Die gemeine Wegwarte Blume des Jahres 2009

Man nennt sie Feld-Zichorie, Sonnenwirbel, Hundsläufte, wilde Endivie, verfluchte Jungfer oder eben auch Wegwarte. Als Heil- und Gemüsepflanze ist sie seit der Antike bei uns bekannt. Sie dient als Kaffee-Ersatz (Zichorie) und hilft in Form von Tee gegen Leber- und Gallenstörungen. Im Mittelalter schrieb man ihr unglaubliche Zauberkräfte zu und in der Romantik wurde sie als Blaue Blume zum Symbol für Sehnsucht, Liebe und Unendlichkeit. 2009 wird ihr als Blume des Jahres besondere Aufmerksamkeit zuteil.

Die Genügsame am Wegesrand


Die Gemeine Wegwarte (Cichorium intybus) gehört zu den Korbblütlern. Ihr findet sie an Wegrändern, Parkplätzen, ungenutzten Gleisanlagen aber auch auf Schuttplätzen, Kalksteinbrüchen, Lehmgruben und an ähnlich unwirtlichen Stellen.

Obwohl man meinen möchte, eine derart genügsame Pflanze müsste keine Probleme haben, sich in unserer Kulturlandschaft zu behaupten, gilt sie in Hamburg und Niedersachsen als gefährdet und ist auch in anderen Bundesländern auf der Vorwarnliste.


Warum? Früher gab es besonders in ländlichen Gegenden genug ungenutzte Flächen entlang von Hecken, Mauern oder Wegen, an denen sich Spontanvegetation wie die Wegwarte ungestört breit machen konnten. Heute jedoch wird fast jeder Quadratzentimeter wirtschaftlich genutzt oder aber mit Asphalt oder Zement begossen, sodass immer weniger Platz für die Wegwarte oder ihre Vorgängerin als Blume des Jahres, die Nickende Distel übrig bleibt.


Die Wegwarte geht früh schlafen


Die Wegwarte ist zweijährig. In ihrem ersten Lebensjahr entwickelt sie nur eine bodennahe Rosette, im zweiten Jahr schießt ihr Stängel mit vielen Knospen bis zu 1,20 Meter in die Höhe. Sie blüht von Juli bis Oktober, wobei immer nur wenige Blüten gleichzeitig geöffnet sind.


Das Zichoriengewächs liebt sonnige Standorte und trockene Lehmböden. Ist der Himmel bedeckt, lässt es seine blauen Blüten versteckt und auch an schönen Tagen geht es bereits am Nachmittag schlafen.



Heil- und Wundersames rund um die Wegwarte


Schon in der Antike galt die Wegwarte als nützlich, um Schicksalsschläge und Hindernisse des Lebens zu überwinden. Im Mittelalter wurden ihr Zauberkräfte nachgesagt und man verwendete sie als Liebestrank, sie sollte sogar grub man sie auf die richtige Art und Weise aus unbesiegbar machen.


In der Zeit der Romantik wurde die Blaue Blume zum Symbol für Sehnsucht, Liebe und Unendlichkeit. Ob die Wegwarte identisch ist mit dieser Wunschblume, kann man jedoch nicht sicher sagen.


Die Wegwarte enthält einen bitteren Milchsaft, der wie beim Löwenzahn austritt, wenn man die Pflanze anschneidet. Bis heute bereitet man aus dem getrockneten Kraut und der Wurzel Tees zu, die zur Kräftigung der inneren Organe, insbesondere von Leber und Galle eingesetzt werden. Äußerlich nützt sie gegen Hautunreinheiten.



Muckefuck aus Zichorienwurzeln


Doch die Wegwarte kann noch mehr. Seit dem 17. Jahrhundert nutzte man ihren Wurzelstock, den man in gerösteter Form Bohnenkaffee zusetzte um dessen Geschmack zu intensivieren. In Zeiten, in denen Kaffeebohnen bei uns rar waren, brühte man das Heißgetränk auch nur aus den Zichorienwurzeln, häufig gemischt mit Getreide. Man nennt dieses Getränk Ersatzkaffee oder umgangssprachlich auch Muckefuck, was wahrscheinlich vom französischen Mocca faux (falscher Mokka) kommt.




Die Entdeckung des Chicorée


Rechts: Chicorée an der Wurzel.

Um 1870 entdeckten belgische Bauern, dass Zichorienwurzeln, die man lichtdicht abgedeckt hatte, im Gewächshaus während des Winters kräftige Knospen entwickelt hatten, die man zu wohlschmeckendem Salat verarbeiten konnte. Bis heute landet dieses Gemüse auf unseren Tellern: der Chicorée.

In der modernen Produktion lässt man Zichorienwurzeln in dunklen Kunststoffkisten treiben. Erhalten die Pflanzen reichlich Nährstoffe und Wasser, entwickeln sie innerhalb von drei Wochen die 15-20 Zentimeter langen, blassgelben Knospen. Durch den Lichtabschluss entwickelt der Salat nur wenig Bitterstoffe, sodass er für uns genießbar ist.

Links: So wird Chicorée zum Verkauf angeboten.

Praktischerweise lässt sich die Chicoréewurzel monatelang in Kühlräumen aufbewahren, weshalb man heute das ganze Jahr über frischen Chicorée angeboten bekommt.


Wer die Blume des Jahres 2009 mit den hübschen blauen Blütchen im eigenen Garten aussähen möchte, kann gegen eine Spende bei der Stiftung Loki Schmidt Samen beziehen.




Text: Liane Manseicher, 27.10.2008; Fotos: Wegwarte gesamte Pflanze: Nova: GFDL; Blütenstand Wegwarte: Alvesgaspar: cc-by-sa; Wegwarte dunkler blau: Hippocampus: GFDL; Chicoréewurzeln: Rasbak: GFDL; Chicorée ohne Wurzel: okapi: GFDL.

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt