Pflege der ICE-Züge - Wartung wie beim Flugzeug

Hochmoderne Technik braucht tägliche Wartung. So wie jedes Passagierflugzeug nach einem Flug untersucht wird, müssen auch Hochgeschwindigkeitszüge zum "Boxenstopp" ins ICE-Werk. Für die rund 260 ICE-Züge unterhält die Deutsche Bahn AG sieben Betriebs- und zwei Ausbesserungswerke.

Hochgeschwindigkeitszüge, die mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde über die Schienen rasen, unterliegen einer besonders starken Beanspruchung. Immerhin legt jeder ICE am Tag bis zu 1.500 Kilometer zurück. Im Jahr ergibt das eine Fahrleistung von bis zu 500.000 km - das entspricht 12 Fahrten rund um den Globus. Diese hohe Produktivität und Verfügbarkeit der Fahrzeuge könnte ohne ein ausgeklügeltes Instandhaltungsprogramm nicht gewährleistet werden. Dieses Wartungskonzept gibt es seit der Inbetriebnahme der ersten ICE-Züge im Jahr 1991 und hat sich bestens bewährt.

Kurze Standzeiten

Wichtig ist hier - wie bei Rennwagen und Flugzeugen - die Standzeit möglichst kurz zu halten, denn Zeit ist bekanntlich Geld. Aus diesem Grund werden die Züge komplett ins Werk gefahren. In der Instandhaltung bleiben die Triebköpfe und die Waggons zusammen. Die Standzeit bei kurzen Werkstattaufenthalten soll dabei nur eine Stunde betragen und überwiegend nachts stattfinden, damit tagsüber möglichst viele Züge einsatzbereit sind.

Zeit sparen lässt sich auch durch die Funk-Vormeldung der im rechnergestützten Diagnosesystem hinterlegten Mängel per Datenfernübertragung: Schäden, die im täglichen Betrieb entstehen, werden vom Bordrechner noch während der Fahrt an das ICE-Werk gemeldet, so dass die Ersatzteile schon bereitliegen, wenn der Zug ins Werk rollt.

Wartungskonzept in sieben Stufen

Die Instandhaltung und Inspektion ist heute weitgehend automatisiert. Die Werke verfügen beispielsweise über Vorrichtungen, mit denen ganze Radsätze innerhalb weniger Minuten ausgetauscht werden können. Instandhaltung, Innenreinigung, Ver- und Entsorgung finden beim ICE auf nur einem Werkstattgleis, aber parallel auf drei Ebenen statt. Ein ICE-Zug wird also gleichzeitig unterhalb des Fahrzeugs, auf Einstiegshöhe sowie im Dachbereich gewartet. Die sieben Wartungsstufen sind:

1. Schnelle Inspektion:

Alle 4.000 Kilometer durchläuft ein ICE eine etwa eineinhalbstündige Inspektion. Dabei wird Frischwasser nachgefüllt und die Sammelbehälter der WCs entleert. Akute Mängel wie z. B. nicht schließende Türen müssen hier repariert werden. Dazu kommen weitere Wartungsarbeiten, welche der Sicherheit dienen: Dazu gehören die Einstellung des Anpressdrucks der Stromabnehmer, die Reinigung der Isolatoren auf dem Dach, deren Kontrolle auf Haarrisse, die Kontrolle der Trafoanlage auf Feuchtigkeit und der Stromabnehmerwippe auf Verschleiß. Im Rahmen dieser Inspektion wird zudem eine Laufwerkskontrolle vorgenommen. Die Arbeiten sollen nicht länger als 90 Minuten dauern.

2. Nachschau

Alle 20.000 Kilometer wird eine zweieinhalbstündigen Nachschau vorgenommen. Dabei werden zusätzlich die Bremsen, die Systeme der Linienzugbeeinflussung sowie der Gleitschutz geprüft.

3. Inspektionsstufe 1

Nach 80.000 Kilometern kommt es zur so genannten Inspektionsstufe 1. In zwei je achtstündigen Modulen wird dabei eine Bremsrevision ebenso vorgenommen wie eine Prüfung von Klimaanlage, Kücheneinrichtung, Sitzen, Batterien und des Fahrgastinformationssystems.

