Jens Lehmann: "Tarzan" will es nochmal beweisen

Als Elfmeterkiller gefürchtet, als Herrscher des Straftraums verehrt: So lieben die Fans Jens Lehmann. Dass der 38-jährige noch einmal als Nummer 1 das deutsche Tor hüten würde, war für den Keeper des FC Arsenal gar nicht so sicher, denn bei seinem Verein hat er kaum gespielt. Und nachdem Oliver Kahn nach der WM aufgehört hat, wird er jetzt von jüngeren Torhütern gejagt: René Adler und Robert Emke sitzen ihm im Nacken!



Löw vertraut zunächst auf Lehmann

Das liegt daran, dass der Essener über die größte internationale Erfahrung verfügt und Löw ihn von der WM sehr gut kennt. Lehmann passt auch in die Spielstrategie des neuen Trainers Jogi Löw, auch wenn er sich in dieser Saison bei Arsenal kaum beweisen konnte und sich schon lange Abwanderungsgerüchte halten.

Doch Lehmann hat einige Stärken, von denen auch Jogi Löw überzeugt ist: Er kann die Abwehr perfekt dirigieren, knifflige Spielzüge vor dem Tor einschätzen und durch weitsichtige Abschläge den nächsten Angriff vorbereiten. Ihm ist es sogar als einzigem Torwart in der Bundesliga einmal gelungen aus dem Tor heraus ein Spiel zu erzielen. Mit dieser Spielweise ist er ein ideales Vorbild für den neuen 2. Torwart, René Adler, der auch auf dem Weg ist ein ganz großer mitspielender Torhüter zu werden.



Umstritten




Auf dem Platz ist der Lockenkopf allerdings keine unumstrittene Spielerpersönlichkeiten. Schon mehrfach hat er durch unsportliches Verhalten eine Verwarnung oder sogar einen Platzverweis kassiert. Ähnlich wie sein Gegenspieler Kahn, der zuweilen zu hitzigen Ausbrüchen neigt, gilt Lehmann als extrem emotional. Gerade in jungen Jahren hat er sich nicht immer beliebt gemacht. Sogar die eigenen Fans haben ihn zuweilen für unfaire Aktionen ausgebuht. 



Hitzkopf




Auch innerhalb des Teams kann Jens Lehmann Kritik nur schwer ertragen: Als er einmal während eines Bundesligaspiels wegen schlechter Leistung  ausgewechselt wurde, reagierte der damalige Keeper von Schalke 04  mit einem Wutausbruch: Er verließ nicht nur das Stadion, sondern machte sich noch während der Partie mit der Straßenbahn davon.

Drei Länder - drei Meistertitel




Doch nur mit Ehrgeiz und Hartnäckigkeit hat es Jens Lehmann an die Spitze geschafft. Wahrscheinlich muss man - wie Oliver Kahn sagt - verrückt sein, damit man sich überhaupt in den Kasten stellt und das ungeheuer anstrengende Training über sich ergehen lässt. Seine zahlreichen sportlichen Erfolge sprechen auf jeden Fall für Lehmann. Keinem deutschen Nationalspieler vor ihm ist es gelungen drei Meistertitel in drei verschiedene Ländern (Deutschland, Italien, England) zu gewinnen. Mit Arsenal schaffte er eine ganz bemerkenswerte Leistung: Eine ganze Saison (2003/2004) gab es für den Klub keine einzige Niederlage, Lehmann blieb also 38 Spiele ungeschlagen. In der Champions-League dann ein weiterer Rekord: 767 Minuten ohne Gegentor!

Stürmer und Torwart




Als Lehmann noch hobbymäßig kickte, hätte ihm wohl kaum jemand zugetraut, dass er mal ein derartiger Spitzentorwart werden würde. Viele Jahre spielte der 1,90 große Hüne nämlich ganz flexibel als Stürmer oder Torwart, zunächst bei seinem Heimatverein DJK Heisingen, später bei Schwarz-Weiß Essen. Erst in der B-Jugend fiel schließlich die Entscheidung für den Torwartposten.

Studium trotz Profikarriere

Neben seiner Karriere als Fußballprofi, die im Alter von 17 Jahren bei Schalke 04 begann, hat Lehmann immer auch eine umfassende Ausbildung angestrebt. Während seiner ersten Bundesligasaison "baute" er sein Abitur und studierte in den folgenden sieben Jahren Volkswirtschaft an der Fachhochschule Münster. Studium und Sport ließen sich deshalb so gut kombinieren, weil der Torwart seine ersten zehn Jahre als Berufsfußballer in Gelsenkirchen zubrachte.

Glückssträhne

Im Alter von 28 Jahren zog es Lehmann dann ins Ausland. Mit dem AC Milan konnte er zwar zwei Titel holen, aber seinen Stammplatz als Torwart nicht sichern. Frustriert kehrte er 1999 nach Deutschland zurück, wo er vier Jahre in Dortmund verpflichtet wurde. Mit den "Borussen" erkämpfte sich der Vater von drei Kindern 2002 den Deutschen Meistertitel. 2003/2004 ging Lehmanns Glückssträhne beim FC Arsenal weiter. Hier klappte es auf Anhieb mit dem Titel in der Premier League.      



Steigerung bei der WM 

Die Frage, ob Jens Lehmann oder Oliver Kahn im Tor bei der WM stehen solle, beschäftigte 2006 eine ganze Nation. Klinsmann entschied sich für Lehmann und der rechtfertigte mit seiner Leistung im Achtelfinale gegen Argentinien das Vertrauen seines Trainers. Im entscheidenden Elfmeterschießen hielt er zwei der argentinischen Schüsse - Deutschland stand im Halbfinale.

Vor dem Elfmeterschießen kam es zu der Szene, die Fußballfans wohl nie vergessen werden: Oliver Kahn, der ewige Konkurrent von Lehmann, ging vor dem Elfmeterschießen zu seinem persönlichen Kontrahenten, um ihm Glück zu wünschen. Durch diese versöhnliche Geste und die gute Leistung gewannen an diesem Tag beide an Sympathie.

Adler im Nacken

Auch bei der EM 2008 wurde Lehmann als Nr. 1 nominiert, aber ihm fehlt viel Spielpraxis. Bei arsenal saß er zuletzt viel auf der Bank und war unzufrieden. Im Trainingslager wird sich zeigen, wer der beste der aufgestellten Keeper ist. Nach Lehmann ergatterte der Leverkusener René Adler die Nummer 2 und warf damit Timo Hildebrand aus dem Rennen. Als dritter Keeper darf Roland Enke von Hannover 96 seine Qualitäten unter Beweis stellen. Man wird sehen, wer dann am Ende die Nase vorn hat.


Nic -ab- 23.5.2008 / Fotos: DFB

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