Kaum entdeckt, schon bedroht: Neues Säugetier auf Madagaskar

Ob tropischer Dschungel oder geheimnisvolle Tiefsee: Jedes Jahr gelingt es Biologen rund um den Erdball neue Tierarten aufzuspüren. Schätzungsweise bis zu 20.000 pro Jahr. Mit dem Durrell-Vontsira ist es britischen Forschern auf Madagaskar jetzt gelungen eine bislang unbekannte Raubtierart zu entdecken und wissenschaftlich zu beschreiben. Das gilt in Fachkreisen als kleine Sensation.



  Madagaskar ist bei den Biologen ein beliebtes Forschungsgebiet. Weil der zweitgrößte Inselstaat der Welt eine alte Insel ist, die schon lange geologisch vom afrikanischen Festland getrennt ist, entwickelte sich über Jahrtausende eine einzigartige Flora und Fauna. Mitten im Indischen Ozean leben Pflanzen und Tiere, die sonst nirgendwo auf der Welt vorkommen. Auch das Durrell-Vontsira, das die Forscher in den Feuchtgebieten um den Alaotra-See im Nordosten Madagaskars gefunden haben.


Messerscharfes Gebiss

Der pelzige Säuger wurde von seinen Entdeckern auf den lateinischen Namen Salanoia durrelli getauft, zu Ehren des Schriftstellers und Hobby-Zoologen Gerald Durrell. Der  Räuber wiegt etwas mehr als 500 Gramm, ist etwa katzengroß und mit einem braunen, getupften Fell, breiten Pfoten sowie einem kräftigen Gebiss ausgestattet. Damit knackt der haarige Sumpfbewohner bevorzugt kleine Krebs- und Weichtiere.


Mit Mungos und Erdmännchen verwandt


Der Durrell-Vontsira gehört zur Spezies der Mangusten. Das ist eine Säugetierfamilie, die zur Ordnung der Raubtiere, im Fachbegriff Carnivora, zählt. Sie umfasst 33 Arten, die in Afrika, dem südlichen Asien und Südeuropa verbreitet sind. Ihre bekanntesten Vertreter sind die Erdmännchen und die Mungos.   

  


Eine neue Tierart wird entdeckt - und dann?

Bereits 2004 war es Wissenschaftlern gelungen einen Durrell-Vontsira beim Schwimmen zu beobachten. Damals war man sich aber noch nicht sicher, ob es sich tatsächlich um eine neue Art handelt. Um das Tier wissenschaftlich zu  beschreiben vergingen deshalb Jahre. Zuerst einmal machten Experten Fotos und verglichen diese mit ähnlich aussehenden Säugern, die als ausgestopfte Präparate zum Bestand des Natural History Museum in London gehören.



Langwierige Untersuchungen

Um Gewissheit zu erlangen, reisten die Forscher 2005 erneut nach Madagaskar, wo es ihnen gelang eines der Tiere zu fangen. Es wurde genau untersucht und ihm wurden Blut- und Gewebeproben zur späteren Untersuchung entnommen. Außerdem wurde ein totes Exemplar gefunden, das zur Bestimmung ins Museum geschickt wurde. Inzwischen steht zweifelsfrei fest: es handelt sich um eine fleischfressende Säugetierart, die nur im Nordosten Madagaskars vorkommt.




Neue Säugetiere sind eine Sensation

Obwohl Tierforscher weltweit mit immer besseren Methoden arbeiten zum Beispiel Kameras mit Bewegungsmeldern werden neue Säugetierarten vergleichsweise selten gefunden. Vielfach sind es Insekten oder andere Kleinstlebewesen, deren Code mit Hilfe der Molekulargenetik entschlüsselt werden kann. Außerdem werden neue Tierarten selten gezielt gesucht. Vielmehr laufen sie Wissenschaftlern zufällig über den Weg, wenn diese ein bestimmtes Gebiet näher unter die Lupe nehmen.

Den Einheimischen meistens längst bekannt


Dabei ist es ein Trugschluss zu glauben, dass es sich bei neu entdeckten Tierarten um neue Tiere handelt. Rund 90 Prozent aller weltweiten Tierarten gibt es schon seit Jahrtausenden. Die Forscher haben sie bisher einfach nicht genau angesehen. Nur die einheimischen Jäger kennen die meisten Lebewesen und haben auch umgangssprachliche Namen für sie. Nur, dass man sie nicht im Lexikon nachschlagen kann, weil sie eben noch nicht beschreiben sind.


Lebensraum bedroht

Durrell-Vontsira teilt das Schicksal fast aller neu entdeckten Tierarten. Schon bei ihrer Entdeckung sind sie ein Fall für die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere. Wenn die Menschen auf Madagaskar weiterhin so unsensibel mit ihrer Natur umgehen, stehen sie Überlebenschancen für das Durrell-Vonstira nicht gut.


Raubbau an der Natur


Nicht nur, dass bisher lediglich zwei Exemplare in freier Wildbahn gesichtet wurden. Die Durrell-Vontsira sind weltweit die Raubtiere mit dem kleinsten Verbreitungsgebiet. Und das ist gerade dabei zerstört zu werden. Die umliegenden Wälder werden abgeholzt, um Platz für intensive Landwirtschaft zu schaffen, die noch dazu mit giftigen Insektenbekämpfungsmitteln arbeitet. Durch die starke Befischung der Feuchtgebiete wird ebenfalls in den Lebensraum der pelzigen Sumpfbewohner eingegriffen.

Nic 11.11.2010 / Abbildung: Public Domain, Foto © Durrell Wildlife Conservation Trust



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