Vom Reichstag zum Bundestag

Der Reichstag ist ein Symbol für die deutsche Geschichte. Seine Wurzeln liegen im deutschen Kaiserreich. Später wurde die erste demokratische Republik in Deutschland vom Reichstag aus ausgerufen. In diesem Gebäude wurde sie aber auch verspielt und ging symbolisch im Reichstagsbrand unter. Der zweite Weltkrieg endete für Deutschland mit der Erstürmung des selben durch sowjetische Soldaten. Lange führte die Mauer, die Deutschland teilte, direkt neben dem Gebäude vorbei. Die Wiedervereinigung in der Nacht auf den 3. Oktober 1990 wurde ebenfalls am Reichstag gefeiert. Heute ist dieser Bau wieder Sitz des deutschen Parlaments - dem Deutschen Bundestag.

Woher kommt der Name Reichstag?

Foto: Giebel des Reichstagsgebäudes.

Mit der Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 beginnt die Geschichte unseres Parlaments. In einem Parlament sitzen die gewählten Vertreter eines Volkes, damals waren es 397. Die Versammlung dieser Abgeordneten nannte man zur Zeit des Deutschen Reiches Reichstag. Er verkörperte neben dem Kaiser die Einheit des Reiches und war zusammen mit dem Bundesrat für die Gesetzgebung zuständig. Im Bundesrat saßen, damals wie heute, die Vertreter der einzelnen Bundesländer. Neu war, dass die Wahlen zum Reichstag zum ersten Mal in der deutschen Geschichte demokratisch waren. Also allgemein, gleich, direkt und geheim.

Warum ein neues Gebäude?

Foto: So sieht der Reichstag heute aus.

Natürlich benötigten die 397 Abgeordneten ein eigenes Haus. Dieses musste so groß sein, dass alle zusammen beraten und abstimmen konnten. Wichtig war den Abgeordneten aber auch, die neu errungene politische Macht der Bürger, die sie ja vertraten, durch ein angemessenes neues Bauwerk zur Geltung zu bringen. Doch so schnell sollte kein Reichstagsgebäude neu errichtet werden. Aufgrund der problematischen Suche nach einem geeigneten Grundstück musste das Parlament sich zunächst mit vorübergehenden Unterbringungen zufriedenzugeben. Der erste gesamtdeutsche Reichstag trat inzwischen Ende März 1871 zu seiner ersten Sitzung zusammen. Getagt wurde in den verschiedensten Räumlichkeiten innerhalb Berlins - aber kein Ort sagte den Vertretern des Volkes zu. Bis zur Fertigstellung eines eigenen Gebäudes vergingen noch 23 Jahre!

Das Reichstagsgebäude

Foto: Reichstagsgebäude im Bau 1888.

Die ersten Pläne aus dem Jahr 1872 konnten, aufgrund von Schwierigkeiten mit dem Besitzer des vorgesehenen Bauplatzes, nicht verwirklicht werden. Daher wurde im Jahre 1882 ein erneuter Wettbewerb veranstaltet. Mit der Grundsteinlegung im Jahr 1884 begannen endlich die Bauarbeiten. Zehn Jahre später am 5. Dezember 1894 war der Reichstag des Architekten Paul Wallot (1841-1912) vollendet. Von der Versammlung die ihn erbauen ließ und dort ihren Sitz hatte, dem Reichstag, bekam das Gebäude also seinen Namen. Das Parlament tagte bis zum Ende des Ersten Weltkriegs im Reichstag.

Der Reichstag in der Weimarer Republik

Foto: Reichstag heute bei Nacht.

Eine Republik ist eine Staatsform, der ein auf Zeit gewähltes Staatsoberhaupt vorsteht. Sie bildet damit einen Gegensatz zur Monarchie, einem Staat mit einem König oder Kaiser an der Spitze. Die Herrschaft geht in einer Republik vom Volk aus, da dieses, direkt oder indirekt, das Staatsoberhaupt wählt. Als am Ende des 1.Weltkrieges der Kaiser, Wilhelm II, abtreten musste und die Monarchie damit beendet war, herrschte in Deutschland fast ein Bürgerkrieg. Auf den Straßen galt nur noch das Recht des Stärkeren - in dieser Situation wurde das Reichtagsgebäude zum Geburtsort der ersten deutschen Republik.

Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann rief diese am 9. November 1918 von einem Fenster des Reichstags aus. Im Januar 1919 fanden die Wahlen der neuen Volksvertretung statt. Zum ersten Mal konnten auch Frauen ihre Stimme bei einer Wahl in Deutschland abgeben. Infolge der Unruhen in Berlin wurde die neugewählte, verfassunggebende Nationalversammlung nicht nach Berlin in das Reichstagsgebäude, sondern in das Staatstheater nach Weimar einberufen. Daher stammt auch der Name Weimarer Republik.

Reichstag und Nationalversammlung

Die Nationalversammlung ist die gewählte Vertretung des Volkes in der Weimarer Republik und ersetzt damit den Reichstag. Anfang Februar 1919 beginnen die Sitzungen und erst in der zweiten Hälfe des Jahres 1919 kehrten die Parlamentarier in das Reichstagsgebäude nach Berlin zurück.

Der Reichstag brennt

Foto: Brennendes Reichstagsgebäude 1933.

Wie der Beginn so war auch das Ende der Weimarer Republik eng mit dem Schicksal des Reichstagsgebäudes verbunden. Am Abend des 27. Februar 1933, einen Monat nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, wurde im Sitzungssaal des Reichstags ein Feuer gelegt.

Der Brand bot den Nationalsozialisten den willkommenen Vorwand mitten im Wahlkampf führende kommunistische Abgeordnete zu verhaften und die sozialdemokratische Presse vorübergehend zu verbieten. Durch die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat wurden die Grundrechte vorläufig außer Kraft gesetzt. Als Täter verurteilten die Nationalsozialisten den holländischen Kommunisten Marius van der Lubbe.

Die Bedeutung im 2. Weltkrieg

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude nicht mehr durch das Parlament genutzt. Gegen Ende der Kämpfe um Berlin tobte ein besonders erbittertes Gefecht um das Reichstagsgebäude. Für die sowjetische Armee war die Eroberung des Reichstags offenbar von hohem symbolischen Wert. Am 30. April 1945 hissten russische Soldaten, nach einer tagelangen Schlacht, schließlich die rote Flagge auf dem zerstörten Reichstag. Ein Bild das um die Welt ging und für den Sieg über Deutschland stand.

Das geteilte Deutschland

Briefmarke: Ernst Reuter

Nach Kriegsende schaute die Weltöffentlichkeit wieder auf den Reichstag. Die sowjetische Armee hatte Westberlin von der Außenwelt abgeschnitten. Um gegen die Blockade zu demonstrieren hielt Oberbürgermeister Ernst Reuter am 9. September 1948 vor dem Hintergrund des Reichstages seine berühmte Rede an die Berliner:

Ihr Völker der Welt ... schaut auf diese Stadt.

Vier Jahre nach Kriegsende beschloss das neue Bonner Parlament, dass die leitenden Bundesorgane ihren Sitz wieder nach Berlin verlegen würden, sobald demokratische Wahlen in ganz Berlin und in der sowjetischen Besatzungszone durchgeführt worden sind.

Im geteilten Deutschland spielte der Reichstag einstweilen nur eine Nebenrolle. Zu Beginn der fünfziger Jahre wurden lediglich Enttrümmerungsarbeiten und die Sprengung der beschädigten Kuppel vorgenommen.

Der Wiederaufbau

Foto: Reichstag 1964 ohne Kuppel

Zwischen 1961 und 1973 wird er dann nach Plänen von Paul Baumgarten (1900-1984) wieder aufgebaut, genutzt wurde er allerdings kaum. Bundestagssitzungen waren nach dem Viermächteabkommen von 1971 in Berlin ohnehin nicht zulässig. Nur Fraktions- und Ausschusssitzungen durften im Berliner Reichstag stattfinden. Trotzdem war im Zentrum des Gebäudes ein vollständiger Tagungssaal eingerichtet, der jederzeit den Abgeordneten eines wiedervereinigten Deutschlands hätte Platz bieten können.

Der Reichstag im vereinten Deutschland

Foto: Reichstag am 3. Oktober 1990 zur Wiedervereinigung.

Die Stunde des Reichstages kam am 4. Oktober 1990: Das erste gesamtdeutsche Parlament trat zu seiner Sitzung im Reichstagsgebäude zusammen. Mit dem Bundestagsbeschluss vom 20. Juni 1991 ging man noch einen Schritt weiter. Dieser sah die Verlegung von Parlament und Regierung nach Berlin vor.

Nach einem 1992 durchgeführten, internationalen Architektenwettbewerb wurde Sir Norman Foster mit den Umbauarbeiten beauftragt. Vor Beginn der Änderungen im Jahr 1995 stand das Reichstagsgebäude mit der Verhüllung durch den Künstler Christo im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit.




Fotos: links: Kuppel des Reichstags; rechts: Plenarsaal des Bundestages im Reichstags- gebäude.

Bei den folgenden Arbeiten wurde auch die markante, gläsernen Kuppel aufgesetzt.

Am 19. April 1999 wurde das umgebaute Reichstagsgebäude bei einer feierlichen Sitzung dem Bundestag übergeben. Im September 1999 verlegte der Deutsche Bundestag seinen Parlamentssitz endgültig nach Berlin. Seit diesem Zeitpunkt finden die Versammlungen des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude statt.

Mehr über die Deutsche Geschichte erfahrt ihr auch im WAS IST WAS Band 126 Deutschland.

-ma-15.04.04 Text / Fotos: Reichstag von vorn: Jürgen Matern: cc-by-sa; Reichstag im Bau: pd; Reichstag brennend: cc-by-sa: Bundesarchiv; Reichstag ohne Kuppel 1964: Arnoldius: cc-by-sa; Giebel:pd; Reichstag am 3. Okt. 1990: Thomas Uhlemann: cc-by-sa: Bundesarchiv; Plenarsaal: Kaugummimann: GFDL; Kuppel: Michael Plasmeier: cc-by-sa; Reichstag bei Nacht: Ziko: cc-by-sa.

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt