Nessie, das Seeungeheuer

Vor 75 Jahren las man in der schottischen Zeitung Inverness Courier die Meldung, dass im zweitgrößten See des Landes, dem Loch Ness ein Ungeheuer aufgetaucht wäre. Später belegte sogar ein unscharfes Foto den sensationellen Fund. Seit dem 2. Mai 1933 fragt man sich weltweit: Gibt es das mysteriöse Tier Nessie tatsächlich oder handelt es sich dabei um eine Erfindung?

Links: Loch Ness im Nebel.

Im gebirgigen Norden Schottlands, den Highlands liegt er friedvoll, langgestreckt und sehr, sehr tief der See Loch Ness. Oft scheinen die Wolken die grünen Hügelketten rund um den See zu berühren.

Blickt man ins Wasser so sieht man nichts. Das liegt zum einen an den Schwefelpartikeln, die auch dem Taucher einen klaren Blick verwehren. Ein weiterer Grund ist die ungewöhnliche Tiefe des Sees: Mindestens 226 Meter geht es hinab. Durch seine Tiefe ist Loch Ness der größte Süßwasserspeicher Großbritanniens. Ob sich in ihm auch Geheimnisse verbergen, ist ungewiss.

Gab es Nessie schon im Mittelalter?

Bereits im Mittelalter in dem es den Sagen nach allerdings fast überall von Ungeheuern gewimmelt haben mag, soll ein Untier im See gelebt haben. Zumindest ist davon in der Lebensgeschichte des Heiligen Columban die Rede, der hier vor 1500 Jahren vorbei kam und dem Wassertier befohlen haben soll, von einem Mann abzulassen, den es gerade angreifen wollte. Tatsächlich zog sich das Wesen zurück und blieb viele Jahrhunderte verschwunden.

Rechts: Die Ruinen der Burg Urquhart erinnern an die Zeit Columbans, des irischen Mönchs und Missionars, der am Loch Ness auf ein Seeungeheuer stieß.

Seit dem 16. Jahrhundert wurde gelegentlich wieder von einem Ungeheuer im See berichtet. Doch richtig bekannt wurde die Geschichte um ein Monster aus der Tiefe erst am 2. Mai 1933, als die örtliche Zeitung eine Meldung von der Sichtung des Ungeheuers brachte. Es soll mehrere Meter lang gewesen sein und große Wellen erzeugt haben.

Etwa ein Jahr später, am 19. April 1934 wurde sogar ein Foto veröffentlicht, auf dem Nessie so der Spitzname des Wesens zu sehen sein soll. Zwei Buckel und ein Kopf, der sich aus dem Wasser erhebt, sind darauf abgebildet. Doch um was für ein Tier könnte es sich handeln?

Ist Nessie ein Dino?

Kein heute lebendes Tier bewegt sich auf die beschriebene Art und Weise fort und zeigt dabei mehrere Teile seines Körpers über der Wasseroberfläche, auch Aal oder Wasserschlange kommen nicht in Frage. Diskutiert wurde unter anderem, ob es sich vielleicht um einen ungewöhnlich langen Stör handele. Diese Fische sind in der Gegend häufig.

Rechts: Plesiosaurier.

Eine völlig andere Theorie führt uns ins Erdmittelalter, in die Zeit von vor rund 100 Millionen Jahren. An Land herrschten damals die Dinosaurier. Im Wasser lebten unter anderem ihre Verwandten, die Plesiosaurier, Meeresreptilien, die mit langem Hals und kleinem Kopf recht gut auf die Beschreibung des schottischen Ungeheuers passen.

Doch könnte es sein, dass sich vorzeitliche Tiere hier erhalten haben? Biologen halten dies für sehr unwahrscheinlich, denn schließlich hätte nicht ein einzelnes Tier über so lange Zeit überleben können. Um eine Tierart über Jahrmillionen zu erhalten, wäre jedoch schon eine recht große Gruppe von Individuen nötig und die hätten sich im Loch Ness unmöglich alle ernähren können.

Andererseits sind sich Meeresbiologen darüber im Klaren, dass in den Tiefen der Ozeane allerlei Lebewesen existieren, die bisher noch völlig unbekannt sind und gemeint sind dabei keineswegs nur kleine Meeresbewohner. Könnte ein besonders tiefer See da nicht auch noch für eine Überraschung gut sein?

Alles nur Fälschung?

Ufer von Loch Ness.

Rund 60 Jahre nach Erscheinen des sensationellen Nessie-Fotos, gaben zwei verschiedene Männer an, die Fotografie gefälscht zu haben. Ein Spielzeugboot mit etwas Ton verkleidet ergab das Motiv offenbarte Marmaduke Wetherell, einer der beiden mutmaßlichen Fälscher.

Doch auch weitere Sichtungen lassen Unsicherheit aufkommen, da die Beschreibungen sich sehr voneinander unterscheiden. Einmal wird das Wesen als zu groß geratener Otter beschrieben, der sogar über eine Straße läuft, ein andermal handelt es sich um ein Ungeheuer mit einem Buckel, so groß wie ein umgedrehtes Boot.

So zahlreich wie die verschiedenen Wesen sind auch die Erklärungen, was es mit diesen Phänomenen auf sich haben könnte. Durchs Wasser schwimmende Hirsche oder Pferde werden ebenso genannt wie plötzliche Wellen, die durch vulkanische Tätigkeiten am Boden des Sees ausgelöst würden.

Nessie lässt uns nicht los

Der britische Fernsehsender BBC schickte im Sommer 2003 ein Forschungsteam los, das den See mit Sonarstrahlen bis zum Grund durchleuchten sollte. Das Ergebnis: nichts. Allerdings gelang es dem BBC nicht, die gesamte Seefläche abzusuchen.

Nach einigen Jahren, in denen es ruhiger um Nessie wurde, veröffentlichte ein Mann namens Gordon Holmes im Mai 2007 ein Video von einem etwa 15 Meter langen, aalähnlichen Wesen, das schnell schwimmt. Was tatsächlich auf dem Film zu sehen ist, wird derzeit noch untersucht. Es bleibt also spannend.

Text: Liane Manseicher, Fotos: Loch Ness mit Steinen im Vordergrund: Ben Buxton, GFDL; Loch Ness mit Urquhart: Asbestos, GFDL; Loch Ness mit Nebel: PD; Illustration Plesiosaurier: Dmitry Bodganov: GFDL; Urquhart  Ruine: Jjhake: GFDL.

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt