Die Sieger des Jugendliteraturpreises 2008

Am 17. Oktober 2008 wurden die Gewinner des Jugendliteraturpreises auf der Frankfurter Buchmesse bekannt gegeben. In den letzten Monaten haben wir euch alle Bücher der Auswahlliste vorgestellt. Jetzt erfahrt ihr, welche fünf Titel die Jurys am meisten überzeugt haben.

Wie entstehen die Auswahllisten für den Deutschen Jugendliteraturpreis?

Eine Jury von neun erwachsenen Bücher-Fachleuten, darunter Buchhändler, Bibliothekarinnen, Journalisten und Lehrer sucht aus mehreren hundert neu erschienenen Büchern diejenigen aus, die ihr besonders gut gefallen. Die Bücher werden in vier Sparten sortiert: Bilderbuch, Kinderbuch, Jugendbuch und Sachbuch.

Außerdem gibt es eine unabhängige Jugendjury die sich aus den Mitgliedern von sechs Jugend-Buchklubs aus ganz Deutschland zusammensetzt. Auch sie wählen sechs Bücher aus, die sie besonders beachtenswert finden.

Am 17. Oktober 2008 haben beide Jurys bekannt gegeben, welche Titel (jeweils einer pro Sparte und einer der Jugendjury) gewonnen haben.

Hier findet ihr unsere Buchvorstellungen der Gewinner:

In der Sparte Bilderbuch:

Jacob und Wilhelm Grimm (Text)

Susanne Janssen (Illustration)

Hänsel und Gretel

Hinstorff Verlag

ISBN 978-3-356-01226-2

14.90 (D), 15.40 (A), sFr 27.90

Ab 10

Das Märchen von Hänsel und Gretel ist eigentlich jedem bekannt, oder? Das Besondere an diesem Buch ist zum einen, dass das Märchen in der original grimmschen Textfassung vorliegt, die sich deutlich von modernisierenden

 Das Märchen von Hänsel und Gretel ist eigentlich jedem bekannt, oder? Das Besondere an diesem Buch ist zum einen, dass das Märchen in der original grimmschen Textfassung vorliegt, die sich deutlich von modernisierenden Versionen unterscheidet. Sie wirkt lebensnäher und gleichzeitig grausamer als viele beschönigende Nacherzählungen.

Die doppelseitigen Bildkollagen stehen weitgehend für sich allein und verbinden Fotos städtischer Bauten mit den Portraits der Märchenfiguren. Sie lassen uns Leser und Betrachter genauso ratlos zurück wie der grausig-rätselhafte Text des Märchens.

Meiner Ansicht nach handelt es sich bei diesem Band um ein durchaus gelungenes Kunstbuch für Erwachsene und nicht um ein Kinderbuch. (-lm-)

In der Kategorie Kinderbuch siegte:

Paula Fox

Ein Bild von Ivan


Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit

Boje Verlag

ISBN 978-3-414-82059-4

11.90 (D), 12.30 (A), sFr 22.00

Ab 10

 In dieser Novelle geht es eigentlich um zwei Bilder von Ivan - um jenes, das der Maler in der Geschichte von dem Jungen malen soll und um das Bild, das der Leser von Ivan bekommt.

Ehe Ivans Vater den Maler Matt beauftragt hatte, ein Portrait seines Sohnes zu malen, verlief Ivans Leben ohne Höhen und Tiefen: Die Mutter war gestorben, als Ivan noch ein Kleinkind war, und der Vater reist ständig in der Welt umher, weil sein Beruf das so verlangt. So blieb ihm nur das Kindermädchen Giselle aus Haiti, das sich um ihn kümmert.

Erst Matt und die exzentrische Miss Manderby, die als Vorleserin engagiert wurde, lenken Ivans Leben in neue Bahnen. In den Ferien darf er mit den beiden nach Florida reisen. Dort lernt er die gleichaltrige Geneva kennen, ein Mädchen, das in und mit der Natur lebt, mit einem Boot über den Fluss zur Schule fährt und keine Angst vor Schlangen hat.

Am Ende der Reise ist Ivan nicht nur ein wenig älter, sondern auch reifer geworden.

Die Autorin Paula Fox ist eine der großen Stimmen der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Um so mehr verwundert es, dass dieses Buch stellenweise dahingeschludert wirkt, der einfache Stil literarische Tiefe vermissen lässt. Vielleicht liegt das aber auch nur an der deutschen Übersetzung. Dann wäre es sicher besser, das Buch im Original zu lesen. (-rr-)

Der Sieger bei den Jugendbüchern lautet:



Meg Rosoff

was wäre wenn


Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit

Carlsen Verlag

ISBN 978-3-551-58139-6

14.00 (D), 14.40 (A), sFr 25.90

Ab 14

Was Wäre wenn?

Jeden Moment kann es geschehen! Das geht David durch den Kopf, als er seinen kleinen Bruder nur knapp vor einem womöglich tödlichen Fenstersturz bewahrt. Um sich dem Schicksal zu entziehen, versucht er sich zu verstecken, ändert seinen Namen in Justin Case (Wenn man es langsam ausspricht, kann man es als Just in case = Nur für den Fall ... verstehen).