4. Inspektionsstufe 2

Nach 240.000 Laufkilometern werden im Rahmen der Inspektionsstufe 2 zusätzlich Fahrmotoren, die Lager und Wellen der Radsätze sowie die Kupplungen geprüft. Den Zeitaufwand für diese Stufe gibt die Deutsche Bahn mit zweimal acht Stunden an.

5. Inspektionsstufe 3

Etwa jedes Jahr (nach 480.000 Kilometer) steht die dreimal acht Stunden umfassende Inspektionsstufe 3 an. Sie umfasst zusätzlich Prüfungen an den Luftpressern und der Trafo-Kühlung sowie Arbeiten im Fahrgastraum.

6. 1. Revision

Im Rahmen der 1. Revision werden nach 1,2 Millionen Kilometern alle weiteren Komponenten des Zuges untersucht. Dafür sind zweimal fünf Tage angesetzt.

7. 2. Revision

Im Rahmen der 2. Revision werden nach 2,4 Millionen Kilometern die Drehgestelle getauscht und viele weitere Komponenten zerlegt. Der Zeitaufwand liegt ebenfalls bei zweimal fünf Tagen.

Spezialisierte Werke

In Hamburg, München, Berlin, Frankfurt, Basel, Köln und Dortmund unterhält die Bahn sechs hochmoderne Anlagen für Wartung und Instandhaltung ausschließlich für die verschiedenen ICE-Fahrzeuge. Die Standorte haben sich dabei auf die verschiedenen Baureihen spezialisiert: In Hamburg-Eidelstedt ist der ICE 1 zu Hause. Berlin-Rummelsburg ist auf den ICE 2 spezialisiert, München auf Einsystemzüge ICE 3 und siebenteilige ICE-T. Das Werk Frankfurt-Griesheim betreut die Mehrsystemzüge ICE 3M sowie die fünfteiligen ICE-T. Dortmund kann kleinere Arbeiten am ICE 3 vornehmen.

"Große Revision" in Nürnberg und Krefeld

Verschiedene Inspektionsstufen sind in abgestuften Intervallen vorgeschrieben. Die große Revision nach jeweils 1,2 Millionen Kilometern findet in den DB-Werken Nürnberg und Krefeld statt, d. h. etwa alle vier bis acht Jahre wird das Fahrzeug von Grund auf überholt. Dabei werden alle Einzelkomponenten überprüft, aufgearbeitet oder ausgetauscht.

Umfassende Modernisierung des ICE-1

In den Jahren 2006 bis 2008 sind die ICE-1-Züge vollständig modernisiert worden. Die Bahn hat in hier 180 Millionen Euro investiert: Insgesamt wurden 118 Triebköpfe und 708 Mittelwagen zunächst vollständig entkernt. Alle Bauteile von den Sitzen, über Wandverkleidung, WC-Anlagen bis hin zur Ausstattung der Bordrestaurants sind ausgebaut worden. Sie wurden geprüft, gereinigt und aufgearbeitet oder durch neue Komponenten ersetzt. Pro Wagen bedeutete das: bis zu 12.000 Einzelteile präzise registrieren, zwischenlagern und wieder einbauen. Unter anderem wurden mehr als 42.000 Sitze, 40.000 Quadratmeter Bodenbelag, mehr als 5.000 Tische, 11.000 Sonnenrollos, 42.000 elektronische Reservierungsdisplays, 700 Wechselrichter und 1.300 moderne Zuglaufanzeigen eingebaut.


Wenn ihr euch für die Geschichte der Eisenbahn, für die Technik und die Entwicklung der Bahn interessiert, dann könnt ihr viel Wissenswertes im WAS IST WAS 54 "Die Eisenbahn" nachlesen - das wurde übrigens von den Experten des Nürnberger DB Museums verfasst!

Text: RR, Fotos Deutsche Bahn AG: Wolfgang Klee und Ralf Louis  (Dortmund), Michalke (Berlin)

Aufgepasst: die im Text blau markiereten vier Buchstaben gehören zu unserem Lösungwort!


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