"Draußen vor der Tür": Ein Stück Trümmerliteratur

Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will mit diesem pessimistischen Kommentar versah Wolfgang Borchert 1947 sein Nachkriegsdrama Draußen vor der Tür . Wenn er sich da nicht getäuscht hat. Das einzige Bühnenstück des Hamburger Dichters wird noch heute vielfach aufgeführt und ist außerdem eine der beliebtesten Schullektüren in deutscher Sprache.

Borcherts Werk gehört zu den Klassikern der so genannten Trümmer- oder auch Kahlschlag-

literatur. So nennt man Bücher, die in den Jahren direkt nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches entstanden sind, als ein Großteil Deutschlands in Schutt und Asche lag.

"Stunde Null"

Kennzeichnend für diese Epoche: nach Jahren der Unterdrückung setzten sich die Autoren jetzt wieder direkt mit ihrer Gegenwart auseinander und behandelten in einfacher, sachlicher Sprache die unmittelbare Nachkriegszeit und ihre Motive (Tod, Ruinenlandschaft, Gefangenschaft, Heimkehr, Schuld etc.) Damit signalisierten sie ihren Willen zu einem radikalen Neuanfang. Deshalb auch oft die Bezeichnung der "Stunde Null".

Viele Schriftsteller dieser Phase waren heimgekehrte Emigranten, die während der Hitlerdiktatur freiwillig ins Ausland geflüchtet waren und nun in Deutschland einen Neuanfang wagten. Wieder andere hatten das Dritte Reich stillschweigend über sich ergehen lassen und sich in die so genannte innere Emigration zurückgezogen. Das heißt, sie befassten sich aus Furcht vor der Staatsgewalt ausschließlich mit Themen, die nicht in Zusammenhang mit den aktuellen Entwicklungen standen.

Vom Krieg gezeichnet

Wolfgang Borchert gehörte zur dritten Gruppe der Trümmerliteraten junge Autoren einer neuen Generation, die den Krieg aber noch unmittelbar miterlebt hatten. Als er das Drama um den von der Front heimgekehrten Soldaten Beckmann im Januar 1947 in nur acht Tagen niederschrieb, konnte der gelernte Buchhändler und Schauspieler auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Ostfront, Militärgefängnis, Bewährung, schwere Krankheit das alles hatte er mit gerade mal 24 Jahren durchgemacht.

Antiheld

Beckmann, die Hauptfigur in Draußen vor der Tür ist ein Antiheld, der den gesamten Frust einer verlorenen Generation widerspiegelt. Wer ist Schuld am Krieg? Welche Zukunft haben wir noch? Verzweifelt versucht der Heimkehrer mit dem steifen Knie und der grotesken Gasmaskenbrille einen noch verbleibenden Sinn in seinem trostlosen Lebens zu finden und im Alltag wieder Fuß zu fassen.

Zwischen Traum und Wirklichkeit

Der starke Symbolcharakter und die typenhaft gezeichneten Figuren des Stücks erinnern deutlich an den Expressionismus eine Epoche, deren Vertreter Ende ab Mitte der 10er Jahre intensiv das Elend des Ersten Weltkriegs literarisch umsetzten. Drüber hinaus ist das Drama durch eine besondere Erzähltechnik gekennzeichnet, dieTraumsequenzen, Gegenwarts- und Vergangenheitsmomente collagenartig ineinander fließen lässt. Vergleichbar mit unseren heutigen Sehgewohnheiten der Film- und Fernsehwelt.

Bis heute aktuell

Auch 60 Jahre nach seiner Entstehung ist Draußen vor der Tür mehr als nur eine Dokumentation der Kriegsgeneration. Das Drama gegen den Krieg und für mehr Menschlichkeit ist bis heute ein aktuelles Werk geblieben Nicht nur, dass immer noch Kriege in aller Welt wüten, viele Menschen fühlen sich in der Gesellschaft menschlich und sozial ausgegrenzt, fühlen sich allein gelassen und stehen Draußen vor der Tür. Wie Heimkehrer Beckmann, der nach 1945 in seine Heimat zurückkehrt, die für ihn keine mehr ist. Für ihn ist kein Zuhause mehr da.

Früher Tod

Borchert selbst erlebte den Triumphzug seines Dramas über die europäischen Bühnen nicht mehr mit. Er starb einen Tag nachdem die Hamburger Kammerspiele das Stück uraufgeführt hatten 1947 in einer Schweizer Kurklinik. Er wurde nur 26 Jahre alt.

Nic 20. 11.2002 / Foto: Rowohlt Verlag

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