Nannerl Mozart: Im Schatten des berühmten Bruders

Ihr Leben lang stand sie im Schatten des berühmten Bruders. Dabei hätte Nannerl Mozart, die Schwester von Wolfgang Amadeus, eine erfolgreiche Pianistin werden können. Doch eine eigenständige Karriere war für Frauen Ende des 18. Jahrhunderts nicht vorgesehen. Am 29. Oktober 1829 - vor 175 Jahren - starb die verkannte Musikerin in Salzburg.

Nannerl war, wie ihr Bruder, von klein auf dem musikalischen Drill ihres Vaters ausgesetzt. Leopold Mozart selbst einer der besten Geigen-Pädagogen seiner Epoche hatte es sich in den Kopf gesetzt, seine beiden Sprösslinge zu Wunderkindern am Klavier und an der Geige zu machen.

Die Wunderkinder auf Reisen

Das Vorhaben gelang. Die Mozart-Geschwister wurden zuerst in Österreich, dann an Fürsten- und Königshäusern in ganz Europa vorgeführt. Dreieinhalb Jahre waren die jungen Musiker zwischen 1763 und 1766 unterwegs, um das adelige Publikum, aber auch berühmte Musiker und Komponisten mit ihrem Spiel zu begeistern. Das war nicht immer ein Zuckerschlecken. Die beiden wurden zwar mit Geschenken überhäuft, doch sie wurden häufig krank und das Reisen damals war beschwerlich. Die Eisenbahn war noch nicht erfunden, als übliches Transportmittel diente die Pferdekutsche.

Enges Verhältnis

In der Zeit der großen Konzertreisen wurde das Verhältnis der Geschwister immer inniger. Die beiden liebten es herumzualbern und sich mit den verrücktesten Kosenamen zu necken. Für Wolfgang Amadeus sollte die Schwester bis zu seinem frühen Tod eine der engsten Bezugspersonen bleiben. Er schätzte ihr Können und bat sie bezüglich seiner Kompositionen oft um ihr musikalisches Urteil.

Schluss mit dem Musizieren

Als Nannerl ins heiratsfähige Alter kam, war für sie Schluss mit dem öffentlichen Musizieren. Sie war zu alt, um noch den Wunderkind-Bonus zu haben. Mit ihr konnte der Vater keine Publicity mehr erzielen. Dazu kam, dass die Mutter früh verstorben war und Nannerl den Haushalt in Salzburg führen musste. Vater und Sohn gingen jetzt allein auf Reisen. Als Nannerl einmal darum bat, mit auf Konzerttour nach Italien fahren zu dürfen, empfahl ihr Leopold zynisch einen Reiseführer. Damit könne sie auch "im Zimmer auf Reisen gehen".

Alles dreht sich um Wolfgang

Die unterschiedliche Behandlung von Bruder und Schwester hatte sich bereits früh abgezeichnet. Während der Vater Wolfgang das Orgelspielen lehrte und ihm Kompositionsunterricht erteilte das Handwerkszeug für einen angehenden Berufsmusiker - ging Nannerl leer aus. Auch sie versuchte zu komponieren, doch der Vater interessierte sich nicht dafür.

Die Ehe als Gefängnis

Nicht einmal bei der Wahl ihres Ehegatten ließ Leopold Mozart mit sich reden. Nannerl hätte gerne Franz Armand d`Ippold geheiratet, einen Erzieher der Edelknaben am fürstbischöflichen Hof. Doch der Vater fädelte die Hochzeit mit dem viel älteren Johann Baptist zu Sonnenburg ein, einem Gerichtspfleger in St. Gilgen. Der war bereits zum zweiten Mal verwitwet und hatte fünf unversorgte Kinder. Nannerl wehrte sich nicht. Aber die Ehe, aus er drei Kindern hervorgehen, sollten ihr 17 Jahre Unglück bescheren. In 120 noch erhalteten Briefen berichtete sie der Familie in Salzburg davon.

Wieder in Salzburg

Erschwerend kam hinzu, dass das musikalische und kulturelle Angebot in St. Gilgen gegen Null gingen. Nannerl Mozart saß unglücklich in der österreichischen Provinz fest. Erst nach dem Tod ihres Gatten 1801 kehrte sie nach Salzburg zurück, wo sie endlich als Klavierlehrerin arbeiten konnte.

Begehrte Zeitzeugin

In den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts begann das wissenschaftliche Interesse an Wolfgang Amadeus Mozart zu wachsen. Der Bruder war bereits 1791 verstorben und Nannerl als seine vertraute Schwester galt als beliebte Zeitzeugin. Sie selbst erblindete im Alter von 74 Jahren und starb am 29. Oktober 1829. Auf eigenen Wunsch wurde sie nicht im väterlichen Grab bestattet, sondern in der Kommunegruft am Friedhof von St. Peter.

Ihrer Zeit voraus

Es war Nannerl Mozarts Schicksal, dass ihre Zeit noch nicht reif war für eine reisende Virtuosin. Erst Clara Schumann, der Gattin von Robert Schumann, sollte es gelingen das Eis zu brechen. Als Pianistin gab sie Konzerte in ganz Europa und erkämpfte sich die dauerhafte Anerkennung in der damals noch von Männern dominierten Musikszene.

Nic 27.10.2004 / Buchcover: Marianne Wintersteiner: Anna Maria und Nannerl Mozart, Rosenheimer Verlag

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