Warum werfen Hirsche ihre Geweihe ab?

In der Zeit von Ende Februar bis April werfen männliche Hirsche ihre Geweih ab. Jedes Jahr um diese Zeit verlieren sie die verhornten Knochen auf ihrem Kopf, die mit dem Alter und Entwicklungszustand immer größer und schwerer werden. Innerhalb von 120 Tagen bildet sich ein neues Geweih, das meist größer ist als sein Vorgänger. Mehr über diesen seltsamen Vorgang und weitere Besonderheiten des Hirsches erfahrt ihr hier.

Rothirsche sind in Mitteleuropa die größten, frei lebenden Wildtiere. Ein männlicher Hirsch kann  100 bis 200 Kilogramm auf die Waage bringen und beeindruckt mit seinem riesigen Geweih, das allein vier bis fünf Kilogramm wiegt.

Doch gegen Ende des Winters, zwischen Ende Februar und April fällt das Prachtstück einfach so ab. Es hängt dann mitten im Wald an einem Busch oder Baum oder liegt auf dem Boden. Mitnehmen darf man eine solche Fundsache übrigens nicht sie ist nämlich Eigentum des Waidmannes, der in diesem Revier jagen darf.

In den vorausgehenden Wochen hatte sich eine Bruchstelle gebildet, an der das Geweih schließlich abgebrochen ist, entweder aufgrund seines Gewichtes oder weil das Tier damit an einem Baum hängen geblieben ist. Doch wozu dient das Geweih des Hirsches und wie entwickelt es sich im Lauf seines Lebens?

Vom Spießer zum Zwölfender

Foto: Spießer

Nur die männlichen Rothirsche tragen ein Geweih. Bereits in ihrem ersten Lebensjahr entwickeln sich aus dem Rosenstock, kurzen Fortsätzen an ihrem Stirnbein zwei Höcker mit Spießern, also noch nicht verzweigten Mini-Geweihen mit maximal 40 Zentimetern Länge. Ist der Junghirsch zwei Jahre alt, wirft er zum ersten Mal sein Geweih ab. Danach wächst sein erstes verzweigtes Gehörn, das Gabelgeweih.

Geweihentwicklung im Lauf der Jahre.

Von nun an wirft er jedes Jahr im Frühling die alten Stangen ab und ersetzt sie durch ein neues, meist größeres Geweih. Bis zum Alter von zwölf Jahren schafft er es so auf bis zu 20 Enden. Entsprechend wird er als Zwanzigender, bei weniger Verzweigungen etwa als Zwölfender oder Zehnender bezeichnet.

Man kann jedoch nicht direkt von der Zahl der Geweihenden auf das Alter des Hirsches schließen, denn auch Futter und Krankheiten beeinflussen dessen Entwicklung. So ist es durchaus möglich, dass das Tier mehrere Jahre hintereinander Geweihe mit gleicher Endenzahl trägt oder sogar zurücksetzt, also weniger Enden besitzt als im Vorjahr.

Im Sommer wird der Wald gefegt



Fotos: Am Hirschgeweih hängt Bast

Im Gegensatz zu den Hörnern von Schafen, Ziegen oder Rindern besteht das Geweih des Hirsches und seiner Verwandten aus Knochen. Diese sind von einer behaarten Basthaut überzogen, die den Knochen ernährt. Ist dieser fertig ausgebildet, schaben die Hirsch ihre Hörner an Bäumen um den Bast zu entfernen. In Fetzen hängt der Bast im Sommer an Geweih und Zweigen. In der Waidmannsprache nennt man diese Tätigkeit: abfegen. Im Winter bildet sich dann durch starke Durchblutung eine Bruchstelle am Ansatzpunkt des Gehörns, wo dieses im Frühjahr abgeht.

Störender Kopfputz

Foto: Kampf zweier männlicher Hirsche.

Doch wozu dient der umfangreiche Kopfschmuck eigentlich? Ein großes Geweih ist dem Hirsch insofern von Nutzen, als es ihn dazu befähigt, Rivalen durch Imponiergehabe und ritualisierte Kämpfe in die Flucht zu schlagen und zum sprichwörtlich bekannten Platzhirsch zu werden. So bezeichnet man ein Männchen, dem es gelingt, ein Rudel von Hirschkühen zur Paarung für sich zu gewinnen.

Abgesehen davon ist das Geweih jedoch eher unpraktisch, umso mehr, je größer es ist. Es kommt durchaus vor, dass Hirsche sich damit im Dickicht so stark verhaken, dass sie sich nicht mehr helfen können und verenden und auch ein gegenseitiges Hängenbleiben der Männchen beim Balzkampf wird berichtet.

Abwurf als Rätsel

Foto: Hirschkitz

Die alljährliche Ausbildung eines Geweihes ist sehr energieaufwändig. Warum macht sich die Natur so eine Mühe? Darüber sind sich Forscher bis heute nicht ganz im Klaren. Man vermutet, dass ein junger Hirsch körperlich noch nicht dazu in der Lage ist, ein großes Gehörn auszubilden.

Das gelingt ihm erst, wenn er mit sieben bis acht Jahren ausgewachsen ist. Doch warum auch danach jedes Jahr ein neues Geweih her muss, obwohl das alte noch ganz ansehnlich ist, bleibt ein Rätsel.

Reh und Hirsch

Foto rechts: So sieht ein Rehbock, also ein männliches Reh aus.

Übrigens: Hirsche und Rehe sind verschiedene Tierarten, die sich nicht untereinander paaren können. Hartnäckig hält sich nämlich das Gerücht, das Reh sei "die Frau vom Hirsch". Das stimmt nicht.

Die Deursche Wildtierstiftung setzt sich unter anderem mit solchen Plakaten dafür ein, dass wir unsere heimische Tierwelt wertschätzen und schützen. Wissenswertes darüber erfahrt ihr hier.

Mehr über Hirsch, Elch und Co. findet ihr auch im WAS IST WAS Band 13 Wilde Tiere.

Text: Liane Manseicher, 12.03.09; Fotos: Hirschkalb und Spießer: BS Thurner Hof: cc-by-sa: 3.0; Geweihentwicklung: pd; Bastfetzen: traroth: cc-by-sa, 2.0; Rehbock: Przykuta; alle übrigen: Tessloff Archiv.

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt