Gerhart Hauptmann: "Die Weber" machten ihn berühmt

Gerhart Hauptmann gilt in der deutschen Literatur als Hauptvertreter des Naturalismus. Mit seinen sozialkritischen Theaterstücken "Die Weber" oder "Vor Sonnenaufgang" sorgte der schlesische Nobelpreisträger nicht nur für so manchen Bühnenskandal, sondern wirkte vor allem stilbildend für seine Epoche. Ohne seine Vorarbeit wäre die Entwicklung des modernen deutschen Dramas nicht denkbar.


Gerhard Hauptmann (Deutsches Historisches Musuem, Berlin)

Der Sohn eines Hoteliers geboren am 15. November 1862 - wuchs in einer Zeit auf, in der sich ganz Europa in einer Umbruchphase befand. Als Kind erlebte er mit, wie sich das Deutsche Kaiserreich in wenigen Jahren vom Agrar- zum Industriestaat entwickelte. Möglich wurde diese rasante Umstrukturierung durch eine Aufwandsentschädigung in Milliardenhöhe, die Frankreich 1871 nach verlorenem Krieg an den ungeliebten Nachbarn abtreten musste. Man spricht in einem solchen Fall auch von so genannten Reparationszahlungen.

Das Wilhelminische Kaiserreich

Der plötzliche Einzug der Technik brachte für die bis dahin noch sehr bäuerlich geprägte Gesellschaft große Veränderungen mit sich. Finanziell profitierten insbesondere die Fabrik- und Landgutbesitzer, die jetzt noch schneller und effektiver produzieren konnten. Die vielen, ohnehin schon armen Industrie- und Landarbeiter hatten dagegen das Nachsehen. Innerhalb weniger Jahre verschärften sich die sozialen Gegensätze radikal.

Gegen die "Literatur der Lüge"

Trotz dieser tiefgreifenden Veränderungen gab es auf literarischer Ebene keine Werke, die mit der Wirklichkeit Schritt hielten. Die feine Gesellschaft ergötzte sich nach wie vor an schöngeistiger, erbaulicher Literatur, die sich nicht mit den Problemen der Gegenwart auseinander setzte. Hauptmann gehörte zu der jungen Generation, die diesen Zustand Anfang der 80er Jahre aus der Welt schaffen wollte gegen eine "Literatur der Lüge", wie die jungen Revoluzzer die Produkte des Wilhelminischen Kulturbetriebs nannten.

Von Kunst fasziniert

Hauptmann selbst kam im Vergleich zu anderen Naturalisten recht spät zum Schreiben. Nach einer Landwirtschaftslehre, die er aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste, fühlte er sich zum Bildhauer und Maler berufen. Er besuchte die Akademie in Breslau und Dresden und unternahm aus künstlerischem Interesse immer wieder Reisen, die ihn unter anderem nach Italien und Spanien führten. Ohne Universitätsabschluss ließ er sich 1883 für einige Zeit in Rom als freischaffender Bildhauer nieder.

Zola und Ibsen als Vorbild

Nach überstandener schwerer Typhuserkrankung wieder in Deutschland, bezog der Schlesier mit seiner ersten Frau Marie ein Haus in Erkner bei Berlin. Dort knüpfte er 1887 erste Kontakte zum literarischen Verein "Durch!". Der Kreis um die Gebrüder Hart, Arno Holz und Johannes Schlaf huldigte vor allem literarischen Vorbildern aus Frankreich und Skandinavien wie Emile Zola und Henrik Ibsen, deren Literatur als modern und wahrheitsgetreu galt.

Dramen und Skizzen

Neben der Form des Dramas, die erst gegen Ende der 80er Jahre populär wurde bevorzugten die Naturalisten sogenannte Studien und Skizzen Erzählungen, die möglichst objektiv und detailgetreu die Wirklichkeit abbilden sollten. Die Art und Weise, Handlungen und Situationen minutiös zu beschreiben, nennt man im Naturalismus auch Sekundenstil. Hauptmann trat 1887 ebenfalls mit einem Prosastück erstmals an die Öffentlichkeit seine 1888 veröffentlichte Novelle "Bahnwärter Thiel" ist noch heute eine beliebte Schullektüre.


Plakat zu "Die Weber" Aufführung im Großen Schauspielhaus, Entwurf: Emil Orlik, Berlin 1897 (Deutsches Historisches Museum, Berlin)

Zoff mit dem Kaiser

Hauptmanns ganze Begabung kam jedoch erst in seinen sozialen Dramen zum Vorschein. Nach dem Überraschungserfolg des Bühnenerstlings "Vor Sonnenaufgang", der in Naturalistenkreisen als erstes gelungenes, modernes deutsches Drama gepriesen wurde, sorgte der Literat 1893 mit seinem bis heute bekanntestes Stück "Die Weber" für Furore. Da das 1894 uraufgeführte Drama über den Aufstand schlesischer Weber das Elend der kleinen Leute thematisierte und damit deutliche Sozialkritik übte, verließ Kaiser Wilhelm während der Vorstellung empört das Theater und kündigte sogar seine Loge im Deutschen Theater in Berlin.

Schonungslos modern

Doch Hauptmann, der mit seinem Drama nicht zuletzt den Dialekt auf der Bühne salonfähig gemacht hatte, ließ sich nicht beirren. Wie die anderen Naturalisten war er daran gewöhnt von entsprechenden Kreisen als literarischer Schmutzfink bezeichnet zu werden, der sich seine Themen aus der Gosse holt. Dazu müsst ihr wissen, das es damals als unmöglich galt Industriearbeiter oder gesellschaftliche Randexistenzen wie Alkoholiker oder Prostituierte in Erzählungen oder Dramen auftreten zu lassen.

Nobelpreisträger

Gerhart Hauptmanns Initialfunktion für die moderne Literatur ist unbestritten. Auch wenn wir ihn heute vor allem für seine frühen Werke kennen und schätzen, produzierte der Schlesier nur wenige Jahre im typisch naturalistischen Stil. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen gelang es ihm, sich literarisch weiterzuentwickeln und bis zu seinem Tod 1946 produktiv zu bleiben. Weltweit anerkannt war er spätestens ab 1912, als er mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde.

14.11.2002 / Fotos: Mit freundlicher Genehmigung DHM Berlin.

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