Fakten zur japanischen Atomkatastrophe

Seit 11. März 2011 herrscht in Japan Ausnahmezustand. Nach einem der schwersten je gemessenen Erdbeben zerstörten Flutwellen große Teile im Nordosten des Landes um die Stadt Sendai. Tausende Menschen kamen ums Leben - noch immer besteht die Gefahr einer nuklearen Katastrophe im Kraftwerk Fukushima-Daiichi. Hier findet ihr Fakten zum Kraftwerk und zu den atomaren Gefahren.

Wie funktioniert ein Siedewasserreaktor?


Das Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi betreibt auf seinem Gelände sechs Reaktoren. Sie wurden in den 1970er Jahren nach dem Siedewasserreaktor-Prinzip gebaut. Sie beruhen auf Plänen für den Mark I genannten Reaktortyp von General Electric.

Die Lage in den Blöcken 1 bis 3 ist weiterhin äußerst kritisch und nicht unter Kontrolle. Arbeiter versuchen unter Einsatz ihres Lebens die Kühlung der Reaktoren udn Brennstäbe aufrecht zu erhalten.



Ein großer Druckbehälter enthält mehrere hundert mit radioaktivem Material gefüllten Brennstäbe. Ein Brennstab ist ein Metallrohr, dass aus einer Zircalloy genannten Legierung besteht. Diese ist besonders durchlässig für die bei der Kernspaltung entstehenden Neutronen.


In den Brennstäben ist zum Großteil Uran enthalten, aber in mindestens einem der Reaktoren ist auch das hochgiftige Plutonium enthalten. Die Atomkerne zerfallen, dabei wird Energie in Form von Wärme frei. Mit dieser wird Wasser zum Kochen gebracht und damit werden dann Generatoren betrieben, die den Strom produzieren.


Neben der freigesetzten Energie bleiben die beiden Kernbruchstücke des Urans und Bausteine des Atomkerns übrig - sogenannte Neutronen. Diese sind es, die dann auf weitere Urankerne treffen und diese zum Zerfall bringen - die nukleare Kettenreaktion nimmt ihren Lauf.


Was löste die Katastrophe aus?



In einem Siedewasserreaktor werden die Brennstäbe (2) von hochreinem Wasser umspült (im Schema rot/blau). Es hat drei Funktionen: Zum einen bremst es die entstehenden Neutronen. Denn nur langsame Neutronen können andere Urankerne spalten. In dieser Funktion wird Wasser als Moderator bezeichnet (lat. moderatus = mäßigen).


Zum anderen kühlt es die Brennstäbe und schützt sie vor Selbstentzündung. Und schließlich treibt der hocherhitzte Dampf die Turbinen (9) an. Der Dampf wird abgekühlt an Rohren (13), durch die kühles Wasser von außen gepumpt (16) wird. Dadurch kondensiert der Dampf und kann wieder zurück in den Reaktor gepumpt (15,7) werden.


In Fukushima ist nun nach dem Erdbeben und dem folgenden Tsunami die Pumpe (16) für das kühlende Wasser ausgefallen. Dieselbetriebene Notgeneratoren fielen nach kurzer Zeit ebenfalls aus. Dadurch verdampfte das Wasser im Reaktorkern und konnte die Brennstäbe schlechter kühlen.


Kam es zu einer Kernschmelze?


Sofort nach dem Erdbeben wurden die Atomkraftwerke automatisch heruntergefahren. Steuerstäbe (3,4,5), die die Neutronen einfangen, wurden zwischen die Brennstäben gefahren und sollten so die Kernreaktion stoppen.


Doch bei der Kernspaltung entstehen aus den gespalteten Urankernen neue Elemente, die selbst weiter zerfallen und Energie abgeben, unabhängig von den eingefahrenen Brennstäben. Um diese Wärme abzuführen, müssen die Brennelemente dauerhaft von Wasser umspült und gekühlt werden. Nachdem die Pumpen ausfielen, verdampfte alles Wasser im Reaktorkern und erhöhte den Druck darin stark.


Die Brennstäbe erhitzten sich weiter und weiter und bei mehr als 900 Grad wurde die Ummantelung zerstört. Die Erhitzung ging weiter und schließlich reagierte das Zirkonium aus der Ummantelung der Brennstäbe mit dem Dampf und hochexplosives Wasserstoffgas bildete sich. Die Bedienmannschaft ließ etwas von dem Druck ab. Der entweichende Wasserstoff explodierte und beschädigte das Reaktorgebäude schwer.


Unter Umständen sind tatsächlich Brennstäbe schwer beschädigt, so dass sich der enthaltene Brennstoff am Boden des Reaktors sammelt. Dort kann sich die Kernreaktion unkontrolliert fortsetzen und auf Grund der hohen Temperaturen womöglich durch die Ummantelung schmelzen.


Dann geraten hochgiftige und radioaktive Stoffe ins Grundwasser, vergiften es und reagieren gleichzeitig mit dem Wasser. Das führt zu weiteren Explosionen, bei denen giftiges Material in der Umwelt verteilt werden kann.


Um das zu verhindern, sind unermüdlich Menschen im lebensgefährlichen Einsatz, um die Reaktoren mit Wasser zu kühlen. Zum Teil wurde Meerwasser in die Anlage gepumpt, Hubschrauber warfen Wasser ab und Wasserwerfer kamen zum Einsatz. Bislang kann noch keine Entwarnung gegeben werden.


Gefahr aus dem Abklingbecken


Ein weiteres Problem sind die Abklingbecken. Verbrauchte Brennstäbe müssen weiterhin lange unter Wasser gelagert und gekühlt werden, weil sie immer noch eine große Restzerfallswärme abgeben. Die Lagerbecken scheinen bei einigen Reaktoren zerstört zu sein, so dass dort auch die Brennstäbe ungekühlt frei liegen, was im Prinzip ebenfalls zu einer unkontrollierten Kettenreaktion führen kann.


GAU oder Super-GAU?


In der Atomtechnik ist der GAU der "Größte Anzunehmende Unfall". Techniker rechnen also in ihren Planungen für einen Reaktor mit einem GAU und legen die Anlage daraufhin aus. Ein GAU wird also als noch beherrschbar aufgefasst.


Ein Super-GAU jedoch geht über die Planungen hinaus und entsprechend gilt ein Super-GAU auch nicht mehr als beherrschbar, da die Sicherheitsanlagen nicht dafür ausgelegt sind.



Gefahr in Deutschland?


Durch die Ereignisse in Japan besteht bei uns in Deutschland und Europa derzeit keinerlei Anlass zur Sorge!

Übrigens:

Schon früh war Ingenieuren klar, dass das Design des Atomreaktors große Schwächen hat, aus wirtschaftlichen Gründen wurde aber daran festgehalten. Außerdem sollte Block 1 Anfang 2011 stillgelegt werden. Doch die japanische Atomaufsicht genehmigte eine Laufzeitverlängerung um zehn Jahre ...


Text: -jj- 18.3.2011 auf Basis von Informationen von Nature, AP, Telegraph, Spiegel, Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH // Bilder: Luftaufnahme National Land Image Information, Ministry of Land, Infrastrucutre, Transport and Tourism; Karte Chumwa cc-by-sa 3.0; Siedewasserreaktorschema Marlus Gancher cc-by-sa 3.0; Luftbild DigitalGlobe-Imagery cc-by-sa 3.0;

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt