Der "Adler" ist wieder unterwegs

Der restaurierte Nachbau der ersten deutschen Eisenbahn, die 1835 von Nürnberg nach Fürth fuhr, dampft wieder über die Schienen. Die Publikumsfahrten in Nürnberg sind bereits ausverkauft. Möglichkeiten zur Mitfahrt ergeben sich in diesem Jahr vielleicht noch in Koblenz oder Halle.

Es war ein großes Ereignis nicht nur für das DB Museum, sondern für die ganze Region, als die wieder in Stand gesetzte Lokomotive Adler mit zwei Wagen am 23. November letzten Jahres nach Nürnberg zurückkehrte. In nur zwei Jahren waren die schweren Brandschäden, die das legendäre Fahrzeug bei dem Depotbrand im Jahr 2005 erlitten hatte, beseitigt worden.

Großer Bahnhof für den Adler

Am Samstag, 26. April 2008 war es endlich so weit: Der "Adler" durfte ganz offiziell wieder Fahrt aufnehmen. Zur Eröffnungsfahrt lud der Vorstand der DB AG viel Prominenz aus Kultur, Wirtschaft und Politik ein. Auf Gleis 1 des Nürnberger Hauptbahnhofes wurde sogar ein roter Teppich ausgerollt. Der bayerische Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein ließ es sich nicht nehmen, als Lokführer ganz vorne auf der Adler-Lok mit zu fahren. 72 weitere Gäste fanden in den drei Wagen Dritter Klasse mit Holzbänken und offenen Seitenwänden Platz. Dabei ließ sich hautnah erleben, wie eng die Menschen damals in dem kleinen Zug zusammenrücken mussten. Traditionell führte die erste Reise nach Fürth.

Die erste deutsche Eisenbahn

Der Adler war die Lokomotive zur ersten deutschen Eisenbahn. Er wurde von den britischen Eisenbahnpionieren George und Robert Stephenson konstruiert und 1835 in hundert Einzelteilen nach Nürnberg geliefert. Ab dem 7. Dezember 1835 fuhr der Adler auf der Ludwigsbahn zwischen Nürnberg und Fürth auf einer Länge von 7,45 Kilometern.

Lokomotivführer der ersten Eisenbahnfahrt in Deutschland war der Engländer William Wilson. Ursprünglich sollte er nur für einige Monate in Nürnberg bleiben, um einen Nachfolger anzulernen. Er blieb jedoch bis an sein Lebensende in Nürnberg, wo er auch begraben wurde. Der Adler fuhr mit einer Reisegeschwindigkeit von 35 km/h. In der Spitze hätte er 65 km/h Höchstgeschwindigkeit erreichen können.


Ab 8. Dezember 1835 fuhr ein pferdebespannter Zug stündlich von Nürnberg nach Fürth und zurück. Nur zweimal am Tag - um 13 Uhr und 14 Uhr - zog der Adler diesen Zug. Die hohen Preise für die aus Sachsen einzuführende Steinkohle, anfangs noch per Fuhrwerk, verhinderten in den ersten Jahren einen häufigeren Einsatz der Lokomotive.

Die originale Adler-Lokomotive ist trotz ihrer historischen Bedeutung verloren gegangen. Nach 22 Jahren Dienstzeit wurde sie 1857 als technisch veraltet ausgemustert und ohne Räder zum Schrottpreis verkauft.

Nachbau zum Eisenbahnjubiläum

Zum 100-jährigen Jubiläum der Eisenbahn in Deutschland 1935 gab die Deutsche Reichsbahn im Ausbesserungswerk Kaiserslautern einen weitgehend originalgetreuen Nachbau in Auftrag.



Die nach alten Unterlagen angefertigte Lokomotive erreichte eine Durchschnitts-Geschwindigkeit von 33,7 km/h. Den Zweiten Weltkrieg überstand sie unbeschädigt. In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts ließ die Bahn in Kaiserslautern einen zweiten, nicht fahrfähigen Nachbau erstellen, der als Standmodell im DB-Museum Nürnberg besichtigt werden kann.


Zum 150-jährigen Bahn-Jubiläum 1985 wurde der fahrfähige Adler im Ausbesserungswerk in Offenburg rekonstruiert und nahm bis 2005 an zahlreichen Veranstaltungen im Bundesgebiet teil.

Im Lokschuppen verbrannt

Am 17. Oktober 2005 zerstörte ein Großfeuer im Depot des Nürnberger Verkehrsmuseums 24 historische Lokomotiven, darunter auch den Adler-Nachbau von 1935. Der Vorstand der DB beschloss, ihn wieder instand setzen zu lassen. Dieser Beschluss stieß in der Bevölkerung auf große Zustimmung und es könnten 200.000 Euro an Spendengeldern für den Wiederaufbau eingesammelt werden. Die Restaurierung im Dampflokwerk in Meiningen kostete insgesamt rund eine Million Euro.

Zusätzlich zu der Lokomotive haben die Meininger Spezialisten noch zwei Wagen nach historischem Vorbild gebaut. Zusammen mit einem dritten Wagen, den das Feuer verschont hatte er stand in der Brandnacht nicht im Depot in Gostenhof, sondern im Museum selbst verfügt das DB Museum damit über einen Zug mit insgesamt 72 Plätzen, der auf Tour gehen kann. Nach den Erfahrungen früherer Adlerfahrten werden nun Wagen Dritter Klasse mit Holzbänken und offenen Seitenwänden eingesetzt.

Die insgesamt 17 Adler-Publikumsfahrten an den folgenden Wochenenden sind ausverkauft. Weitere werden sicher bald folgen.

Begegnung der Generationen

Auf der Eröffnungsfahrt am 26. April begegnete der Adler zahlreichen ICE- Hochgeschwindigkeitszügen. Offensichtlicher konnte der Kontrast zwischen den Epochen nicht sein. Übrigens kann der ICE am 1. Mai 2008 selbst ein "kleines Eisenbahnjubiläum" begehen. Vor 20 Jahren, am 1. Mai 1988 fuhr der ICE einen Weltrekord für Rad- Schienenfahrzeuge ein.

Auf einem speziell für die Rekordfahrt ausgelegten Streckenabschnitt der Schnellfahrstrecke HannoverWürzburg erreichte der Zug eine Höchstgeschwindigkeit von 406,9 km/h und überbot damit den Weltrekord den der französische TGV im Jahr 1981 mit 381 km/h aufgestellt hatte.

Der Geschwindigkeitsrekord des ICE wurde im Dezember 1989 mit 482,4 km/h wiederum durch einen TGV überboten.



Wenn ihr euch für die Geschichte der Eisenbahn, für die Technik und die Entwicklung der Bahn interessiert, dann könnt ihr viel Wissenswertes im WAS IST WAS 54 "Die Eisenbahn" nachlesen - das wurde übrigens von den Experten des Nürnberger DB Museums verfasst!


Text und Fotos: Roland Rosenbauer, 28.4.2008

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