"Ich-AG" ist Unwort des Jahres 2002

Mit dem Unwort des Jahres kritisiert eine Jury der Universität Frankfurt am Main Begriffe, die häufig benutzt wurden, aber einen Sachverhalt beschönigen und in ungeeigneter Weise verharmlosen. Ein sprachlicher Missgriff - So lässt sich das "Unwort des Jahres" wohl am besten beschreiben.

Ich-AG schlägt die Achse des Bösen

Die Qual der Wahl fiel den Sachverständigen in diesem Jahr bestimmt besonders schwer - so schaurig schön waren die verbalen Schöpfungen, die für das "Unwort des Jahres" in Frage kamen. Am Ende setzte sich das wohl prominenteste Exemplar durch: Die "Ich-AG".

Begründung der Jury

Die Ich-AG ist schon in sich unlogisch. Ein Mensch kann nun mal keine Aktiengesellschaft sein.

Auch das sprachliche Stilmittel der Ironie - einer Redeweise, die genau das Gegenteil von dem meint, was sie ausspricht - gilt hier nicht. Die aktuelle Arbeitslosigkeit verträgt sich mit dieser Art von Humor nicht wirklich. Ausschlaggebend für die Wahl war die Herabstufung von menschlichen Schicksalen auf ein sprachliches Börsenniveau, so die Jury in ihrer Begründung.

Neben der "Ich-AG" wurden noch andere Begriffe gerügt. Auf Platz zwei setzten die Sprachexperten das Wort "Ausreisezentrum" für Abschiebelager. Den dritten Platz nimmt das Wort "Zellhaufen" für menschliche Embryonen ein.

Achse des Bösen fiel durch

Die Jury entschied sich damit dagegen, zwei besonders häufig vorgeschlagene Wendungen zum Unwort des Jahres zu küren. Die 1744 Einsender der 806 verschiedenen Vorschläge hatten am häufigsten die "Achse des Bösen" von US-Präsident George W. Bush genannt. Es folgt die Wendung von SPD-Generalsekretär Olaf Scholz, die Familienpolitik seiner Partei wolle die "Lufthoheit über den Kinderbetten" erringen. Wie oft eine Formulierung vorgeschlagen wird, lässt die Jury allerdings kalt. Entscheidend sei "ein besonders krasses Missverhältnis von Wort und bezeichneter Sache", so die Jury.

Kluge Köpfe treffen die Wahl

Der Jury-Sprecher ist Prof. Horst Dieter Schlosser. Mit ihm sitzen drei weitere Sprachwissenschaftler als ständige Mitglieder und zwei jährlich wechselnde Juroren im Auswahl-Gremium. In diesem Jahr gehören der Jury auch der Fernsehjournalist Wolfgang Herles und der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard, an.

Sprachliche Missgriffe nennen

Bei der seit 12 Jahren stattfindenden Aktion »Unwort des Jahres« sind alle, auch ihr, aufgefordert, sprachliche Missgriffe einzusenden. Gesucht werden Wörter und Formulierungen, die "sachlich grob unangemessen" sind und möglicherweise sogar die Menschenwürde verletzen. Die Vorschläge können aus stammen, aus der Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Technik, Wissenschaft, Kulturinstitutionen oder Medien stammen, und sollen in jedem Fall eine Quellenangabe enthalten.

Vorschläge erwünscht

Vorschläge werden während des ganzen Jahres entgegengenommen, die intensive Sammelphase liegt aber jeweils zwischen Oktober und Anfang Januar. Danach wird die in einer Sitzung der Jury gefällte Entscheidung über die Medien bekannt gegeben. Einsendungen mit Unwortvorschlägen könnt ihr an folgende Addresse schicken:

Prof. Dr. Horst D. Schlosser,

Universität Frankfurt a.M.,

Grüneburgplatz 1

60629 Frankfurt a.M.

Fax: 069 / 798-32675

Unwortvorschläge per E-Mail bitte an: unwort@em.uni-frankfurt.de

Text/sw 22.1.02 Abbildung: Duden Bd.1 - Die deutsche Rechtschreibung, 21. Aufl. 1996, S. 782.

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