Das Lichttonverfahren verändert das Kino

Am 17. September 1922 wurde in Berlin im Alhambra-Kino auf dem Kurfürstendamm vor 1000 Zuschauern der erste störungsfreie Tonfilm der Öffentlichkeit präsentiert. Erstmals wurde hier das Lichttonverfahren angewandt. Der Ton wird dabei auf einem schmalen, Tonspur genannten, Streifen zwischen dem Bild und den Perforationslöchern der Filmrolle gespeichert.

Der Kinofilm war nie wirklich stumm. Auch in der großen Zeit des Stummfilms wurde in den Kinos für musikalische Begleitung gesorgt. In kleinen Kinos gab es dafür einen Klavierspieler, der damals nicht wegzudenken war Bei Filmpremieren oder in großen Theatern wurden um das Jahr 1920 Filme auch von ganzen Orchestern mit bis zu 50 oder 60 Mitgliedern begleitet.



Der lange Weg zum Tonfilm



Bereits 1877 gab es erste Versuche der Synchronisation von Phasenbildern mit dem Grammophon. 1894 kombinierte dann William Kennedy Laurie Dickson den Kinematographen mit dem Phonographen und konstruierte auch verschiedene andere Kombinationen wie Kameraphon und Kinemaphon. Das exakt passende Abspielen von Schallplatten zum Film funktionierte aber nicht wie gewollt, weil die Synchronität meist nicht gewährleistet werden konnte.



Der Erfinder des Tonfilms



Erfinder des Lichttonverfahrens war der polnische Ingenieur Józef Tykociski-Tykociner (18771969).

Am 9. Juni 1922 führte er bei einer Konferenz im damaligen elektrotechnischen Institut in Urbana (Illinois) den ersten Tonfilm auf. Zu sehen und zu hören war seine Frau Helena. Bei der Patentierung seines Verfahrens hatte er zunächst Pech. Obwohl Tykociner bereits einige Zeit vor seiner Aufführung ein Patent vorbereitet hatte, konnte es wegen Differenzen mit dem damaligen Präsidenten der University of Illinois, David Kinley, erst 1926 angemeldet werden. Das war zu spät, denn drei Jahre vorher hatte der der New Yorker Lee de Forest ein Patent angemeldet und produzierte zu dieser Zeit bereits die ersten kommerziell vertriebenen Tonfilme De Forest Phonofilms, bei denen der Ton fotografisch aufgenommen und auf den Rand des Films aufgedruckt wurde. 1927 verkaufte Frost das System an Fox Pictures, die es unter dem namen Movietone nutzten



Die erste öffentliche Vorführung



Der deutsche Ingenieur Hans Vogt (18901979) und seine Kollegen Joseph Massolle (18891957) und Jo Engl (18931942) gründeten die Gesellschaft Tri-Ergon (griech.-lat.: Werk der drei) , in der sie die Tonfilm-Idee verwirklichten.

Am 17. September 1922 war es endlich so weit: Vogts Idee einer integrierten Lichttonspur hatte maßgeblichen Anteil an der Präsentation des ersten Tonfilms, bei dem die Synchronlaufschwierigkeiten bisheriger Tonfilmsysteme überwunden waren. 1000 Zuschauer erlebten im Berliner Alhambra-Kino auf dem Kurfürstendamm ein völlig neues Kinogefühl. Am faszinierendsten war war der erste dramatische Dialogfilm Der Brandstifter. Ausserdem wurden noch einige Orchesterfilme mit Vokal-Begleitung gezeigt.



Die Technik



Beim Tonfilm wurde die Tonspur direkt auf dem Film neben den Bildern aufgebracht. Beim Abspielen wurde sie hinterleuchtet und auf eine elektrische Fotozelle übertragen. Die unterschiedliche Helligkeit verursachte verschiedenartige elektrische Spannungen, die über Verstärker und Lautsprecher in hörbare Töne umgewandelt wurden. Die Kopplung von Ton und Bild gewährleistete die Einhaltung der Synchronisation.



Weil der Film für die Darstellung der Bilder bei den meisten Projektoren ruckartig bewegt wird, während die Tonspur sich gleichmäßig bewegen muss, musste ein entsprechender Ausgleich erzeugt werden. Dazu führten die Techniker den Film schleifenförmig über Umlenkrollen über eine Schwungrolle, die die Schaltstöße abfederte. Störungen der Umlaufgeschwindigkeit ließen sich so weitgehend vermeiden. Der Abstand zwischen Bildprojektion und der entsprechenden Stelle auf der Tonspur beträgt 21 Bilder.

Das Lichttonverfahren wird auch heute noch für die Tonwiedergabe verwendet.



Das digitale Zeitalter



Heute werden digitale Lichttonspuren verwendet, wie Dolby Digital oder SDDS, ein System der Firma Sony. Im Gegensatz zu analogen Lichttonverfahren wird hier der Ton nicht analog auf den Film kopiert, sondern digitale Informationen, die von einer Fotozelle erfasst und dann in einem Dekoder zu Tonsignalen verändert werden.

Diese Verfahren erlauben eine höhere Dynamik, mehr Kanäle (was eine bessere räumliche Abbildung des Tones erlaubt) und eine nochmals gesteigerte Rauschunterdrückung.



Text: RR, 17. 9. 2007, Bilder: GNU

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