Wie funktionieren die Charts?

Sicher hast du auch schon eine Hitparade im Radio gehört oder Chartsendungen im Fernsehen gesehen. Je höher ein Song hier platziert ist, desto erfolgreicher ist der Musiker. Doch was steckt hinter dieser Rangfolge? Wie werden die Charts gemacht?

Musik-Charts gibt es auf der ganzen Welt. Das Wort Hitparade hat die gleiche Bedeutung. In Charts werden Musiktitel nach Nummern sortiert, wobei der beliebteste oder erfolgreichste auf Platz eins gesetzt wird. Nach unten gibt es viele Variationen: Die Top Ten fasst die zehn erfolgreichsten Titel zusammen, die Top 100 - wie der Name schon sagt - die 100 beliebtesten Titel in einem bestimmten Zeitraum.

Wenn es im Radio zum Beispiel "Die Hits der Woche" heisst, dann bezieht sich das auf die Top 10 auf die vergangene Woche. Am Ende eines Jahres werden gerne auch die erfolgreichsten Musiktitel des ganzen Jahres gesendet - das ist dann eine andere Chartsendung, die aber nach dem gleichen Prinzip funktioniert.

Seit wann gibt es Charts?

Hitparaden gab es schon vor dem Siegeszug der Schallplatte. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Erfolg eines Musikstückes am Verkauf der Notenblätter gemessen. Ein solches Ranking erschien ab 1891 in der Zeitschrift Phonogram. Die Genauigkeit späterer Hitparaden wurde damals aber noch nicht erreicht.

Billboard - vom Werbeblatt zur Marktmacht

Als es noch keine Radios und Fernseher gab, war das Plakat der beliebteste Werbeträger. Diese Werbeplakate wurden in den USA "Billboards" genannt. Was lag also für ein Werbemagazin näher, als ebenfalls diesen Namen anzunehmen? Die erste Ausgabe erschien am 1. November 1894. Es dauerte 19 Jahre, bis hier ab 1913 auch die wöchentlichen Notenblatt-Verkäufe veröffentlicht wurden. Die Bestseller-Charts der Plattenlabels wurden erstmals im November 1934 in Billboard veröffentlicht. Im Januar 1936 erschien das erste Mal eine Hitparade in dem Magazin.

Es gab noch andere Magazine mit eigenen Charts, doch die sind Ende des 20. Jahrhunderts vom Markt verschwunden, und Billboard wurde als führendes Musikmagazin zur Marktmacht.

Hit Radios als Wegbereiter der Musikindustrie

Am 20. April 1935 wurde im US-amerikanischen NBC-Radio erstmals das Radioprogramm "Your Hitparade" ausgestrahlt, und der Begriff "Hitparade" war geboren. Die Privatradios mussten sich voneinander unterscheiden, und so definierten sich die einzelnen Programmformate vor allem an der Musik. Die einen spielten Country & Western-Titel, andere Jazz, Klassik oder populäre Schlager. Daraus folgte 1955 das "Top 40 Radio". Gespielt wurden die ersten 40 Titel der Charts aus dem Billboard-Magazin.


Warum es ausgerechnet 40 Titel waren, wurde damit begründet, dass für Musikboxen nicht mehr als 40 Songs ausgewählt wurden (Musikboxen waren große Musikabspielgeräte, die damals vor allem in Gaststätten aufgestellt wurden. Man warf eine Münze ein, drückte einen Knopf, und der gewählte Titel wurde vom Gerät abgespielt). Von da an beeinflussten die Hitparaden der Radios auch die Bestückung der Musikboxen und die Charts wurden für die Schallplattenindustrie immer wichtiger.

Wie wird die Platzierung der Hits ermittelt?

Ende 1938 veröffentlichte Billboard wöchentliche Zusammenstellungen der populärsten Platten in Musikboxen. Das waren die ersten Charts, die sich am reinen Verkauf der Tonträger orientierten. Seit 1940 verwendet Billboard zur Ermittlung der Chartplatzierung eine Mischung aus Airplay und Verkaufsstatistik. Unter Airplay versteht man die Ausstrahlung eines Musiktitels über das Radio. Bei den "Music Popularity Charts" von Billboard zählte neben dem Verkauf also auch noch, wie oft ein Musikstück im Radio zu hören war.

Heute richten sich Charts in Radio und Fernsehen nach ganz unterschiedlichen Kriterien. Nachdem Musiklisten der Sender im Computer geführt werden, weiß jede Station genau, wie oft welches Lied im Programm gespielt wurde. So können Radios auch eigene Hitparaden erstellen, in dem auf Platz eins der Titel landet, der innerhalb der Woche am häufigsten gespielt wurde.

Manche Charts werden auch durch Publikumsumfragen ermittelt. Nehmen wir eine fikitve "Radio-F-Hörer-Hitparade". Da käme dann der von den Hörern am häufigsten gewünschte Musiktitel auf Platz eins.

Am Ende zählt nur das Geschäft

Bei den offiziellen Musikcharts zählen die oben genannten Kriterien allerdings nicht. Diese Hitparade orientiert sich an den reinen Verkaufszahlen. Auf Platz eins landet der Titel, der sich am besten und schnellsten verkauft hat. Hier gilt nur der wirtschaftliche Erfolg. Da heutzutage vor allem die kommerziellen Musik-Downloads und DVD-Verkäufe einen großen Stellenwert einnehmen, werden inzwischen auch diese Zahlen berücksichtigt.

Nach seinem Tod im Jahr 2009 war zum Beispiel Michael Jackson in allen einschlägigen Charts vertreten, weil die trauernden Fans massenweise seine alten Platten kauften. Ebenso war es 1980 beim Tode John Lennons gewesen. So makaber es klingt: Der Tod eines großen Popstars wird für die Musikindustrie zum großen Geschäft.

Können die Charts manipuliert werden?

Diese Gefahr besteht allerdings: Hits könnten von der Musikindustrie auch "gemacht" werden. Dazu nimmt man eine namenlose Studioband, die einen Song einspielt. Von diesem Titel verkauft der Hersteller endlos viele Platten an den Händler - somit steigt die Platte in den "Verkaufs"-Charts und wird auch von Radiostationen gespielt. Wenn dann die Händler nicht auf Bergen von CDs sitzen bleiben wollen, geben sie an, dass sich diese CD gut verkaufe - dadurch steigt die Platte in den "Händler-Umfrage"-Charts.

Bei so viel Werbung verkauft sich die Platte dann tatsächlich, wenn sie nicht grottenschlecht ist und deshalb sofort wieder aus den Charts fällt.

Das ist natürlich nur eine These. Aufgedeckt wurden solcherlei Manipulationen bisher nicht, obwohl es immer wieder kleine Skandälchen in dieser Richtung gegeben hat, wie beispielsweise jener um die Gruppe Milli Vanilli. Der enorme Erfolg des Discopop-Duos endete 1990 in einem Skandal, als bekannt wurde, dass sie keinen ihrer Songs selbst gesungen hatten. Die von anderen Künstlern gesungenen Lieder waren vom Tonband gespielt worden. Das offizielle Duo hatte nur zur Musik getanzt und die Lippen zum Text bewegt und so getan, als würden sie singen. Bei einem Auftritt blieb das Playbackband hängen, der Skandal war perfekt.

Publikumsgeschmack im Wandel der Zeit

So wie sich Musikrichtungen ändern und erneuern, ändern sich auch die Vorlieben des Publikums. Reine CD-Verkäufe können heute nicht mehr als Gradmesser für den Publikumsgeschmack genommen werden. Musikdownloads und Musikvideos auf DVD und Blue-Ray lassen die CD in eine Nische abgleiten, wie es vorher schon bei der Vinyl-Schallplatte war, die Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts der CD weichen musste.

Wer heutzutage von einem Titel 2.000 bis 3.000 CDs wöchentlich verkaufen kann, hat die besten Chancen, ziemlich hoch in die Charts zu gelangen, eventuell sogar in die Top Ten. Vor vierzig Jahren mussten in den USA noch 750.000 Singles verkauft werden, um eine Spitzenposition der Charts zu erreichen.

Gradmesser für die Beliebtheit eines Künstlers sind heute eher Musikdownloads und vor allem ausverkaufte Konzerthallen und weniger die CD-Verkäufe.

Text: RR, Stand 20. 1. 2010, Fotos: Fotos: Schellackplatte (Andreas Praefke, PD), Jongleur100 (Wurlitzer, PD), Nara (Michael Jackson, PD).

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