Gibt es eine Stadt auf dem Meer?

Die Vision, dass Menschen auf oder unter dem Ozean leben könnten, kennen wir aus Zukunftsromanen und Filmen wie "Waterworld". Eine Künstler- und Forschergruppe will diese Vision mit einem ambitionierten Projekt verwirklichen. Es nennt sich "Open Sailing" und steht für freies Leben auf dem offenen Meer.

Die Erde ist ein blauer Planet, das kannst du gut sehen, wenn du einen Globus betrachtest. Nur ein Viertel unseres Planeten ist von Land bedeckt - der Rest sind Meere und Ozeane.

Der Mensch holt einen großen Teil seiner Nahrung in Form von Fischen aus dem Meer oder bohrt auf dem Meeresgrund nach Erdöl. Darüber hinaus werden bisher keine großen Anstrengungen unternommen, die Ozeane intensiv zu erforschen und nachhaltig für den Menschen nutzbar zu machen.

Unbekannte Welt der Ozeane

Jene Milliarden, die für Raumfahrtprojekte ausgegeben werden, wären auch für die Ozeane gut angelegt. Allerdings muss an dieser Stelle auch gesagt werden, dass die Weltraumforschung auch zur Beobachtung der Meere beiträgt und in den letzten Jahrzehnten viele neue Erkenntnisse über dieses Ökosystem gebracht hat.

Trotzdem ist die weite Welt unter Wasser noch weitgehend unbekannt. In der Tiefsee leben noch viele unbekannte Lebensformen, die so fremdartig erscheinen, als kämen sie von einem anderen Stern.

Liegt unsere Zukunft im Meer?

Das das Leben aus dem Wasser kommt, ist eine Grundlage der Evolutionstheorie.

Treten wir bald in eine Phase ein, in der wir auf das Meer zurückkehren?

In der Fernsehserie "Raumpatrouille" wurde die Vision von Städten auf dem Meeresgrund gezeigt, von denen aus sogar Raumschiffe ins Weltall starten können.

Im Film "Waterworld" leben die Menschen auf und mit dem Meer.

Open Sailing entwirft eine mögliche Lebensform der Zukunft: Untereinander vernetzte Ozean-Städte in Form von schwimmenden Plattformen sollen ihren Bewohnern alles bieten, was sie zum Leben brauchen: Essen, Energie, Unterhaltung und Wohnung.

Do-it-Yourself-Technologien als Problemlöser

Herausforderungen wie der Überbevölkerung, dem Klimawandel und den Energiekonflikten will Open Sailing mit Do-it-Yourself-Technologien begegnen ein sehr ehrgeiziges Ziel.

Dabei wird das Wort "Open" im Namen sehr ernst genommen. Jeder Mensch kann an der Entwicklung des Projektes mitarbeiten, das in der Form eines virtuellen offenen Raumes gehalten ist.

Das bedeutet, dass alle Erfindungen, Techniken und Verfahren, die im Laufe des Projekts entwickelt werden, als Open-Source-Techniken der ganzen Menschheit zur Verfügung gestellt werden müssen.

Ein Schiff wie eine Qualle

Eine dieser Entwicklungen ist ein völlig neues Schiffskonzept, das die Visionäre  "Instinctive_Architecture" nennen. Es besteht aus unterschiedlichen Modulen, die sich wie ein großes Lebewesen verhalten und sich je nach Wetterlage ausbreiten oder zusammenziehen. Dank intelligenter Navigations-Software ziehen sie sich bei Sturm und schlechtem Wetter zusammen und schützen sich, bei Schönwetter entfalten sie sich großflächig.


Die dazu benötigte Schwarmintelligenz haben sich die Forscher bei Quallen abgeschaut.


"Es unterscheidet sich vollkommen von normalen Booten, wo sich alles im Bootsinneren abspielt und konzentriert - bei unserer Station ist alles aufgesplittet und um das Boot rundherum angeordnet, also sehr viele Module", erklärt Cesar Harada, der die Idee zu Open Sailing hatte. Von ihm sind auch die Fotos zu diesem Artikel.

Ständig verfügbare Energie

Das Problem der  Energieerzeugung will das Team mit dem so genannten Energy_Animal" lösen. Das System macht gleichzeitig Sonnen- Wind und Wellenkraft nutzbar, um so bei jedem Wetter Energie liefern zu können.

Damit das funktioniert, arbeitet die Gruppe noch an der Entwicklung eines neuartigen Kabels. Dieses Life_Cable soll Energie-, Informations- und Wasserleitungen in einer seefesten Struktur vereinen.

Mobile Nahrungsgewinnung

Wer in einer Stadt wohnt, muss auch essen, und auf dem Meer gibt es keine Bauern, die säen, pflanzen und ernten können. Möglicherweise wird es irgendwann einmal den Meeresfarmer geben. Das Projekt arbeitet an der Umsetzung einer "nomadischen Aquakultur", die als bewegliches Ökosystem mit der "Stadt" über das Meer wandert und die Bewohner ständig mit Nahrung versorgt.

Schwimmende Forschungsplattform

Um diese neuen Ansätze entwickeln und testen können, soll die schwimmende Stadt gleichzeitig als Forschungs- und Entwicklungszentrum dienen. Scheinbar Unmögliches soll realisiert werden, das ist das wichtigste Ziel dieser Vision, die im Jahr 2009 auf der Ars Electronica in Linz der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Ob die Realisierung dieser kühnen Vision tatsächlich klappt, wird die Zukunft zeigen. Bis die erste Station auf die Reise geht, werden noch einige Jahre vergehen - wenn es überhaupt dazu kommt, denn noch klingt es wie ein schönes Märchen.

Aber auch Märchen sollen schon wahr geworden sein.



Wenn du mehr über die Ozeane und das komplexe Klimasystem der Erde wissen willst, dann wirf doch auch einen Blick in unseren WAS IT WAS-Band 125: Klima

Wenn dich ausgestorbene und bedrohte Tiere oder auch der Lebensraum Meer interessiert, dann wirf doch einen Blick in unseren WAS IST WAS-Band 56: Ausgestorbene und bedrohte Tiere oder in unseren WAS IST WAS-Band 85: Wale und Delphine


Text: RR, Stand 12. 4. 2010, Bilder: Cesar Harada/Open_Sailing.


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