Durchbruch am Gotthard

Weltrekord: Am 15. Oktober 2010 gelang in der Oströhre der erste Hauptdurchschlag am Gotthard. Damit wird der längste Eisenbahntunnel der Welt Realität.

Als Entlastung der Gotthardbahn wird momentan am neuen Gotthard-Basistunnel gebaut, der im Jahr 2017 eröffnet werden soll. Dieser ist ein Bestandteil der Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (NEAT).

Die Reise- und Transportmöglichkeiten im Herzen Europas werden durch den Tunnel stark verbessert: So begünstigt er die Verlagerung der Gütertransporte Nord-Süd auf die Schiene und verkürzt die Reisezeit von Zürich nach Mailand von heute 3 Stunden und 40 Minuten auf künftig 2 Stunden und 50 Minuten.



Der Basistunnel wird dann eine Länge von 57 km haben und der längste Tunnel der Welt sein. Er verbindet das Nordportal in Erstfeld (Kanton Uri) und das Südportal in Bodio (Kanton Tessin). Mit einer Felsüberlagerung von bis zu 2500 Metern ist der Gotthard-Basistunnel auch der tiefste bisher gebaute Eisenbahntunnel der Welt.

Präziser Tunneldurchschlag

30 Kilometer vom Südportal und 27 Kilometer vom Nordportal entfernt fand am 15. Oktober 2010 der erste Hauptdurchschlag statt: Die Tunnelbohrmaschine durchbrach von Faido her kommend gegen 14.30 Uhr die letzten Meter Fels auf dem Weg nach Sedrun.


Dabei wurde mit höchster Präzision gearbeitet: Die Abweichung ist mit 8 Zentimetern horizontal und 1 Zentimeter vertikal sehr gering.

Der zweite Hauptdurchschlag in der Weströhre erfolgt voraussichtlich im April 2011.

Unüberwindliche Berge

Die Durchquerung der Alpen war früher ein mühseliges Unterfangen. Viele Sagen und Legenden ranken sich um die Berge und Schluchten.

Einer solchen Geschichte nach soll die Teufelsbrücke über die Schöllenen am Gotthard durch einen Pakt mit dem Teufel entstanden sein.

Das Bild der Gegend, dass du hier siehst, ist aber nicht realistisch, denn in der Zeit vor 1800, als die Alpenwelt noch nicht erobert war, wurden Berge und Schluchten in der Regel überhöht, abweisend und fast unüberwindbar dargestellt.

Die erste Holzbrücke ist wahrscheinlich im 13 Jahrhundert entstanden und wurde im 16. Jahrhundert durch einen massiven Steinbau ersetzt.

Gefährliche Wege am Saum der Berge

Die Brücke verkürzte die Marschzeit damals um volle drei Stunden. Über 600 Jahre lang gehörten die Bergstraßen den so genannten "Säumern". Der Name kommt daher, weil sie sich an den Saumpfaden durch die Alpen bewegten. Schon im 11.Jahrhundert existierte ein Transitweg. Die Säumer transportierten Ware von Süden, z.B. Reis, Wein, Tabak, Papier, Öle sowie im Winter Meerfische und von Norden Käse, Wolle, Seide, Häute und Felle.

Weil die Brücken immer wieder von Hochwässern zerstört wurden, wurde der Tessiner Festungsbaumeister Pietro Morettini mit dem Bau eines Tunnels beauftragt. Ein Jahr darauf konnte dieser von den Säumern passiert werden. Er galt als der erste Tunnel im Alpenraum und hatte eine Länge von 64 Metern.

Von der Kutsche zur Eisenbahn

Erst 1820 wurde damit begonnen, die Gotthardstraße befahrbar zu machen. Zehn Jahre später war das schwierige Unterfangen gelungen. Bald verkehrte drei mal wöchentlich eine Postkutsche zwischen Flüelen und Chiasso. Eine Reise von Basel nach Mailand dauerte 50 Stunden und kostete 68.60 Fr., was heute etwa 8.000.- Euro entspräche.

Doch die Zeit der Kutschen hatte bereits ihren Zenit überschritten. Mit der Eisenbahn war ein neues, modernes Verkehrsmittel geboren, das durch Zuverlässigkeit und Schnelligkeit glänzte.

Bald tauchte die Frage nach einer Alpenbahnlinie auf. Alle Pässe wurden auf Steigung, Streckenlänge und Fahrzeit geprüft, und der Gotthard kam als eindeutiger Sieger hervor. Allerdings konnten andere Bahnlinien schneller realisiert werden.

Die kühnste Alpenquerung

Nach der Semmering-Bahn (1854), der Brennerbahn (1867) und der Mont-Cenis-Strecke (1871) war die Gotthard-Bahn die vierte, aber zugleich auch die kühnste Alpenquerung.

Italien, Deutschland und die Schweiz unterzeichneten erst 1871 den Gotthardvertrag. Nach weniger als neun Jahren gelang der Durchbruch am 28.Februar 1880 mit einer seitlichen Abweichung von 33cm.

Am 1. Juni 1882 wurde die durchgehende Verbindung von Immensee bis Chiasso feierlich in Betrieb genommen. Zu diesem Zeitpunkt war der 15.003 m lange Gotthard-Scheiteltunnel der längste Eisenbahntunnel der Welt und wurde erst 1906 vom Simplon-Tunnel übertroffen.

Schon bald nach der Eröffnung der Strecke wurde sie durch Festungsanlagen militärisch gesichert, zu denen auch eine künstliche Lawine aus Steinen gehörte, die den Südausgang des Tunnels bei Airolo im Konfliktfall verschütten sollte

Die Autobahn

Nach 1950 verlagerte sich der Verkehr von der Schiene wieder auf die Straße. 1960 gab es in der Schweiz bereits eine halbe Million Autobesitzer. Gleichzeitig gewann Italien an touristischer Bedeutung, das Land war zum Lieblingsreiseziel der Deutschen geworden. So wurde der Bau der N2 von Basel nach Chiasso mit dem Autobahntunnel beschlossen. Nach elf Jahren Bauzeit konnte der Tunnel am 5. September 1980 eröffnet werden.

Die Katastrophe

Ein schwerer Verkehrsunfall führte am 24. Oktober 2001 zum Brand und zur vorübergehenden Schließung des Gotthardtunnels. Insgesamt waren in den Unfall 13 Lastwagen, 4 Lieferwagen und 6 PKW verwickelt. Ein genaues Protokoll der Katastrophe kannst du hier nachlesen

Weitere Informationen zum Gotthardtunnel findest du hier.

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Text: RR - 15. 11. 2010; Bilder: Gemälde von Johann Jakob Scheuzer von 1716., Cooper ch (Tunnelfoto, cc by sa), Schemazeichnung von Cooper, Karte der Gotthardbahn: Wikipedia GNU Public License

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt