Jugendliteraturpreis 2007: Die nominierten Jugendbücher

Wir stellen euch die Bücher vor, die für den Jugendliteraturpreis 2007 in der Kategorie Jugendbuch nominiert wurden. Nicht zu verwechseln mit denNnominierungen der Jugendjury, die wir gesondert vorstellen. Auch die Vorschläge in den anderen Kategorien könnt ihr euch in separaten Artikeln informieren, die demnächst hier auf www.wasistwas.de erscheinen bzw. zum Teil schon erschienen sind. Die Preisverleihung findet am 12. Oktober 2007 auf der Frankfurter Buchmesse statt.

Bis dahin könnt ihr euch bereits selbst ein Bild machen, welches Jugendbuch euer Favorit wäre. Und hier sind die sechs Kandidaten:


Frank Cottrell Boyce

Meisterwerk

Aus dem Englischen von Salah Naoura

Carlsen Verlag

ISBN 978-3-551-58145-7

14.90 (D), 15.40 (A), sFr 26.80

Ab 11

In der kleinen walisischen Stadt Manod ist alles grau: der Himmel, die Häuser und es regnet jeden Tag. Für Dylan aber ist Manod der beste Ort der Welt, obwohl er der letzte Junge der Stadt ist und keinen Freund mehr zum Fußball spielen hat. Um so mehr bedeutet ihm die Familie, vor allem sein Vater, der einfach einen Kessel heißes Wasser in die Irische See kippt, wenn es zu kalt zum Baden ist.


In seinem Tagebuch schreibt Dylan minutiös alles auf, was sich am Tag ereignet, macht Notizen über die Kunden und beschreibt sogar den Regen, der zu Manod gehört wie das Grau der Mauern - denn es regnet eigentlich ständig - ob es nieselt oder in Strömen gießt.



Und dann, eines Tages, bringt ein wahrhaft außergewöhnliches Ereignis Farbe in den grauen Ort: Die Kunstwerke der Londoner National Gallery werden vorübergehend in das stillgelegte Bergwerk ausgelagert! Die Bilder lösen einen wahren Farbrausch aus: Plötzlich bekommt das graue Städtchen ein buntes Gesicht. Schaufenster werden wie Gemälde dekoriert und durch die Straßen der Stadt windet sich eine bunte Riesenschlange, die Menschen bekommen bunte Regenschirme.



Doch Dylans Familie hat jede Menge Schulden und so plant die Schwester von Dylan, die Bilder zu stehlen, um die Schulden zu bezahlen...


Mehr will ich hier nicht verraten, schließlich will ich euch nicht den Spaß an dem Buch nehmen. Frank Cottrell Boyce ist eine herrlich komische und zugleich spannende Geschichte gelungen, die auch Kunstbanausen bestens unterhalten wird!



Der Titel des Buches beschreibt nicht nur den Inhalt treffend: So skurril, witzig, liebevoll und originell wie es geschrieben ist, ist es selbst ein wahres Meisterwerk. (-rr-)



David Klass

Wenn er kommt, dann laufen wir

Aus dem Amerikanischen von Alexandra Ernst

Arena Verlag

ISBN 978-3-401-05898-6

13.95 (D), 14.40 (A)

Ab 13

Jeff ist ein netter, unauffälliger 17jähriger, der in einer verschlafenen amerikanischen Kleinstadt lebt. Da gibt es nur ein Problem: sein Bruder, ein Mörder, wird unerwarteter Weise aus dem Gefängnis entlassen und kommt morgen nach Hause. Damit wird sich die gesamte, schön eingerichtete Lebenswelt von Jeffs Familie schlagartig ändern.



Bruder Troy ist in Jeffs Augen das Böse in Person. Ist er das wirklich oder hat er sich geändert? Jeffs Eltern ermöglichen Troy einen Neuanfang, doch Jeff bleibt skeptisch, denn er muss einen hohen Preis dafür zahlen, dass Troy frei ist.

Was bedeutet unter den neuen Umständen Freundschaft? Wem kann er sich anvertrauen? Wen muss er warnen? Was führt Troy im Schilde? Gleichzeitig muss sich Jeff im Unterricht theoretisch mit der Frage beschäftigen, ob Menschen überhaupt eine Wahl haben zwischen Gut und Böse oder ob letztlich alles durch chemische Prozesse im Gehirn gesteuert wird.

Spannend von der ersten bis zur letzten Seite und in einer sehr guten Sprache geschrieben. Viele wichtige Themen wie Freundschaft, Gruppendruck und Liebe kommen vor, ohne dass irgendeines von ihnen platt abgehandelt wäre. Sehr empfehlenswert. ( - Liane Manseicher - )


 

 

Do van Ranst

Wir retten Leben, sagt mein Vater

Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann

Carlsen Verlag

ISBN 978-3-551-58156-3

12.00 (D), 12.40 (A), sFr 21.90

Ab 13

 Das Buch erzählt die Geschichte eines 15jährigen Mädchens, deren Name nicht genannt wird, vielleicht, damit die Leserin sich besser mit ihr identifizieren kann. Sie träumt von einem Jungen, dessen Name mit B anfangen sollte.


Die Familie lebt buchstäblich an der Kurve. Zum einen ist da das Haus, das an der Wegbiegung steht, so dass regelmäßig Autos hinein knallen. Die Straße führt aber auch so ins Nichts: zu einer halb fertigen Brücke, an der der Großvater einst gebaut hat und an der er sich das Leben genommen hat.


Auch emotional spielt sich das Leben der Erzählerin "an der Kurve" ab. Da gibt es den Vater, der tagein, tagaus auf einem Sofa sitzt. Eine Mutter, die nicht mehr weiß, warum sie den Mann auf dem Sofa geheiratet hat. Eine Oma, die seit Opas Tod kein Wort mehr spricht.


Abwechslung in diesen tristen Alltag bringen nur die Fahrer der verunglückten Autos, die auf dem Sofa gesund gepflegt werden. Sieben haben das Haus schon erwischt, doch nur einer hat es nie wieder verlassen: der wenig geliebte Vater der Erzählerin.


Auch aus diesem Grund hofft sie auf den Märchenprinzen: Vielleicht sitzt eines Tages ein Junge in einem Wagen, einer der Benjamin, Bernie oder Brad heißt...


Der belgische Autor Do van Ranst hat sehr stimmungsvollen Szenen geschrieben, die in ihrer Skurrilität schon fast magisch-realistisch wirken und einen starken Eindruck hinterlassen. Es erinnert an Filme von Luis Buñuel oder an die "fabelhafte Welt der Amelie."


Es ist ein erfrischend anders Buch über das Leben, die Familie, Liebe, erwachsen werden, Träume, Wünsche, Tod, Lachen, Veränderung.


Die Kapitel sind sehr kurz und die Schrift ist groß, so dass sich das Buch schnell und einfach lesen lässt.

Fazit: In jeder Hinsicht empfehlenswert.  (-rr-)

 



Faïza Guène

Paradiesische Aussichten

Aus dem Französischen von Anja Nattefort

Carlsen Verlag

ISBN 978-3-551-58154-9

12.00 (D), 12.40 (A), sFr 21.90

Ab 14

Paradiesisch sind die Aussichten für die 15-jährige Doria anfangs nicht: Ihr Vater hat sich nach Marokko abgesetzt, auf der Suche nach einer fruchtbareren Frau. Und ihre Mutter, Analphabetin und Zimmermädchen, schlägt sich mit einem Hungerlohn durch. Und dazu läuft es weder in der Schule gut noch in der Liebe. Selbst ihren ersten Kuss bekommt Doria nicht von einem Helden wie Mac Gyver, sondern von Nabil der Null, einem pickligen Streber, dem Einstein der Pariser Bronx. So vergleicht sie das Schicksal mit dem Drehbuch eines Film das Problem ist nur, dass unser Drehbuchautor nichts taugt. Ihm fallen keine schönen Geschichten ein.

Aber Doria und ihre Mutter behaupten sich: Doria findet eine Ausbildungsstelle und entdeckt nach und nach, dass Nabil die Null doch ganz in Ordnung ist. Ihre Mutter lernt Lesen und Schreiben und findet, gestärkt durch ihr neues Selbstvertrauen, einen Job. Am Ende so werdet ihr erleichtert feststellen sind die Aussichten doch (fast) paradiesisch.