Er läuft von zu Hause weg und beginnt z ulaufen, immer schneller und schneller, bis er seinen Windhund Boy niemals einholt aber der existiert auch nur in Justins Kopf. Nach und nach wrid Justin immer verwirrter.

Das Buch ist eine Herausforderung. Wegen der Geschichte und Sprache ist es nicht immer einfach zu lesen, und es ist natürlich komplett ausgedacht. Dennoch spielt die Autorin gekonnt mit dem Wechsel zwischen Wirklichkeit und Fantasie und zeigt mit warmem Humor die Ängste eines jungen Teenagers auf. Wer sich davon nicht abschrecken lässt und kein Problem damit hat, dass auch noch das Schicksal das Wort ergreift, wird an dem Buch seine Freude haben.

-jj-

Und in der Sparte Sachbuch siegte:


Andres Veiel

Der Kick

Ein Lehrstück über Gewalt

DVA


ISBN 978-3-421-04213-2

14.95 (D), 15.40 (A), sFr 27.50

Ab 14

Am 12. Juli 2002 wird der 16-jährige Marinus Schöberl mit einem Bordsteinkick getötet, nachdem er vorher stundenlang von drei Kumpels misshandelt wurde. Die Tat geschieht in dem kleinen Dorf Potzlow in Brandenburg. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands gibt es für die Menschen hier und besonders für Jugendliche wenig Perspektiven. Sie brechen ihre Ausbildungen ab, werden straffällig und wenden sich oft rechtsextremen Gruppen zu, um irgendwo mit dabei zu sein und sich in der Gruppe stark fühlen zu können.

Die Täter Marco und Marcel Schönfeld und Sebastian Fink waren alle drei in der rechtsextremen Szene. Sie hatten schon mehrere Ausbildungen und Berufsvorbereitungen abgebrochen und waren zum Teil bereits einige Male verurteilt worden. Nach der schrecklichen Tat, die unter starkem Alkoholeinfluss und ohne bestimmten Grund oder Abneigung gegenüber Marinus Schöberl begangen wurde, wurden die Mörder verurteilt. Sebastian Fink erhielt eine Jugendstrafe von 2 Jahren. Der Haupttäter Marcel Schönfeld wurde für 8,5 Jahre nach dem Jugendstrafrecht verurteilt und sein Bruder Marco musste für 15 Jahre ins Gefängnis.

Erschreckend bis ins letzte Detail wird die Tat im Buch geschildert. Dabei werden vor allem Interviews der Beteiligten sowie der Eltern, der Freunde und der Dorfbewohner herangezogen, um das Verbrechen aus allen Blickwinkeln zu beleuchten. Das Buch soll weder die Tat verharmlosen, noch die Täter in Schutz nehmen, sondern vielmehr dazu beitragen, dass die Ursachen von Gewalt von Jugendlichen besser begriffen werden. Das Buch basiert auf einem Theaterstück bzw. auf einem Film von Andres Veiel und der Stil erinnert oft sehr an eine Dokumentation und ist wegen verschiedener Fachbegriffe nicht immer leicht verständlich. Ich finde, da das Buch nicht nur einfache Kost enthält, sollte man mindestens 15 Jahre alt sein, ehe man es liest.

- Jan Wrede -

 

Die Jugendjury kürte folgendes Buch:


 

Marie-Aude Murail

Simpel

Aus dem Französischen von Tobias Scheffel

Fischer Schatzinsel

ISBN 978-3-596-85207-9

13.90 (D), 14.30 (A), sFr 25.60

Ab 13

Simpel spielt gern mit Playmobil und er spricht mit seinem Stoffhasen. Er ist 21 Jahre alt und geistig behindert. Sein Bruder Colbert ist 17 und sucht mit ihm zusammen eine Wohnung in Paris, wo Colbert die Abschlussklasse eines Gymnasiums besuchen möchte. Sie kommen in einer Studenten-WG unter.

Für alle ist das Zusammenleben mit einem Behinderten, der auf dem geistigen Niveau eines Dreijährigen ist, ungewohnt, herausfordernd und alles andere als simpel. Es entstehen allerhand Verwicklungen aber vor allem muss jeder im Umgang mit Simpel sein wahres Gesicht zeigen.

Auch wenn das echte Leben mit einem geistig behinderten Bruder sicher etwas anders verläuft als im Roman, so gelingt es der Autorin doch, ein sehr anschauliches Bild von Colberts Alltag zu zeichnen, der sich so grundlegend von dem seiner Klassenkameraden unterscheidet.

Und schließlich kommt man auch als Leser nicht umhin, seine eigenen Vorurteile kritisch unter die Lupe zu nehmen. Ein wundervoll warmherziges und gleichzeitig amüsantes Buch. Sehr empfehlenswert. (-lm-)

Text: 18.10.08; Cover: Die jeweiligen Verlage; Plakat Jugendliteraturpreis: avj.


Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt