Kinder in den Hörsaal - die Kinderuni in Tübingen

Zum zweiten Mal veranstaltet die Universität Tübingen in diesem Sommersemester eine Vorlesungsreihe für Kinder. Jeden Dienstag stellen sich erfahrene und renommierte Professoren der Herausforderung 500 bis 1000 Kindern Fragen aus ihrem Fachgebiet zu erklären. Und die Begeisterung ist auf allen Seiten groß!

Kupferbau

Wenn Kinder die Uni stürmen

Wie bei den echten Studenten beginnt die Kinderuni in diesem Sommersemester jeden Dienstag um 17 Uhr immer c.t. - also um 17 Uhr cum tempore, mit der so genannten akademischen Viertelstunde, die dem angegebenen Termin angehängt wird. Aber wer pünktlich in den Vorlesungen im Kupferbau (s. Foto) erscheint, der findet kaum noch einen Platz. Denn schlagartig verwandelt sich der Vorlesungssaal in das Reich der Kinder. Bewaffnet mit Trinkflasche, Snacks und manchmal auch mit Block und Stift stürmen sie die Bänke. Erwachsene werden aufgescheucht, schließlich haben sie jetzt und hier nix zu suchen.

Tais und Erik mit dem Kinderuni- Pass

Sammelobjekt: Stempel für den Kinder-Uni-Pass

Je voller der Saal wird, desto aufgeregter die Stimmung. Denn bevor es los geht, muss man sich noch seinen Stempel abholen. Falls ihr es noch nicht wisst: Mangas sammeln ist in Tübingen out - Kinder- Uni-Stempel sammeln in. In dem Kinder-Uni-Pass sind die Fotos der Dozenten, ihre Termine und Platz für Stempel. Da wird sofort beim Nachbarn geschaut, ob der auch wirklich alle hat oder ob er noch ein Neuling auf der Unibank ist.

Bei einer der Vorlesungen kam dann auch noch die Idee auf, sich Autogramme der jeweiligen Dozenten zu holen. So sitzt Professor Bettina von Freytag vor ihrer Vorlesung an ihrem Pult, umlagert von Kindern, die alle auf der Jagd nach einer Unterschrift sind. Würden da Michael Ballack oder Britney Spears sitzen, wäre das Gedränge sicher nicht größer.

Platzsuche vor der Vorlesung

Worum geht´s in der Kinderuni?

Um Fragen, die nicht nur Kinder interessieren, die aber in der Schule zu kurz kommen. Für die Kinder sind vor allem die Themen wichtig und wie sie präsentiert werden, den Eltern auch die Namen der Dozenten. Deshalb war gleich bei der ersten Vorlesung von Nobelpreisträgerin Professor Christiane Nüsslein-Volhard der Saal zum Bersten voll. Also wurde über Videoleinwand auch in einen weitern Raum übertragen - fast wie bei einem Popkonzert.

"Warum darf man Menschen nicht klonen?" so lautete das Thema. Aber, so erzählten Tais (12 Jahre) und Erik ( fast 11 Jahre), hinterher "das war manchmal wirklich schwer, richtig zuzuhören. Sie hat immer so Zeugs an die Wand geworfen." Besser fanden die beiden da schon Professor Hans Peter Zenner von der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde. Er erklärte "Warum haben wir einen kleinen Mann im Ohr?" - mit extra aufgebautem Schlagzeug und tollen Beispielen begeisterte er die Kinder. "Da war einfach mehr Witz drin" stellte Erik dann auch fest.

Und dann warten die beiden gespannt auf die dritte Vorlesung. Dieses Mal ist Professorin Bettina von Freytag dran. Die Archäologin und Museumsleiterin auf Schloss Hohentübingen fragt: "Warum sind griechische Statuen nackt?"

Kinderuni- Besucherin Louisa

Zuhören und mitschreiben

Louisa (8 Jahre und 5 Monate alt), hat sich ebenfalls ihren Platz gesichert. Aus ihrem Beutel holt sie Stift und Block. "Ich mach mir Notizen", meint die Zweitklässlerin wie ein alter Unihase. Ja, auch ihr habe das mit dem kleinen Mann im Ohr gut gefallen, weil der Dozent "nett zu den Kindern war". Sie findet, dass man in der Schule andere Sachen lernt als hier und sie kommt extra jeden Dienstag mit ihrer Tante nach Tübingen gefahren. Auf die Frage, ob sie denn eines der Fächer von denen sie in der Uni hört auch mal studieren möchte, schüttelt sie den Kopf. "Nein, ich will was mit Tieren machen. Ich hab auch eine Katze und schau", dabei zeigt sie mir den Kinder-Uni-Pass, "die Professoren hier, die machen alle nix mit Tieren. Schade, eigentlich." Aber die Idee, sie könnte der Uni ja mal vorschlagen einen Tierarzt für die Vorlesungen zu gewinnen, die findet sie gut. Und so wird als erstes auf dem Block notiert: "Uni - Thema vorschlagen!"

Begeisterung auch bei den Professoren

Nicht nur die acht bis zwölfjährigen Kinder und deren Eltern sind mit Feuer und Flamme bei der Kinderuni dabei, auch für die Professoren sind diese Veranstaltungen eine besondere Herausfoderung. Mussten zu Beginn die Dozenten noch aufgefordert werden, sich doch zu präsentieren, so kommen die Anfragen nun schon direkt aus den Instituten.

Mittlerweile wurde auch das Interesse anderer Unis geweckt. So sind Hannover, Bremen und Oldenburg auch daran interessiert, spezielle Vorlesungsreihen für den interessierten Nachwuchs anzubieten. Und es gibt mittlerweile auch schon eine Außenstelle der Kinderuni im Ausland: In Rom hat schon der erste von neun Professoren aus Tübingen seinen Vortrag vor italienischen Kindern gehalten - auf Italienisch und mit großem Erfolg, das ist doch klar!

Professor Dr. Bettina von Freytag bei ihrem Vortrag im restlos gefüllten Unisaal

Dabei kommt der ein oder andere ganz schön ins Schwitzen, wenn er sich den 1000 Kindern gegenüber sieht. Das ist eine besondere Herausforderung und da wird das Thema auch extra neu aufbearbeitet. Wie erklärt man etwas ohne viele unverständliche Fremdworte, aber dennoch richtig? Gar nicht so einfach, wenn man in seiner täglichen akademischen Arbeit steckt. Die Möglichkeit, Kindern das eigene Fach näher zu bringen, zu zeigen wie spannend Wissenschaft sein kann, das reizt die Fachleute. Ob das Bettina von Freytag mit ihrem Vortrag gelungen ist? Lest den angehängten Artikel, dann wisst ihr´s!

Das weitere Vorlesungsverzeichnis der Kinderuni 2003 findet ihr auf der Homepage der

Universität Tübingen.

-ab-16.05.03 Text und Fotos.

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