Vor 75 Jahren: Versandhaus Quelle gegründet

Kein amerikanischer Traum, aber eine Geschichte wie sie sonst nur in den USA geschieht: Gustav Schickedanz, wächst in einer einfachen Handwerkerfamilie auf und wird Chef eines Weltunternehmens. Am 26. Oktober 1927 gründet er das Versandhaus Quelle.

Am 1. Januar 1895 wurde Gustav Schickedanz geboren. Nach Schule, Lehre und Kriegsdienst eröffnete er 1923 eine Großhandlung für Kurz-, Weiß- und Wollwaren. Vier Jahre später gründete er dann das Versandhaus Quelle. Der Name war Programm: "An der Quelle einkaufen, um den Preis niedrig zu halten" - das war das Credo des Firmengründers.

Die neue Idee des Versandhandels stammte aus den USA. Gustav Schickedanz übernahm das System, passte es den deutschen Verhältnissen an und perfektionierte es. Vom Familienbetrieb, der seinen Kunden Wolle, Knöpfe, Hosenträger, Schürzenbänder, Schreibwaren, Messer und Wäsche bis ins Haus lieferte, führte der Weg zu einem Großunternehmen, bei dem heute nahezu alles bestellt werden kann - vom Bleistift bis zum Fertighaus.

1927 war in vielerlei Hinsicht ein Schicksalsjahr für Gustav Schickedanz. Zehn Monate vor Gründung der "Quelle" wurde Grete Lachner als Lehrmädchen in den Gustav Schickedanz-Großhandel eingestellt. Sie übernahm Aufgaben im Einkauf - und gewann später das Herz des Chefs. Als Grete Schickedanz sollte sie zur deutschen Vorzeige-Unternehmerin aufsteigen.

1933 war Quelle das erfolgreichste deutsche Versandhaus überhaupt, 1936 hatte die Firma über eine Million Kunden, 1939 schon 2 Millionen. Mit 40 Millionen Reichsmark hatte die Quelle1938 ihren höchster Vorkriegsumsatz erwirtschaftet. Doch der Krieg vernichtete auch die Quelle: Zum Kriegsende 1945 lag das Betriebsgebäude in Schutt und Asche, die Kundenkartei war verbrannt. Gustav Schickedanz geriet als vormaliger NSDAP-Stadtrat mitten in den Entnazifizierungs-Strudel. Es ist "Frollein Grete", die ihren Gustav und sein Lebenswerk aus der Krise führt: 1946 baut sie ein Textilgeschäft in Hersbruck im Nürnberger Land auf, reaktivierte ehemalige Quelle-Lieferanten, fuhr mit dem Lkw Hosen, Unterwäsche und Jacken übers Land.

1948 gelang dem Ehepaar die Neugründung von Quelle. In diesem Jahr betrug der Umsatz 315.000 DM, ein Jahr später waren es schon 12 Millionen Mark. 1949 wurde in Fürth in einem alten klassizistischen Haus das erste Quelle-Kaufhaus eröffnet. 1977 musste es einem Neubau weichen. 1993 wurde das Kaufhaus aufgegeben. Heute gibt es dort nehmen Konkurrenzunternehmen noch ein Quelle-Technik-Center und ein Reisebüro.

Doch zurück in die Fünfziger Jahre: 1955 hatte die Quelle erneut zwei Millionen Kunden, bot ab 1956 auch Finanzierungen an (Noris Kaufhilfe, daraus entstand später die Noris-Bank). In Nürnberg ging im gleichen Jahr ein neues Versandgebäude mit "neuartigem Versandsystem" in Betrieb.

1958 erwirtschaftete das Versandhaus 450 Millionen Mark und 1972, nach Eingliederung vieler anderer Unternehmen in den Konzern, gut 5 Milliarden Mark. "Im Pfennig steckt die Seele der Milliarde", hieß eine Maxime aus späteren Quelle-Jahren. Mit "Quelle Österreich" wurde 1959 die erste Quelle-Tochter im Ausland eröffnet. Außerdem wird ein neuer Vertriebsweg entdeckt: Die ersten Sammelbesteller werben neue Kunden.

Mehr und mehr machte der Fürther Konzern auch in Dienstleistungen, reparierte im hauseigenen "Technischen Kundendienst", holte Bank (Noris-Bank, später auch die Quelle-Bank) und Versicherung unters Firmendach, bot einen eigenen Reisedienst an. 1960 entstand mit dem Nürnberger "Quelle-Markt" das erste Kaufhaus mit eigener Tankstelle, ein Konzept, das viele Nachahmer fand. Aus dem 1961 gegründeten "Foto- und Filmdienst" wurde später die "Foto-Quelle". 1962 hatte die Quelle schon 5 Millionen Kunden, die "Quelle Fertighaus" und die "Reise-Quelle" kamen auf den Markt. Der deutsche Mallorca-Boom hatte dort seine Wurzeln: 10000 Deutsche flogen 1962, im ersten Jahr, auf die Insel - knapp 400 Mark kosteten damals 14 Tage Vollpension.

In den sechziger Jahren breitete sich der Konzern über Europa bis in den Fernen Osten aus, parallel dazu entstanden eigene Versandmarken für kleinere Zielgruppen, wie beispielsweise "EUROVAL" für Uhren und Schmuck oder 1970 die "Garten-Quelle".

Das 50jähriger Firmenjubiläum erlebte Gustav Schickedanz nicht mehr. Am 27. März 1977 starb er im Alter von 82 Jahren. Fast ein halbes Jahrhundert hatte er den Konzern aufgebaut und geleitet. Zuletzt war der Katalog auf 980 Seiten angewachsen, die Produktpalette auf 80000 Waren.

Nach Gustavs Tod war Grete Schickedanz für die Umwandlung der Firmenstruktur und die Einbringung der Gesellschaft in eine Stiftung verantwortlich. 1986 zog sie sich aus dem Tagesgeschäft zurück und ernannte einen externen Manager zum Konzernchef. Die Wende 1989 führten den Konzern zu einer neuen Gründerzeit. Die damals millionenfach in den Osten versandten Sonnenblumen-Samen waren eine Saat, die aufging. Doch die Eröffnung des sichtbarsten Symbols dieses neuen Aufbruchs, das riesige Versandzentrum in Leipzig, erlebte Grete Schickedanz nicht mehr. Sie starb am 23. Juli 1994. Im gleichen Jahr eröffnete Quelle fünf Einkaufs- und Qualitätsbüros in Mittel- und Osteuropa (St. Petersburg/Rußland, Riga/Lettland, Kiew/Ukraine, Prag/Tschechische Republik und Posen/Polen).

Die Stadt Fürth ehrte Grete und Gustav Schickedanz mit der Goldenen Bürgermedaille und später mit der Ehrenbürgerwürde. Die Straße am ehemaligen Kaufhaus trägt den Namen von Gustav Schickedanz, ein Seniorenheim den von Grete Schickedanz.

Seit 1999 firmiert der Versand unterm Dach der Karstadt-Quelle AG.

Einen tabellarischen Überblick über die Firmengeschichte findest du auf der Homepage von Quelle.

Text und Bild: RR 24.10.2002

Kleines Foto: Stadt Fürth.

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