Intelligenztests für Kolkraben Logik oder Instinkt?

Raben gehören zu den klügsten Vögeln und speziell Kolkraben gelten wegen ihrer verspielten Art als besonders schlau. Doch wo hört der Instinkt auf und wo beginnt logisches Denken? Mit Intelligenztests für Raben hat man versucht, Antworten auf diese Fragen zu erhalten.



Raben gehören zu den klügsten Vögeln. Speziell Kolkraben gelten wegen ihrer verspielten Art als besonders schlau. Die schwarzen, etwa 60 Zentimeter großen Tiere sind die größten Singvögel der Welt und kommen in Wäldern, Gebirgen und Küsten Europas, Nordamerikas und Nordostasiens vor. Doch wo hört bei diesen Tieren der Instinkt auf und wo beginnt logisches Denken? In einer Studie hat man mit verschiedenen Intelligenztests versucht Antworten auf diese Fragen zu erhalten.

Das Essen an der Schnur

Im ersten Versuch wird an die Sitzstange der Kolkraben eine Schnur, an deren Ende ein Stück Fleisch hängt, gebunden. Die einzige Möglichkeit für die Raben an das Futter zu kommen ist, die Schnur ein Stück hochzuziehen, festzuhalten und weiterzuziehen. Die meisten Vögel beobachten die Situation einige Zeit, ehe sie dann in kürzester Zeit das Fleisch nach oben befördert haben.

Dies zeigt, dass Raben nicht nur nach dem Versuch-und-Irrtums-Prinzip solche Probleme lösen können, sondern dass sie in der Lage sind, sich ihre Handlungen vorher zu überlegen und deren Folgen zu erkennen. Sie stellen sich Abläufe vor und handeln dann nach der besten Möglichkeit.

Futter an der Schnur für Fortgeschrittene

Wieder wird die Schnur mit dem Fleisch an der Stange befestigt, allerdings wird der Faden diesmal über eine hoch liegende Schiene geführt. Nun müssen die Raben die Schnur nach unten ziehen, damit das Futter zu ihnen kommt also in die logisch gesehen falsche Richtung. Bei diesem Versuch kommt keiner der Vögel auf die Lösung, obwohl sie sich damit auseinandersetzen und herumprobieren. Offenbar ist hier ihr logisches Vermögen überfordert.

Erfahrungen mit Plünderern

Im nächsten Test befinden sich die Vögel in einer Voliere. Wenn sich Kolkraben etwas zu fressen ergattert haben, verstecken sie es, damit ihnen kein anderer die Beute streitig macht. Nun kommt eine Zeit lang immer ein Mitarbeiter des Forscherteams und plündert die Verstecke. Ein weiterer Mitarbeiter durchsucht diese zwar, nimmt aber nichts heraus.

Nachdem die Vögel das oft gesehen haben, geht der Plünderer in die Voliere, tut aber nichts. Man kann erkennen, dass sich die Tiere nun viel mehr Zeit lassen, ihre Beute zu verstecken, so als warteten sie auf einen Moment, in dem der Plünderer sie nicht beobachtet.

Ist der andere Mitarbeiter, der nichts genommen hat, im Gehege, stören sich die Tiere überhaupt nicht an ihm und verstecken die Beute in normaler Geschwindigkeit. Daran sieht man, dass sie zwischen einzelnen Personen Unterschiede machen und dass sie Reaktion anderer voraussehen können



Hinterm Vorhang

Nun sitzen zwei Raben in separaten Käfigen, während ein dritter vor ihnen etwas versteckt. Einer der beiden hat einen Vorhang vor seinem Käfig, der andere kann den dritten beobachten. Nachdem das Futter versteckt wurde, werden die beiden freigelassen. Kommt nun der Vogel in die Nähe des Verstecks, der hinter dem Vorhang gesessen hat, bleibt der dritte ganz ruhig und kümmert sich nicht um ihn. Begibt sich das Tier, das beobachten konnte zum Versteck, verscheucht ihn der dritte Rabe. Das zeigt, dass er weiß, wer ihn alles beobachten konnte.



Konkurrenzkampf

Raben sind fast auf der gesamten Nordhalbkugel verbreitet.



Wieder sind zwei Raben in den Käfigen und ein dritter versteckt etwas. Zuerst können beide sehen, wo das Futter hingeschafft wird, beim zweiten Mal wird die Sicht des einen wieder durch den Vorhang verdeckt. Als sie beide Male freigelassen werden, beobachtet man völlig unterschiedliche Verhaltensweisen. Konnten beide das Versteck sehen, stürzen sie auf den Platz zu, da jeder vor dem anderen am Futter sein will. Konnte es ein Vogel nicht sehen, lässt sich der andere Rabe Zeit und wartet bis der unwissende sich abgewandt hat, damit er ihm das gefundene Futter nicht gleich wieder abjagen kann. Die Vögel sind sich also auch bewusst, wer von einem Versteck weiß.

Fazit

Die Versuche mit den Kolkraben haben gezeigt, dass manche Tiere nicht nur nach Instinkt oder auswendig gelernten Abläufen handeln, sondern durchaus in der Lage sind logische Folgerungen zu ziehen. Bei taktischen Aufgaben können sie ihre Konkurrenten nach dem einschätzen, was sie ihrer Erinnerung nach beobachtet haben.

Aber zugleich taktieren sie nach dem Dominanzstatus, das heißt, ein Rabe zeigt einem stärkeren Artgenossen nicht, wie er ein Versteck plündert, weil er weiß, dass dieser ihm die Beute wieder abjagen könnte. Diese Intelligenz hilft den Raben, sich im Konkurrenzkampf mit ihren Artgenossen oder anderen Tieren zu behaupten und die Nahrungssuche mit mehr Erfolg abzuschließen.

Wenn dich die Welt der Tiere interessiert, dann wirf doch auch mal einen Blick in unseren WAS IST WAS-Band 80: Tiere - wie sie sehen, hören und fühlen

08.08.2007; Text: Jan Wrede; Bilder: Wikipedia ; Grafiken: M.Jäger

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