Faïza Guène, die junge französische Autorin, beschreibt in ihrem Bestseller den Alltag in der Cité du Paradis, einem berüchtigten Stadtviertel am Rande von Paris, in dem die Gewalt regelmäßig eskaliert  In einem frischen und schnoddrigen Erzählton lässt Faïza Guène diese Welt lebendig werden, die bevölkert ist mit traurigen und lustigen, starrköpfigen und skurrilen Figuren eine Welt, die dazu einlädt, viele Vorurteile gegenüber Einwanderern einmal mehr in Frage zu stellen. (-Ronny Waburek-) 

Siobhan Dowd

Ein reiner Schrei

Aus dem Englischen von Salah Naoura

Carlsen Verlag

ISBN 978-3-552-58158-7

15.00 (D), 15.50 (A), sFr 26.90

Ab 14

Das Buch "Ein reiner Schrei" von Siobhan Dowd erzählt die Geschichte der Jugendlichen Shell Talent im Irland von 1984. Nach dem Tod ihrer Mutter muss Shell für die Familie sorgen, da der arbeitslose und alkoholkranke Vater dazu nicht im Stande ist. Sie kümmert sich um ihre beiden jüngeren Geschwister Jimmy und Trix, macht den Haushalt und erledigt Einkäufe im kleinen Dorf Coolbar.

Ihre Probleme vertraut sie dem jungen Pater Rose an, doch der Klatsch und Tratsch im Dorf macht diese Beziehung bald zunichte. Nun vertreibt sie sich die Zeit mit ihrem Schulfreund Declan. Dieser verschwindet jedoch nach Amerika und lässt Shell schwanger zurück. Die Schwangerschaft scheint aber niemand zu bemerken, bis Shell in einen landesweiten Skandal verwickelt wird.

Die Autorin erzählt die Geschichte sehr bildhaft, was es dem Leser einfach macht, sich die Situation vorzustellen. Wegen den beschriebenen Gedanken Shells kann man sich gut in sie hineinversetzen. Das Buch lässt kein Klischee von "Tod der Mutter" über "alkoholkranken Vater" bis zu "Kind mit 16" aus. Ich bekam beim Lesen das Gefühl ähnliche Geschichten schon oft gehört zu haben. ( - Jan Wrede - )

 

Marjaleena Lembcke

Liebeslinien

Nagel & Kimche Verlag

ISBN 978-3-312-00966-4

14.90 (D), 15.40 (A), sFr 27.20

Ab 15

Finnland und die Finnen. Aulikki ist 17 Jahre alt, hat die Schule abgebrochen. Zwischen ihr und ihrem Vater herrscht Sprachlosigkeit, seit ihre Mutter gestorben ist und der Vater Aulikkis Tante geheiratet hat. Aulikki jobbt und versucht ihr Leben zu ordnen, herauszufinden wer sie ist und was sie will. Deshalb geht sie nach Helsinki. Sie wohnt bei ihrer Tante und beschließt doch noch das Abitur zu machen. Mit ihrer offenen, manchmal naiven und immer fragenden Art lernt das hübsche Mädchen die verschiedensten Männer kennen und macht ihre ersten Erfahrungen mit der Liebe - aber richtig lieben kann sie einfach nicht. Sie ist immer nur erstaunt, über die Sicherheit der anderen, darüber, dass die scheinbar immer wissen, was sie wollen.

Dann trifft sie den Fotografen Sauli und endlich empfindet sie wirklich etwas für einen Menschen - doch der will sich nicht an das Mädchen binden und so will Aulikki ihrem Leben ein Ende setzen...

Klar, einfach, manchmal fast brutal ehrlich und mit feiner Ironie erzählt die finnische Autorin Marjaleena Lembcke diese Geschichte. Ohne falschen Pathos. Eine Geschichte vom Suchen und Erwachsenwerden, von Finnen und Finninnen, die uns manchmal ganz fern sind und dann wieder ganz nah! Ein schönes Buch! (- Anja Bühling -)

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