Der Eurotunnel

1990 wurde ein langer Traum und eine technische Meisterleistung wahr: Der Kanaltunnel unter dem Ärmelkanal wurde durchgestochen. Er verbindet Folkstone in Kent (England) und Coquelles bei Calais in Nordfrankreich. Beim Aufeinandertreffen der beiden Tunnelröhren gab es nur eine winzige Abweichung von wenigen Zentimetern.

Am 1. Dezember 1990 begrüßt der fanzösische Tunnelarbeiter Philippe Cozette sein britisches Gegenüber Graham Fagg. Der britische und der französische Abschnitt werden zusammengeführt!

Die Idee

Schon unter Napoelon gab es Versuche, den Ärmelkanal mit einem Tunnel zu "überbrücken". Doch die schwierigen Beziehungen zwischen England und Frankreich und auch die großen technischen Herausforderungen ließen vorangegangene Projekte immer wieder scheitern.

Doch erst 1957 wurde eine beiderseitige Kanaltunnel-Arbeitsgemeinschaft gegründet. Ziel war ein Bahntunnel mit zwei Hauptröhren und einem kleineren Service-Tunnel. Das Projekt wurde 1973 gestartet, musste aber wegen finanzieller Probleme 1975 eingestellt werden. 1984 gingen die britische und die französische Regierung den Plan erneut an. Er sollte allerdings privat finanziert werden. 1987 wurde das Vorhaben offiziell unterzeichnet und der Bau begann. Sieben Jahre lang waren bis zu 15.000 Arbeiter mit der Ausführung beschäftigt.

Das Besondere

Gebaut wurde im Durchschnitt 40 Meter unter dem Meeresboden in einer nahezu wasserdichten Schicht aus Kalkstein und Ton. Man begann den Bau gleichzeitig auf der französischen und der britischen Seite, wobei der südliche Abschnitt tiefer ist als der im Norden. Die Gesamtlänge des Tunnels beträgt 50,45 Kilometer, wobei 37,5 Kilometer unter dem Wasser liegen - damit ist der Eurotunnel der längste Unterwassertunnel der Welt!

Einige Fakten

1.000 Menschen arbeiteten während der Bauzeit in 8-Stunden Schichten im Tunnel. Jeden Monat wuchs der Tunnel um einen Kilometer. Zur Sicherheit wurden alle drei Tunnel durch Quertunnel alle 375 Meter miteinander verbunden. Der Tunnel ist so gebaut, dass Passagiere im Notfall maximal 90 Minuten benötigen, um ins Freie zu gelangen.

Auf der gesamten Strecke gibt es zwei Kreuzungen. Hier können die Züge gefahrlos auf die andere Tunnelröhre wechseln. Sollte Wasser eindringen, wurden Pumpen installiert, die pro Sekunde 153 Liter abpumpen können. Aus Sicherheitsgründen dürfen bestimmte Güter nicht durch den Tunnel transportiert werden. So zum Beispiel Gas, Petroleum, nukleare Stoffe oder gefährliche Chemikalien.

Am 1. Dezember 1990 trafen zum ersten Mal die französischen und britischen Tunnelarbeiter aufeinander und zwar dort, wo sich heute eine der "Überkreuzungshallen" befindet, in denen die Züge von einer Hauptröhre in die andere umgeleitet werden können. Dank modernster Laservermessung beim Tunnelbau trafen sich die beiden Röhren mit einer Abweichung von weniger als zwei Zentimeter.

Die eingesetzten Bohrmaschinen

Für den Bau wurden riesige, speziell entwickelte Bohrmaschinen verwendet, die auch als bewegliche "Aushöhlungsfabriken" bezeichnet werden können. Elf, in den USA entwickelte, Tunnelbohrmaschinen TB4 "Virgine" wurden eingesetzt. Sie durchbohrten den Fels und transportierten mit Förderbändern das Gestein, den so genannten Abraum, ab. Pro Stunde waren das rund 2.400 Tonnen. Dann bauten sie die nötigen Fertigbetonteile ein und verlegten die Schienen. Jede dieser Bohrmaschinen kostete rund 20 Millionen Euro.

Der Eurostar verlässt den Tunnel auf französischer Seite

Extra Bahnhöfe und ein spezieller Zug: "Le Shuttle"

Es mussten natürlich auch spezielle Bahnhöfe für die Verladung der Laster, PKW und Passagiere auf die Züge in Coquelles bei Calais auf französischer und in Cheriton bei Folkstone auf englischer Seite gebaut werden.

Der Zug, der extra für den Eurotunnel konstruiert wurde, heißt "Le Shuttle". Seine Lokomotiven sind die stärksten (aber nicht die schnellsten) der Welt. Die Züge haben spezielle Waggons um die Personen und Lastwagen durch den Tunnel zu transportierten. Jeder Zug befördert bis zu 120 Personenwagen und zwölf Busse. In Spitzenzeiten fahren Züge im 3-Minuten Takt mit 160 Stundenkilometern durch den Tunnel.

1993 und 1994 wurde der Tunnel harten Tests unterzogen. Dann, am 1. Juni 1994 war es soweit: der erste Güterzug passierte den Eurotunnel und im Dezember des selben Jahres kam der Passagiervekehr ins Rollen.

Die Gesamtkosten betrugen fast 12,5 Milliarden Euro. Damit war das Projekt doppelt so teuer wie geplant und das teuerste privat finanzierte Projekt der Welt - das sich bisher leider für die Aktionäre nicht gerechnet hat und deshalb auch immer wieder heftig kritisiert wurde.

Unfälle im Tunnel

Dreimal kam es bisher zu Brandunfällen im Tunnel. Zweimal war ein LKW, der auf dem Zug transportiert wurde, in Brand geraten, ein anderes Mal war es der Zug selbst, der brannte. Es entstand jeweils erheblicher Sachschaden. Von September 2008 bis Februar 2009 musste eine der beiden Tunnel-Röhren gesperrt bleiben um die Schäden, die durch den letzten Unfall entstanden waren, zu reparieren.

Mehr über den Bau und die Sicherheit in Tunneln erfahrt ihr im WAS IST WAS Band 91 Brücken und Tunnel.

-ab/rr-26.11.10 Text / Fotos: www.eurotunnel.com

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