Das Atomkraftwerk Calder Hall

Am 17.10.1956 brach für Europa ein neues Energiezeitalter an. Fast fünf Jahre nach den USA begannen auch die Engländer, Atomstrom für die zivile Nutzung zu erzeugen. Der erste Reaktor blieb über 46 Jahre lang in Betrieb.

Am 20. Dezember 1951 lieferte zum ersten Mal ein Atomkraftwerk Strom. Es war der Versuchsreaktor EBR-1, der sich im US-Staat Idaho befand. 9 Jahre und zweieinhalb Monate später, am 7. März 1961, wurde in Deutschland der erste mit Kernenergie erzeugte Strom ins Netz eingespeist.

Der Beginn des europäischen Atomstroms

Am 17.10.1956 ging das erste europäische Atomkraftwerk für die kommerzielle Stromerzeugung im britischen Calder Hall ans Netz. Drei Jahre nach dem Beschluss zum Bau der Anlage und drei Wochen nach dem ersten Zugang zum öffentlichen Netz, wurde es von Königin Elisabeth II. persönlich eingeweiht. Der Standort des Kraftwerks liegt an der Irischen See im Nuklearkomplex Sellafield (früher Windscale).

Das Kernkraftwerk bestand aus vier Magnox Reaktoren die in vier 88 Meter hohen Kühltürmen durch Kohlendioxid (CO2)gekühlt wurden. Die Reaktoren hatten jeweils eine Nettoleistung von 49 Megawatt und eine Bruttoleistung von 60 Megawatt.

Anfangs wurde das Kernkraftwerk in Calder Hall nicht nur zur Stromerzeugung verwendet, sondern primär zur Produktion von Plutonium für britische Atomwaffen. 1964 wurde es dann hauptsächlich zur Stromerzeugung genutzt. Doch erst im April 1995 wurde die Plutoniumproduktion für Kernwaffen komplett eingestellt.

Am 31. März 2003 endete der Anlagenbetrieb des bis dahin dienstältesten Atomkraftwerks der Welt. Am 29 September 2007 wurde mit der Stillegung des Kraftwerks begonnen, indem die vier Kühltürme durch eine kontrollierte Sprengung beseitigt wurden.

Skandalumwitterter Nuklearkomplex

Während Calder Hall ohne Probleme Strom lieferte, kam es in der Nachbarschaft immer wieder zu skandalösen Zwischenfällen:

Im Nuklearkomplex Windscale brach 1957 ein Feuer aus, in dessen Verlauf eine erhebliche Menge an radioaktiven Stoffen freigesetzt wurde. Das war einer der schwerwiegendsten Atomunfälle vor der Katastrophe von Tschernobyl.

Später wurde der Komplex umbenannt und bekam den Namen "Sellafield". 2005 wurde ein Leck entdeckt, durch das hochradioaktives Material unbemerkt entweichen konnte. Obwohl die Flüssigkeit noch in der Anlage aufgefangen werden konnte, erfuhr die Öffentlichkeit erst Wochen später davon.

Außerdem werden die Wiederaufbereitungsanlagen in Sellafield wegen ihrer Einleitungen von radioaktiven Stoffen in die Irische See heftig kritisiert. Es wird sogar behauptet, dass die dortige Kontamination mit der in der gesperrten Zone um Tschernobyl vergleichbar ist.

Text: RR, Stand: 15. 10. 2011, Fotos: The British Nuclear Group Ltd. (Calder Hall), Simon Ledingham (Sellafield).

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