RHYTHM IS IT! Wie der Tanz das Leben von Teenagern veränderte

Am 4. Mai nehmen die Berliner Philharmoniker als erstes Orchester den Europäischen Medienpreis 2007, die Karlsmedaille, entgegen. Gewürdigt wird damit ihr Bildungsprojekt Zukunft@BPhil, das durch den Film RHYTHM IS IT! in Deutschland über 600.000 Kinozuschauer begeisterte. Mehr über Film und Projekt erfahrt ihr hier...

Klassische Musik hat für viele Jugendliche meist den gleichen Stellenwert wie das Wort zum Sonntag. Doch klassische Musik kann etwas ganz anderes sein! Das haben die Berliner Philharmoniker unter anderem mit ihrem Bildungsprojekt Zukunft@BPhil mehrfach bewiesen.



Simon Rattle - der Dirigent der Berliner Philharmoniker bei der täglichen Arbeit.






Zukunft@BPhil - eine Adresse für Musik-Projekte mit Kindern


Das Projekt Zukunft@BPhil soll die Arbeit der Berliner Philharmoniker einer breiten Öffentlichkeit und vor allem Kindern zugänglich machen. Es umfasst eine Vielzahl kleinerer Projekte wie etwa Kompositionswettbewerbe für Kinder und Aufführungen, in denen die Grenzen zwischen Musik, Kunst, Tanz und Theater verschwimmen. Das Projekt, das wohl das größte Aufsehen erregte, hieß RHYTHM IS IT! Im Rahmen dieses Bildungsprojektes führten die Berliner Philharmoniker mit 250 tanzenden Teenagern ein Stück auf, das jeden aus dem Sitz reißt: Igor Strawinskys Le Sacre du Printemps (Das Frühlingsopfer).



Tanz der Teenager - die Tanzlehrer im Vordergrund sitzen und staunen.

Das Strawinsky-Projekt so gewagt wie erfolgreich

Die Idee des Projekts klang unglaublich: 250 Hauptschüler sollten ein Ballett aufführen, das von den Berliner Philharmonikern gespielt wurde. Unterstützt und angeleitet wurden die Schüler von Royston Maldoom, einem erfahrenen Tanzlehrer. Die Aufführung wurde ein voller Erfolg - und der Film, den man darüber drehte, ebenso.

Marie, Martin und Olayinka


Marie über die 'Anderen' in der Tanzwerkstatt: "Die Gruppe ist komisch - die sind alle so lernsüchtig!"


Der Film zeigt die Schüler Marie, Martin und Olayinka und ihren Weg bis zur Premiere des Stücks. Marie ist 14 Jahre alt, sie hat mehr Schulstunden geschwänzt als besucht. Aber während der Tanzstunden packt sie die Ehrgeiz: Sie setzt sich gegenüber älteren Schülern durch. Der Außenseiter Martin, 19 Jahre alt, muss zunächst seine Schüchternheit überwinden, doch beeindruckt vom Tanzlehrer Maldoom bleibt er der Tanzgruppe auch nach der Aufführung treu.


Martin über seine Kindheit: "Ich habe einfach nie gelacht. Das schreckt Menschen ab."


Der 16-jähirge Olayinka ist erst seit 9 Monaten in Deutschland. Er kommt aus Nigeria, dort hat er im Bürgerkrieg seine Eltern verloren. Im Laufe des Projekts lernt er Deutsch und trifft seinen ersten Freund.


Olayinka über seine Erfahrungen mit Deutschland: "Unsere Kultur ist alt. Diese Kultur ist einfach, sie kann nicht schwer zu lernen sein."



Royston Maldoom

Frage: Wer bringt 250 Hauptschüler dazu, modernes Ballett zu tanzen? Antwort: Royston Maldoom. Durch die Art und Weise, wie er die Jugendlichen antreibt, sollte er Vorbild jedes Lehrers sein. Maldoom setzt auf Disziplin, aber nicht um ihrer selbst willen. Disziplin soll dazu dienen, sich selbst wahrzunehmen, in sich hinein zu horchen, Ängste zu überwinden und ein neues Selbstvertrauen aufzubauen. Die drei Beispiele zeigen, dass es ihm gelungen ist.


Royston Maldoom und eine Schülerin  

Das Frühlingsopfer

Warum entschied sich Simon Rattle, der Dirigent der Philharmoniker, für das Frühlingsopfer? In einem Interview begründet er diese Wahl so: Für mich ist dieses energiegeladene Werk eines der kraftvollsten Stücke, das je geschrieben wurde. Diese Musik erfasst unmittelbar den gesamten Körper und fühlt sich an, als würde sie direkt aus den Tiefen der Erde auftauchen.


Igor Strawinsky (1882-1972) komponierte eine Menge aufregender, rhythmischer Stücke.


Strawinskys Frühlingsopfer ist 1913 entstanden. Heute zählt es wegen seiner rhythmischen Wucht zu den wichtigsten Werken der modernen klassischen Musik. Aber die Uraufführung in Paris war ein Skandal: Derartige Musik hatte man noch nie gehört und empört reagierten die Zuschauer auf den Tanz, der allen Regeln des traditionellen Tanzes widersprach.


Die Einheit von Tanz und Musik


Kaum etwas fördert das Verständnis für Musik mehr als das Tanzen. Das Zitat eines Schülers belegt das nur einmal mehr: Durch das Tanzprojekt hat man so oft dieses Stück gehört und bei jedem Mal hören gefiel es einem besser. Bei der Philharmonie war es dann noch ein größerer Schub. Es gefiel mir noch viel mehr, als es die Philharmoniker gespielt haben. Durch das Tanzen der Choreographie versteht man besser, was der Komponist damit ausdrücken will.


Die Generalprobe - Tanzen total.


Das Ergebnis dieses Projekts ist beeindruckend, die Begeisterung der Teilnehmer überwältigend: Diesen Moment, vor 2000 Leuten zu tanzen, den will man wohl sein ganzes Leben behalten. Niemand hätte also den diesjährigen Karlspreis mehr verdient als die Berliner Philharmoniker. Kurzum: Gratulation, Herr Rattle!

Im Internet findet ihr noch mehr Infos zu den Berliner Philharmonikern und dem Projekt "RHYTHM IS IT!".





Text: Ronny Waburek// Fotos: Vorschau, Simon Rattle, Probe-schwarzweiß, Marie, Martin, Olayinka, Royston Maldoom, Generalprobe: Presseabteilung von "RHYTHM IS IT!"; Igor Strawinsky: D.J. Culver, PD

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