Das Unwort 2003: "Tätervolk"

Das Unwort des Jahres 2003 heißt ´Tätervolk´. In der Begründung der bei der Frankfurter Goethe-Universität angesiedelten unabhängigen Jury hieß es, der Begriff sei schon grundsätzlich verwerflich, da er ein ganzes Volk für die Taten einer bestimmten Gruppe verantwortlich mache, erklärte der Jury-Sprecher Prof. Horst Dieter Schlosser von der Frankfurter Uni.

Der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann hatte als CDU-Parlamentarier diesen Ausdruck in einer Rede zum 3. Oktober benutzt, die als antisemitisch, also gegen das jüdische Volk, kritisiert wurde. Hohmann wurde aufgrund seiner Äußerungen später aus der Partei ausgeschlossen. Die Verbindung des Begriffs mit jüdischer Bevölkerung ist aus Sicht der Jury "ein aktueller Beleg für den immer noch wirkenden Antisemitismus".

Die Vorschläge und die Jury

2215 Zuschriften hat die Frankfurter Goethe Universität, die für das Unwort des Jahres verantwortlich ist, erhalten. Jeder der Lust hat kann mit einer Mail oder einem Brief an die Goethe Universität Frankfurt mitmachen. 2003 wurden 1169 verschiedene Vorschläge gemacht. Welcher der eingereichten Begriffe das Rennen macht, hängt aber nicht davon ab, wie oft ein Begriff genannt wurde. Vielmehr entscheidet eine unabhängige Jury darüber, welches Wort gewinnt. Diese Jury besteht zum einen aus vier ständigen Mitgliedern, allesamt Sprachwissenschaftler und zwei Vertretern, deren Arbeit viel mit Sprache zu tun hat und die jedes Jahr wechseln. In diesem Jahr sind das Reinhold Beckmann, der ARD-Moderator und der Vorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller, Prof. Dr. Fred Breinersdorf.


Mögliche Kandidaten:

Zum Unwort des Jahres werden Begriffe, die häufig von Politikern, Wissenschaftlern oder auch Journalisten, in der Wirtschaft, der Technik oder den Kultureinrichtungen über ein Jahr gebraucht werden, aber oft gar nicht mehr das bedeuten oder eben beinhalten für das sie ursprünglich einmal standen. Es sind aber auch Wörter, die im entsprechenden Jahr ständig in aller Munde sind.

2003 war Reform und die verschiedensten Abwandlungen davon, wie Gesundheitsreform, Hartzreform oder Steuerreform sehr oft unter den Einsendungen. Außerdem auch die Bezeichnung Abweichler, für unbequeme Abgeordnete oder Angebotsoptimierung. Mit diesem Begriff, der eigentlich Gutes verheißt, bezeichnete die Deutsche Bahn die geplanten Streckenstilllegungen.

Wann kann ein Wort zum Unwort werden?

Zu Unworten werden vor allem auch Begriffe, die jemand benutzt um eine Sachlage schön zu reden und damit die wahren Inhalte oder Konsequenzen zu verschleiern. Die Frankfurter Goethe Universität, die diese Wahl in diesem Jahr zum 13. Mal durchführt, erklärt die Merkmale von Unworten so: Das sind sprachliche Missgriffe in der öffentlichen Kommunikation, die sachlich grob unangemessen sind und möglicherweise sogar die Menschenwürde verletzen.

Die bisherigen «Unwörter des Jahres» waren:

"Ich-AG" (2002), "Gotteskrieger" (2001), "National befreite Zonen" (2000), "Kollateralschaden" (1999), "Sozialverträgliches Frühableben" (1998), "Wohlstandsmüll" (1997), "Rentnerschwemme" (1996), "Diätenanpassung" (1995), "Peanuts" (1994), "Überfremdung" (1993), "Ethnische Säuberungen" (1992) und "Ausländerfrei" (1991).

Im Jahr 2000 wurde das Wort "Menschenmaterial" als "Jahrhundert-Unwort" gekürt.

Wenn ihr 2004 auch einen Vorschlag einreichen möchtet, dann könnt ihr euch auf der Internetseite http://www.unwortdesjahres.org informieren.

-ab-20.01.2004 Text

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