten Regentropfen...

Hier findet ihr Informationen rund um den Extremsport Canyoning

Text: -jj- 26.8.2005/Bilder: Marco Jäger/Thomas Herchenhan/Christian Luthardt

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