Günter Grass: Der "Bürgerschreck" wird 80

Mit 80 Jahren kann Günter Grass auf eine Karriere zurückblicken, die ihm so schnell kein deutscher Schriftsteller nachmachen wird. Er wurde mit Auszeichnungen nur so überhäuft und 1999 sogar mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Everybodys Darling ist der gebürtige Danziger trotzdem nicht. Als streitbarer Demokrat und spitzzüngiger Kritiker hat er sich immer wieder in politische und gesellschaftliche Diskussionen eingemischt.

Zum Beispiel als er zuletzt seinen Kollegen Martin Walser in der Antisemitismus-Debatte um dessen Roman Tod eines Kritikers verteidigte. Walsers Geschichte handelt von einem jüdischen Buchrezensenten, der auf geheimnisvolle Art und Weise ums Leben kommt. Marcel Reich-Ranicki warf ihm daraufhin nicht nur antijüdische Tendenzen vor, sondern behauptete sogar, ihn selbst mit der Romanfigur gemeint zu haben. Dass Grass sich auf Walsers Seite stellte, brachte den Literaturpapst endgültig auf die Palme. Waren sich doch beide nicht mehr grün, seit Ranicki vor sieben Jahren den Wiedervereinigungsroman Ein weites Feld verrissen hatte.

Nicht auf den Mund gefallen

Den Mund hat sich Deutschlands Vorzeige-Dichter in seiner langen Laufbahn noch nie verbieten lassen. Es sei seine Pflicht als Künstler, sich einzumischen, betonte Querdenker Grass einmal in einer Talkshow. Und das hat der Dichter immer wieder getan: Ob als offener Sympathisant der 68er-Generation, als Wahlkampfhelfer von Willy Brandt, für eine deutsch-polnische Aussöhnung und immer wieder gegen den neu aufflammenden Faschismus.

Vergangenheitsbewältigung

Letzteres hat vor allem mit Grass` eigenen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus zu tun. Noch zu Freistaatzeiten seiner Heimatstadt Danzig trat er in das Jungvolk ein, ab 1941 war er mit Begeisterung bei der Hitlerjugend dabei. Als man den jungen Gymnasiasten 1944 von der Schulbank weg in die Endphase des Zweiten Weltkriegs einzog, glaubte Grass noch immer für eine gute Sache zu kämpfen.

Erst als der junge Soldat durch eine Verletzung in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet und dort nach demokratischen Idealen umerzogen wurde, begriff Günter Grass, von welch verbrecherischer Ideologie er sich Jahre lang hatte verführen lassen. Das tief sitzende Schuldbewusstsein wurde zu einem wichtigen Impuls für sein Schreiben, sein künstlerisches Schaffen überhaupt.

Beginn einer Künstlerlaufbahn

1946 kam es zum glücklichen Wiedersehen mit Eltern und Schwester. Die Familie hatte es in den Nachkriegswirren von Pommern ins Rheinland verschlagen. Dort absolvierte Günter Grass drei Jahre die von ihm seit langer Zeit angestrebte Ausbildung als Steinmetz und Bildhauer. Sein Interesse an der Kunst konnte er während seines Studiums in Düsseldorf und Berlin und während diverser Studienreisen nach Italien, Frankreich, Spanien und Polen noch weiter vertiefen.

Durchbruch mit der "Blechtrommel"

In den selben Jahren begann Günter Grass zu schreiben zuerst Gedichte, später kleinere Theaterstücke und Erzählungen, die er oft mit eigenen Zeichnungen versehen veröffentlichte. Auch viele Titelblätter seiner späteren Romane stammen aus Grass` eigener Feder. Über Nacht berühmt wurde der Künstler und Autor 1959 mit der Blechtrommel. Die Geschichte von Oskar Mazerath, der aus Protest gegen seine Umwelt mit drei Jahren bewusst sein Wachstum einstellt, wurde zum Kassenschlager in aller Welt.

Noch vor der Veröffentlichung des Manuskripts erhielt Grass 1958 für seinen Roman den Preis der Gruppe 47, einem Zusammenschluss engagierter Nachkriegsdichter. Noch berühmter wurde das Buch durch die Verfilmung von Volker Schlöndorff , der dafür 1980 mit dem Oscar für den besten ausländischen Film belohnt wurde. Doch die Blechtrommel war nur der Auftakt der so genannten Danziger Trilogie, die 1961 durch die Novelle Katz und Maus und 1963 durch den Roman Hundejahre komplettiert wurde.

Aktuelle Themen

Weitere Erfolgsromane folgten. Bekannte Titel sind u.a. Der Butt (1977), Die Rättin (1986), Unkenrufe (1992) und Das weite Land (1995). Wenn Günter Grass auch immer wieder Handlungsschauplätze in seine alte Heimat verlegte, ließ er sich doch thematisch auch von aktuellen Problemen inspirieren ob Wiedervereinigung oder der Angst vor Umwelt- und Atomkatastrophen.

Nobelpreis als Krönung der Laufbahn

Günter Grass, der heute in Behlendorf bei Lübeck wohnt, wurde bislang mit sämtlichen wichtigen Literaturauszeichnungen belohnt: u.a. dem Theodor-Heuss-, dem Georg-Büchner-, dem Fontane- und dem Thomas-Mann-Preis Preis. Außerdem ist er Ehrendoktor an der berühmten Harvard-Universität. Seinen größten Erfolg feierte der Schriftsteller 1999, als er den Nobelpreis gewann.

Nic - 16.10.2002 / Buchcover: Mit freundlicher Genehmigung von C. Bertelsmann

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