Dt. Jugendliteraturpreis: Kinder als Buchkritiker

Kinder als Buchkritiker das hat es bei der Auswahl des Deutschen Jugendliteraturpreises bisher nur am Rande gegeben. Doch jetzt haben junge Leser richtig was zu melden. Sie erstellen ihre eigene Nominierungsliste von Lieblingsbüchern und vergeben unabhängig von den erwachsenen Wertungsrichter den Preis der Jugendlichen.


Die jungen Kritiker im Alter von acht bis 17 Jahren sind fast schon professionelle Bücherwürmer. Sie kommen aus Göttingen, Trier, Moers, Landshut, Neubrandenburg und Frankfurt und teilen ein großes Hobby: Lesen. Deshalb gehen sie in ihrer Freizeit in Bücherclubs, um sich mit Gleichgesinnten über die neusten Geschichten und Romane auszutauschen.

Lesemarathon


Für einige von ihnen ist aus Spaß Ernst geworden. Sie haben sich unter den ausgewählten Neuerscheinungen im Bereich Jugendbuch ihre sechs Favoriten herausgepickt. Mit gemütlichem Schmökern hat das Ganze nichts mehr zu tun, eher schon mit einem Lesemarathon. Weit über hundert Bücher mussten die Mitglieder der Jugendjury lesen, bewerten und mit ihren Kollegen im Stichwahlverfahren aussortieren.

Kids lesen anders

Dabei kam zum Vorschein, dass junge Leser scheinbar ganz andere Vorlieben haben als erwachsene. Auf der Nominierungsliste der Jugendjury findet sich deshalb auch kein einziger Titel, den auch die Kritikerjury nominiert hätte. Also keinerlei Überschneidungen! Die Auswahlkriterien der Jugendlichen waren ebenfalls andere. Neben Stil und gut verständlicher Sprache, was auch die Erwachsenen bewerteten, machten sich die Kinder z.B. auch Gedanken darüber, ob ein Buch zum Nachdenken anregt oder ob man es auch mehrmals lesen kann ohne sich zu langweilen.

Die Erwachsenenjury

Der Preis der Jugendlichen ist nach wie vor nur ein Sonderpreis. In den Hauptkategorien Bilder-, Kinder-, Jugend- und Sachbuch entscheiden immer noch Erwachsene, welche Schriftsteller und Illustratoren eine der begehrten Auszeichnungen mit nach Hause nehmen dürfen. Die Nominierungsliste umfasst 24 Titel. Vom verfremdeten Märchen über den packenden Thriller bis hin zum informativen Geschichtsband für jeden Geschmack und jede Altersgruppe ist etwas dabei.


Buchtipps für euch!

In den nächsten Wochen werden wir euch auch einen Überblick darüber geben, welche Bücher in den einzelnen Kategorien vorgeschlagen sind. Heute wollen wir uns darauf beschränken, euch die Favoriten der Jugendjury vorzustellen. Also Buchtipps von Jugendlichen für Jugendliche!

Zoran Drvenkar: Sag mir, was du siehst (Carlsen)

Jeden Weihnachtsabend besucht Alissa heimlich mit ihrer Freundin Evelin das Grab ihres verstorbenen Vaters. Als Alissa wieder einmal nachts auf dem Friedhof herumläuft, stürzt sie versehentlich in das Gewölbe einer Gruft. Dort entdeckt sie einen Kindersarg, aus dessen Deckel eine Pflanze wächst. In dem Sarg befindet sich die Leiche eines Jungen, aus seiner Brust rankt sich der Stiel der Pflanze. Ehe sie weiß, was sie tut, reißt Alissa die Pflanze aus dem Sargdeckel und steckt sie ein. Von diesem Augenblick an ist nichts mehr so, wie es war. Ganz schön gruselig...

Klaus Kordon: Krokodil im Nacken (Beltz & Gelberg)

Die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts ist ein brisanter Stoff. In seinem neusten Roman erzählt Klaus Kordons die bewegende Lebensgeschichte von Manfred Lenz, der nach einem missglückten Fluchtversuch aus der DDR ein Jahr in Stasi-Gefängnissen verbringt. Lenz - das Alter Ego des Autors - erinnert sich an seine Kindheit, seine Jugend und die Verzweiflung, die ihn mit seiner Familie zur Flucht in den Westen zwingt. Ein Zeitpanorama, wie es spannender nicht sein könnte.

Christian Linker: RaumZeit (dtv)

In diesem Roman wird das realistische Porträt eines jungen Mannes entworfen, der zwanzig Monate Jugendstrafe im Knast absitzen muss. Statt Partys, Freunden, Mädchen: Misstrauen, Einsamkeit, Monotonie, dazu der tägliche Kampf, sich unter den Mitgefangenen durchzusetzen und nicht in gewaltsame Auseinandersetzungen zu geraten. Mühselig arrangiert sich Tim mit den Umständen, bis er sich in Martha verliebt, eine junge Frau, die dank eines Integrationsprogramm einmal wöchentlich im Gefängnis auftaucht. Als er Hafturlaub hat, funkt es wirklich: Tim trifft Martha zum ersten Mal allein und brennt mit ihr nach Frankreich durch...Ein fesselnder Roman ohne die üblichen Klischees.

Jochen Till: Ohrensausen (Ravensburger)

Wieder eine Liebesgeschichte. Diesmal geht es um die Konkurrenz zwischen zwei Freunden. Täglich proben Danny und sein bester Kumpel Vinnie mit ihrer Band für den großen Auftritt. Alles läuft gut - bis Danny sich in Clarissa verliebt, Vinnies "beste Freundin" ... da ist der große Krach vorprogrammiert. Eine tolle Geschichte über Eifersucht, Freundschaft und die Probleme mit dem Erwachsenwerden.

Ann Brashares: Eine für vier (C. Bertelsmann)

Bridget, Carmen, Lena und Tibby sind unzertrennlich. Jede Ferien verbringen sie gemeinsam, bis sie ihren 16. Geburtstag feiern und zum ersten Mal allein in den Urlaub fahren. Ein bisschen mulmig ist ihnen schon und deshalb wollen sie in Kontakt bleiben. Eine Secondhand-Jeans passt verblüffenderweise allen vieren wie angegossen - und wird von einer zur anderen auf die Reise geschickt. Sie ist das verbindende Element zwischen den vier jungen Frauen, die in diesem Sommer ganz unterschiedliche und intensive Erfahrungen machen mit der großen Liebe, der zweiten Heirat eines Elternteils, dem Tod einer geliebten Person und einer leichtfertig eingegangenen Beziehung.

Malcolm Rose: Lab 47 Gefahr aus dem Labor (Arena)

Der junge Chemiker Kyle Proctor arbeitet seit kurzem für den Pharmakonzern Yttria. Die extremen Sicherheitsmaßnahmen seiner Firma irritieren ihn und machen ihn misstrauisch. Gemeinsam mit der jungen Ärztin Helen Crear beginnt er zu recherchieren und stößt auf ein geheimes Forschungsprojekt von ungeahnter Tragweite: Offensichtlich arbeitet Yttria an der Herstellung eines Mittels gegen Sichelzellenanämie. Das ist eine Krankheit, die ausschließlich bei Menschen dunkler Hautfarbe auftritt. Kyte und Helen bekommen bald am eigenen Leib zu spüren, auf was sie sich eingelassen haben. Spannender Medizinthriller über Rassismus und skrupellose Wissenschaftler!


Hintergrundinfo zum Deutschen Jugendliteraturpreis

Übrigens: Der Deutsche Jugendliteraturpreis wird seit 1956 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gestiftet und jährlich verliehen. Ausgezeichnet werden herausragende Werke der Kinder- und Jugendliteratur. Eine vom Arbeitskreis für Jugendliteratur bestimmte Jury prüft im Vorfeld über 400 Neuerscheinungen. Die besten 2003 sind es insgesamt 30 werden auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt. Die Preisverleihung findet dann im Oktober auf der Frankfurter Buchmesse statt.

Nic -02.04.2003 / Abbildungen: Arbeitskreis für Jugendliteratur, Foto: A. Bühling

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