Korallen im Nordmeer

Denkt man an Korallen, kommen einem weiße Südseestrände, blaues Meer und Kokospalmen in den Sinn Urlaubsidylle pur. Doch Professor André Freiwald von der Universität Erlangen-Nürnberg hat Korallen im Nordmeer gefunden. Wie er diesen dort unvermuteten Meerestieren auf die Spur kam, erfahrt ihr hier ...

Was sind Korallen?

Korallen sind ein Zusammenschluss vieler so genannter Polypen. Polypen werden auch Hohltiere genannt, weil sie einen röhrenartigen hohlen Körper haben. An der Oberseite sitzen Tentakeln, mit denen sie sich Wasser und darin enthaltene Nahrung in die Mundöffnung strudeln.

Das klassische bunte Korallenriff besteht aus unzähligen solcher kleinen Polypen, in der Fachsprache auch Kolonie genannt. Wirklich lebendig ist nur die oberste Schicht, darunter liegt harter Kalk, den die Polypen ausscheiden und mit dem sie sich auf dem Untergrund verankern. Er kann viele Formen annehmen, so wie hier bei der Gehirnkoralle. Viele Polypen in den Tropen sind bunt gefärbt, so dass man tropische Korallenriffe für Unterwasserpflanzen halten könnte. Deshalb zählen Korallen auch zu den so genannten Blumentieren (Anthozoa).

Alte Aufzeichnungen bergen Überraschung

Bislang war die vorherrschende Meinung unter Experten, dass Korallen nur in warmen, tropischen Gewässern vorkommen würden. Doch Professor André Freiwald Institut für Paläontologie (Wissenschaft ausgestorbener Lebewesen) von der Universität Erlangen-Nürnberg fand in Aufzeichnungen des norwegischen Biologen Carl Dons vom Anfang des 20. Jahrhunderts Hinweise auf Korallen im Nordmeer.

Ergiebiges Hobby


Professor Freiwald mit einem Korallenstock (Lophelia Pertusa) Foto: Hissmann, IFM-Geomar, Kiel

Die Notizen Dons schlummerten lange Zeit unbeachtet im Archiv, bis Professor Freiwald sie entdeckte. Denn eins seiner Hobbys ist das Forschen in alten Aufzeichnungen und Archivtexten. Als Professor Freiwald auf einer dreiwöchigen Expedition mit dem Forschungsschiff Poseidon zufällig in der Nähe eines von Dons beschriebenen Seegebietes unterwegs war, nahm er sich die Freiheit, auf eigene Faust mit Hilfe einer Unterwasserkamera zu suchen. Prompt wurde das Team fündig.

Schließlich wurde auch ein Tauchroboter zu Wasser gelassen, mit dem man Proben nahm und der Fotos und Filme der bis dato unbekannten Korallenarten an die Oberfläche brachte. Mittlerweile hat Professor Freiwald einiges über die Korallen in Erfahrung gebracht.


Eine Steinkrabbe (Lithodes maja) weidet Korallen ab. Foto: Hissmann, IFM-Geomar, Kiel

Gemeinsam ist man stark

Warmwasserkorallen leben zum Teil mit Bakterien zusammen, die wie Pflanzen Photosynthese betrieben. Das heißt, sie wandeln das Sonnenlicht in Energie und Nahrung um. Die Bakterien teilen diese Energie mit den Korallen, die ihnen dafür einen geschützten Lebensraum bieten. Das liegt daran, dass das Wasser  in den Tropen eher nährstoffarm ist. Weil beide Partner etwas davon haben, nennt man eine solche Gemeinschaft Symbiose. Und weil die Bakterien in und auf den Korallen leben, nennt man sie auch Endosymbionten.


Zwei unterschiedlich gefärbte Korallen der gleichen Art (Lophelia pertusa). Foto: Hissmann, IFM-Geomar, Kiel

Räuberische Polypen

Im kalten und dunklen Wasser des Nordmeeres ist Photosynthese nicht möglich.  Deshalb ernähren sich die Eiskorallen ausschließlich von im Wasser treibendem Zoo- und Phytoplankton. Das sind winzige Tierchen und Algen, die im Wasser treiben. Die Korallenpolypen filtrieren das Meerwasser und nehmen dabei diese Nährstoffe auf.

Dieses nährstoffreiche Wasser findet sich besonders an Erhebungen am Meeresboden, wo verschiedene Strömungen zusammentreffen, also an sogenannten Unterwasserschwellen und Moränenrücken.


Ein sechs Meter langes Schwerelot wird an Bord geholt. Damit holt man Bodenproben vom Meeresgrund, so genannte Sedimente. Mehr dazu erfährst du, wenn du unten auf den WAS IST WAS-Band 32: Meereskunde klickst. Foto: Freiwald, IPAL-Erlangen

Gefährdete Umwelt

Aber dieser einmalige Lebensraum ist gefährdet. Besonders die ausgedehnte Schleppnetzfischerei hat schon ganze Riffe zerstört. Dabei werden schwere Bodenschleppnetze über den Grund gezogen, die buchstäblich alles abrasieren, was ihnen in die Quere kommt.

Und die Klimaerwärmung tut ihr übriges: Zum einen ertragen die Korallen nur bestimmte Temperaturen. Wird es zu warm, sterben sie ab. Außerdem verändert die steigende Wassertemperatur auch die chemische Zusammensetzung des Wassers, was sich wiederum negativ auf die Korallen auswirkt. Man kennt man das Phänomen der Korallenbleiche. Dabei sterben die bunten Polypen ab und zurück bleibt das weiße Kalkskelett.

Übrigens:

Das Gegenteil eines Symbionten ist ein Parasit. Der profitiert nur einseitig von der Besiedelung eines Wirts. Im besten Fall wird der Wirt nicht gestört, im schlimmsten Fall führt der Befall mit Parasiten zum Tod. Würmer oder Läuse wären Bespiele für Parasiten, die auch den Menschen befallen können.

Es gibt auch an Land "Eiskorallen". Das ist aber nur die volkstümliche Bezeichnung für den Pilz des Jahres 2006, den Ästigen Stachelbart.

Wenn dich das Meer und dessen Erforschung interessiert, dann wirf doch auch mal einen Blick in unseren WAS IST WAS-Band 32: Meereskunde

Text: -jj- 14.3.2007 // Bilder: Nordmeer: Daf-de/PD; Pilz: Sicherlich/GFDL; Hirnkoralle: Janderk/PD

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt