Die Gruppe 47 vor 60 Jahren gegründet

Vor 60 Jahren, im September 1947 trafen sich erstmals eine Reihe Schriftsteller auf die Einladung ihres Kollegen Hans Werner Richter um sich gegenseitig aus ihren Werken vorzulesen. Sie nannten sich Gruppe 47 und wurden innerhalb der 20 Jahre ihres Bestehens ein wichtiger Faktor des deutschen Literaturbetriebs.

Dabei handelte es sich immer um einen lockeren Zusammenschluss. Die Gruppe 47 war kein Verein, es gab keine Satzung und keinen Vorstand. Zu den Treffen lud immer der 1908 geborene Schriftsteller Hans Werner Richter ein. Ziel der jährlich (zeitweise auch halbjährlich) stattfindendenen Zusammenkünfte war es, sich gegenseitig aus unveröffentlicheten Manuskripten vorzulesen, einander zu kritisieren und damit die Arbeit der anderen zu unterstützen.

Literarischer Neuanfang

Gleichzeitig wollten die Autoren, die während des Dritten Reiches weitgehend Schreibverbot hatten oder verfolgt wurden, den demokratischen Neuanfang der westdeutschen Gesellschaft unterstützen. Die Nationalsozialisten hatten Literatur und Sprache für ihre Propaganda-Zwecke missbraucht. Um den Neuanfang auch sprachlich deutlich zu machen, sollten die Werke der Nachkriegszeit von sprachlicher Einfachheit und sachlicher Wahrhaftigkeit geprägt sein so die Zielsetzung der Gruppe 47.

Die ersten Jahre

Man trifft sich in einem Gasthaus oder einfach bei einem Mitglied zu Hause. Wer möchte, liest aus einem noch unveröffentlichten, manchmal sogar noch unfertigen Werk vor. Die Schriftstellerkollegen sind damit die ersten Hörer neuer Romane, Kurzgeschichten, Dramen und Gedichte. Gleich nach dem Vortrag äußern sie ihre Meinung zum Gehörten. Der Autor selbst darf die Kritik nicht kommentieren so lautet die Regel.

Für viele sind die Zusammenkünfte Ansporn, weiter zu machen, einige Jungautoren hören nach vernichtenden Kritiken auch mit dem Schreiben auf. Hans Werner Richter hält das für einen wichtigen Nebeneffekt ihrer Treffen: schlechte Literatur zu verhindern.

Die Gruppe wird berühmt

Rechts: Heinrich Böll Denkmal in Berlin.

In den 50er und frühen 60er Jahren wird die Gruppe 47 immer bekannter. Zu ihren berühmtesten Mitgliedern dieser Zeit zählen Heinrich Böll, Ingeborg Bachmann (Die gestundete Zeit, 1953), Günter Eich und Martin Walser (Ehen in Philippsburg, 1957), Hans Magnus Enzensberger, Günter Grass (Die Blechtrommel, 1959), Wolfgang Hildesheimer, Siegried Lenz (So zärtlich war Suleyken, 1955), Uwe Johnson (Mutmaßungen über Jakob, 1959) und Peter Weiss (Die Ermittlung 1965).

Links: Günter Grass

Doch nicht nur einzelne Autoren feiern Erfolge, auch die Treffen werden zum Magnet für professionelle Literaturkritiker und Verleger. Die Verleger suchen nach neuen Autoren. Wer gute Kritiken erhält, hat die besten Chancen auf einen Vertrag. Vom Treff unter Gleichgesinnten wandelt sich die Gruppe zu einem Geschäftsmeeting.

Aber auch für die Gesellschaft der Bundesrepublik spielt die Gruppe 47 eine wichtige Rolle. So unterschiedlich die literarischen Werke ihrer Mitglieder auch sind: die meisten spiegeln eine Auseinandersetzung mit dem Leben der Kriegs- und Nachkriegszeit und halten der Gesellschaft einen Spiegel vor.

Die Gruppe zerfällt

In den Jahren von 1964 bis 1967 treten immer mehr interne Schwierigkeiten zu Tage. Die jungen, neu hinzukommenden Dichter finden die Ansichten der Gründergeneration verknöchert. Die Jungen wollen eine neue Gesellschaft erfinden, die Alten wollen lediglich die bestehende verbessern.

Politische Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gruppe werden deutlich. Während in den Anfangsjahren Übereinstimmung darüber herrschte, wogegen man war (= Nationalsozialismus) und wofür man sich einsetzte ( =demokratischer Neuanfang in der Gesellschaft), klaffen nun die Ansichten deutlich auseinander.

Die direkte politische Einmischung ist in den ungeschriebenen Gesetzen der Gruppe nicht vorgesehen. In dieser Zeit wird sie jedoch unvermeidlich, will man seine Bedeutung nicht verlieren.

Kein Revival

Beim vorerst letzten Treffen 1967 löst sich die Gruppe zwar nicht auf, aber Hans Werner Richter erkennt die Zeichen der Zeit und verschickt in den kommenden Jahren einfach keine Einladungen mehr. Stillschweigend endet damit die aktive Zeit der Gruppe 47, auch wenn viele ihrer Mitglieder weiterhin erfolgreich publizieren.



Es gab zwar weitere Zusammenkünfte, so 1977 zur Begräbnistagung, und 1990 zu einem Wiedersehen. Doch ist ein Wiederaufleben der alten Tradition nicht geplant, obwohl Günter Grass 2005 eine neue Gruppe, die sogenannte Lübeck 05 mit jungen Autoren wie Katja Lange-Müller, Benjamin Lebert, Eva Menasse und Burkhard Spinnen ins Leben rief.

Text: lm 10.09.07, Fotos: Böll, Grass, Handke: Wikipedia, Buchcover: Kiepenheuer und Witsch Verlag.

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