Vielseitigkeit - Allrounder unter Pferden und Reitern

Die olympische Disziplin Vielseitigkeit ist der "Mehrkampf" unter den Pferdesport-Disziplinen. Sie setzt sich aus den drei Teilen Dressur, Geländeritt und Springen zusammen. Sie fordert von Ross und Reiter enorm viel und hat eine wechselvolle Geschichte ...

Auch die Garde vor dem Buckingham Palace in London zählt zur Kavallerie, weil es berittene Soldaten sind.

Ursprung beim Militär

1912 wurde die Vielseitigkeitsprüfung unter dem Namen "Military" in das olympische Programm aufgenommen. Wie der ursprüngliche Name sagt, kommt diese Sportart aus der militärischen Ausbildung der Kavalleristen, also der Reitertruppen. Erst bei den Olympischen Spielen 1920 durften auch Reiter teilnehmen, die keinem Militär angehörten. Ab 1964 waren zum ersten Mal auch Reiterinnen bei Vielseitigkeitswettbewerben am Start.

Je besser, desto schwieriger und länger

Bei der Vielseitigkeit gibt es Veranstaltungen mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden: Ein Stern * kennzeichnet die leichtesten Prüfungen, vier Sterne **** die schwersten Prüfungen. Je mehr Sterne, desto länger wird die Geländestrecke. Es erhöhen sich auch Anzahl der Hindernisse und ihre Höhe und Weite. So sind die Sprünge in der Klasse 1 maximal 2,80 Meter weit, in der Klasse 4 dagegen 4,0 Meter.

Vier Sterne hat natürlich auch das olympische Turnier, bei dem nur die besten Vielseitigkeitspaare der Welt reiten.

Ein Hannoveraner und echter Spezialist bei der Dressur.

Welche Pferde sind geeignet?

Die meisten hochklassigen Vielseitigkeitspferde sind entweder Warmblüter mit hohem Vollblutanteil oder reine Vollblüter. Es müssen Pferde sein, die sich bei der Dressur  hervorragend konzentrieren und elegant aussehen können, aber im Gelände schnell galoppieren, springen und sich orientieren können und beim Springen sowohl Konzentration als auch Sprungkraft besitzen. Es müssen wendige, mutige aber auch sehr aufmerksame Pferde sein. Also wirklich ganz besondere Pferde!

 


Ein Sprung beim Geländeritt von

Vielseitigkeitsreiter Phillip Dutton auf Loosencool.




Ein echt hartes Programm!

Schließlich muss am ersten Tag ein Dressurprogramm absolviert werden, das natürlich viel Konzentration erfordert. Am zweiten Tag steht ein anstrengender Geländeritt mit Hindernissen in einer vorgegebenen Zeit an, der auch Cross Country genannt wird. Und schließlich folgt das Springturnier. Dabei zählt die erste Runde für die Einzel- und Mannschaftswertung. Die besten 25 Teilnehmer des Springens müssen dann noch ein zweites Springen absolvieren, bei dem das beste Einzelpaar ausgeritten wird.

Zum Abschluss sind nochmals Sprungkraft und Konzentration beim Springreiten gefragt.

Gefahr für Ross und Reiter entschärft

Die Vielseitigkeitsprüfung kam in die Kritik, weil bei manchen Wettbewerben den Pferden und Reitern zu viel abverlangt wurde. So kam es vor allem in den 90-er Jahren zu einigen tödlichen Unfällen. Danach wurden die Strecken und Hindernisse entschärft und verkürzt.

Die sogenannten Langprüfungen, bei denen die Pferde viel längere Strecken zu absolvieren hatten, wurden inzwischen abgeschafft. Es wird nur noch die Kurzdistanz geritten, die aus einer Wegstrecke und einem anschließenden Querfeldeinritt mit festen Hindernissen besteht. In Hongkong, wo die olympischen Reitsportveranstaltungen 2008 stattfanden, war diese Geländestrecke knapp 4600 Meter lang und mit 39 Sprüngen ausgestattet.

Außerdem wurden strengere tierärztliche Untersuchungen eingeführt, die sicherstellen sollen, dass die Pferde nach der Dressur- und vor allem nach dem Geländeritt noch völlig gesund und nicht überfordert sind.

Bei der Verfassungsprüfung nach dem Geländeritt wird zum Beispiel genau untersucht, ob ein Pferd verletzt ist, ob es den Ruhepuls nach einer bestimmten Zeit wieder erreicht und wie es um seinen Wasserhaushalt bestellt ist. Ist Pferd oder Reiter angeschlagen, wird ein Paar aus der Wertung genommen.

Unterschied zu den Spezialisten in Dressur und Springreiten

Insgesamt sind die Ansprüche in den einzelnen Disziplinen nicht ganz so hoch, wie bei den Nur-Dressur- oder Springreitern. Die Hindernisse beim Springen sind nicht ganz so hoch, die Figuren bei der Dressur müssen nicht so ausgereift sein und sind nicht ganz so schwierig.

Und das Besondere am Geländeritt ist nicht die Höhe der Hindernisse, sondern vielmehr ihr optischer Eindruck auf die Pferde. Die immer unterschiedlichen Entfernungen der Hindernisse und die natürlichen Gegebenheiten wie Bodenwellen, Gräben, Flussläufe, Wald und Wiese dürfen die Pferde nicht erschrecken.

Den Reitern werden auf dem Gelände für eine schwierige Passage oft zwei Wege angeboten einen kürzeren, schwierigeren und einen längeren, einfacheren. Wählt der Reiter mit seinem Pferd den längeren, braucht er mehr Zeit, schont aber vielleicht sein Pferd. So können die Reiter die Fähigkeiten ihrer Pferde besser einsetzen.

Die Wertung

Jede Prüfung ergibt eine Wertung, die insgesamt zusammengerechnet wird. Die Gesamtwertung erfolgt nach Fehlerpunkten. Es gewinnt das Paar, das am Ende aller drei Prüfungen, die wenigsten Fehlerpunkte auf seinem Konto hat. Bei den Turnieren gibt es immer eine Einzel- und eine Mannschaftswertung. Bei der Mannschaftswertung werden die besten drei Reiter einer Nation mit ihren Ergebnissen addiert. Bei der Einzelwertung reitet jeder für sich allein.

Hinrich Romeike freut sich über zwei Goldmedaillen in Hongkong.



Gold in Hongkong für die deutsche Equipe

Bei den Olympischen Spielen 2008 holte sich die deutsche Mannschaft mit Hinrich Romeike auf Marius, Frank Ostholt auf Mr. Medicott, Peter Thomsen auf The Ghost of Hamish, der Deutschen Meisterin Ingrid Klimke auf Abraxxas sowie Andreas Dibowski auf Buts Leon Gold. Die Deutschen gewannen vor Australien und Großbritannien in einem engen und immer spannenden Turnier in Hongkong.

Außerdem gewann Hinrich Romeike auf Marius auch die Einzelgoldmedaille. Silber ging an Gina Miles aus den USA und Bronze an die Britin Kristina Cook. Alle deutschen Reiter und Pferde glänzten mit einer hervorragenden Form. Diese Goldmedaillen sind für die deutschen Reiter umso bedeutender, als dem deutschen Team nach langem Hin- und Her die Mannschafts-Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Athen wegen eines unglücklichen Missgeschicks aberkannt worden war.


-ab-14.08.2008 Update Jan Wrede 2012 Text / Fotos: Garde vor Buckingham Palace: Corel Stock Images; Hongkong: Digital Stock; Dressur-Spezialist: Hannoveraner  BS Thurner Hof GNU /FDL; Sprung beim Geländeritt: Phillip Dutton auf Loosen cool cc-by-sa 2.5: ronjamin; Sprung: Digital Vision; Hinrich Romeike: www.pferd-aktuell.de /©Stefan Lafrentz.

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