Flugzeugkonstrukteur Henrich Focke

Am 8. Oktober 1890 wurde Henrich Focke geboren. Er gilt als Erfinder des senkrecht startenden Hubschraubers. Focke konstruierte etwa 50 Flugzeug- und Hubschraubertypen.

Henrich Focke war der Sohn des Senatssyndikus Johann Focke (18481922) und seiner Frau Louise geb. Stamer. Sein Großvater war der Richter Dr. Wilhelm Focke (18051865).


Johann Focke ist der Gründer des Focke-Museums in Bremen.  

Rätselhafte Mathematik

In der Volksschule und später auch auf dem Humanistischen Gymnasium stand Henrich mit der Mathematik auf Kriegsfuß, weil er keine praktische Anwendungsmöglichkeit für die Formeln und Zahlen sah. Dabei liebte er es aber, zu Forschen und neue Möglichkeiten zu entdecken, Erst nachdem er 1908 auf der Technischen Hochschule in Hannover ein Maschinenbaustudium begonnen hatte, erkannte er die Möglichkeiten und holte das Versäumte eifrig nach.

Wegen des Ersten Weltkrieges bekam er erst 1920 sein Diplom.

Faszination Fliegen

Schon in seiner Jugend, kurz nachdem der Flug der Gebrüder Wright bekannt geworden war, zeigte sich Henrich von der technischen Machbarkeit der Fliegerei fasziniert.

Gemeinsam mit seinem Bruder Wilhelm unternahm er erste Flugversuche mit eigenen Flugmaschinen. Vor allem die Entenbauweise des Wright-Flyers faszinierte ihn. Bereits während seines Maschinenbaustudiums baute er mit Hans Kolthoff, Georg Wulf und anderen Flugbegeisterten mehrere Flugzeuge. So konstruierte er bereits 1908 ein eigenes Entenflugzeug, das damals jedoch nicht flugfähig war.

Der Erste Weltkrieg

Im Herbst 1914 wurde Henrich Focke zum Dienst im Infanterie-Regiment 75 verpflichtet. Ein halbes Jahr später kam er zur Fliegertruppe und diente in der Fliegereinheit in Berlin-Adlershof. Nach einem Absturz mit seinem Flugzeug wurde er bei der Flugmeisterei in Berlin als Ingenieur eingesetzt.

Die eigene Firma

1921 fertigte Focke mit Georg Wulf die A7 als sein erstes offiziell zugelassenes Flugzeug.

1924 gründete er in Bremen zusammen mit Wulf und Werner Naumann die Firma Focke-Wulf Flugzeugbau AG, und im selben Jahr kam mit der A16 ein viersitziges Verkehrsflugzeug heraus, das von einigen Fluggesellschaften mit großem Erfolg eingesetzt wurde.

Die Ente fliegt

In dem Unternehmen baute Focke neben Verkehrs- und Schulflugzeugtypen das Entenflugzeug F-19. Sein Bruder Wilhelm und er griffen dafür auf ein Patent des Vorläufermodells aus dem Jahr 1908 zurück.

Bei einem Entenflugzeug (heute als "Canard" bezeichnet) ist das Höhenleitwerk nicht konventionell am hinteren Ende des Flugzeugs montiert, sondern vor der Tragfläche an der Flugzeugnase. Von dem Versuchsflugzeug F-19 wurden nur zwei Exemplare gebaut. Mit einem der Prototypen stürzte Georg Wulf im Jahr 1927 ab und starb.

Probleme mit den Nationalsozialisten

1930 fusionierte die Firma Focke-Wulf mit den Albatros Flugwerken. Größere Stückzahlen erreichten in den dreißiger Jahren die Schulflugzeuge Fw 44 "Stieglitz", Fw 56 "Stößer" und Fw 58 "Weihe".

1933 kamen die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht. Focke wurde zum Austritt aus der Unternehmensleitung gezwungen, blieb aber an der Konstruktion der Flugzeuge weiter beteiligt.

Die ersten Drehflügler

1931 hatte Henrich Focke mit den Drehflüglern ein neues Betätigungsfeld entdeckt. Seine Firma erwarb Lizenzen für die Tragschrauber der Cierva Autogiro GmbH. Bis 1938 baute Focke-Wulf  insgesamt 43 Tragschrauber des Typs C30. Bekannt wurde diese Maschine unter dem Namen Heuschrecke.

Ein Tragschrauber  muss, ähnlich dem Flächenflugzeug, erst Fahrt aufnehmen, um Auftrieb zu erzeugen. Dabei wird der Rotor vom Fahrtwind durch Autorotation in Bewegung gesetzt. Das System überzeugte Focke nicht. Ihm schwebte eine senkrecht startende Maschine vor.

Die ersten Hubschrauber

Der weltweit erste Hubschrauber aus der Fertigung Fockes war der Fa-61. Dieses Fluggerät konnte im Gegensatz zum Tragschrauber senkrecht starten und landen. 1936 startete die neuartige Maschine in Bremen zu ihrem Erstflug.

Die Leitung der Focke-Wulf AG sah die Entwicklungsmöglichkeiten des Konzeptes jedoch nicht, was dazu führte, dass Focke sich schließlich ganz aus der Firma zurückzog.

1937 gründete er zusammen mit dem Kunstflugweltmeister Gerd Achgelis die Firma Focke-Achgelis in Hoykenkamp (Ganderkesee) und führte seine Hubschrauber-Pläne weiter.


Hubschrauber im 2. Weltkrieg


Schon vor Kriegsbeginn arbeitete Focke an der Entwicklung und dem Bau des Transporthubschraubers Fa 223 Drache.

1940 war der Typ serienreif. Der Hubschrauber mit 1000 PS und einer Nutzlast von 700 kg bewies, dass dass die Hubschraubertechnik dem Experimentierstadium bereits entwachsen war. Die FA 223 wurde einer erfolgreichen Hochgebirgserprobung in den Alpen unterzogen, aber bis zum Ende des Krieges entstanden insgesamt nur 40 Exemplare.

Bei der Flugerprobung wurden einige Weltrekorde aufgestellt, die allerdings wegen des Kriegszustands nicht international anerkannt wurden. So wurde z.B. eine Geschwindigkeit von 182 km/h erzielt und eine Steiggeschwindigkeit von 8,80 m/s bei einem Gesamtgewicht von 3.705 kg.

Focke plante auch eine auch eine zivile Ausführung mit der Bezeichnung Fa 266. 1944 wurde die Firma schließlich mit der Weser-Flugzeugbau GmbH vereinigt.

Ein gefragter Berater

Nach Kriegsende kam Focke von 1945 bis 1948 als Kriegsgefangener nach Frankreich. Er wurde als beratender Ingenieur zwangsverpflichtet und baute bei Aerosudest in Paris den Fa-223 nach und konstruierte die S.E. 3101 als Vorläuferin der "Alouette".

1948 eröffnete Focke ein Ingenieursbüro in Bremen. Er war dann ab 1950 als Konstrukteur bei den Norddeutschen Fahrzeugwerken in Wilhelmshaven tätig und beriet bis 1958 auch das britische Luftfahrtministerium in London im Bau von Hubschraubern.

Da die Alliierten nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland Flugzeugbau nicht gestatteten, arbeitete Focke im Ausland. So entwickelte Focke 1952 in Brasilien den Hubschrauber Beija-Flor, der erstmals 1958 flog.

Bei den deutschen Borgward Automobilwerken baute er den Hubschrauber unter dem Namen Kolibri, das ist das deutsche Wort für Beija-Flor. Wegen des Konkurses der Firma Borgward im Jahre 1961 musste die Entwicklung abgebrochen werden.

Noch im Rentenalter war Henrich Focke ein gefragter Berater und eifriger Forscher. In seinem Haus in Bremen baute er sich 1960 im Alter von 70 Jahren einen Windkanal. Bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1979 betrieb Focke hier aerodynamische Studien.

Heute bildet dieser Windkanal das Kernstück eines kleinen Museums. Mehr dazu erfährst du hier.



 

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Text: RR, 8. 10. 2010, Fotos, Dr.-Ing. Kai Steffen, (Professor Henrich Focke), Tessloff-Verlag (Wright-Flyer), Bundesarchiv (Focke-Wulf C 19 'Heuschrecke), ADL (FW 61 V2, PD), Juergen Klueser (Modell FA 223, cc by sa 3.0),

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt