Tunnel in die Freiheit

Nach 178 Tagen Vorbereitung glückte am 5.10.1964 eine spektakuläre Massenflucht von Ost- nach Westberlin. Wie Maulwürfe gruben sich 57 Menschen unter der Berliner Mauer hindurch einen Weg in die Bundesrepublik. Der DDR-Unteroffizier Egon Schultz verlor dabei sein Leben.

1949 war Deutschland geteilt worden. 40 Jahre lang gab es zwei deutsche Staaten: die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR). 1961 ließ die Regierung der DDR die Berliner Mauer und einen bewachten Zaun entlang der deutsch-deutschen Grenze bauen. Diese Mauer zwischen den beiden deutschen Staaten war vor allem für die Menschen in der DDR fast unüberwindlich.

Fluchtversuche von Anfang an


Bereits am 24. August 1961 wurde der erste Mauerflüchtling von einem Grenzposten am Humboldt-Hafen getötet - ein 24jähriger Mann. Für das größte Aufsehen sorgte 1962 der Tod des 18jährigen Maurergesellen Peter Fechter. Bis zum 5. Februar 1989 verloren 239 Menschen an der Berliner Mauer ihr Leben - eine traurige Bilanz.

Der 20jährige Chris Gueffroy war das letzte Todesopfer an der Mauer.

Maulwürfe

Am 10. April 1964 setzten der DDR-Schwimmer Hasso Herschel und eine Gruppe junger Westberliner einen waghalsigen Plan in die Tat um: Sie untergruben die Berliner Mauer in Richtung Ost, um Lebenspartnern, Freunden und Verwandten die Flucht in den Westen zu ermöglichen.

Ausgangspunkt war der Keller einer stillgelegten Bäckerei im Wedding, Bernauer Straße 97, direkt an der Sektorengrenze. Elf Meter gruben sie in die Tiefe, dann immer geradeaus. Der Weg führte unter die Mauer, unter Stacheldraht und 100 Meter Grenzstreifen hindurch. Ziel war der Hinterhof des Ost-Berliner Hauses Strelitzer Straße 55.

Geld von Politik und Presse

Ein Befreiungsunternehmen in dieser Größenordnung kostet viel Geld, und da die Akteure noch studierten, fehlten natürlich zunächst die Mittel. Doch es fanden sich Sponsoren: Mitglieder der West-Berliner CDU spendeten umgerechnet rund 15.000 Euro. Weitere 15.000 D-Mark (7.500 Euro) kamen von Henri Nannen, den Herausgeber des Magazins "Stern", der dafür die Rechte an der Geschichte von den Tunnelgräbern kaufte. Mit diesem Geld konnten die Fluchthelfer ihre Ausrüstung einkaufen: Grab- und Bohrwerkzeuge, Flaschenzüge, Funksprechgeräte und sogar Gasmasken.

Erfolgreiche Flucht

Zunächst ging alles gut. Über die Kellertreppen des Zielgebäudes gingen die Fluchthelfer nach oben und warteten. Um 19.25 Uhr kam wie abgesprochen die erste Familie und wurde durch den Tunnel in den Westteil Berlins geführt. An diesem Abend fanden 23 Männer, 31 Frauen und drei Kinder den Weg in ein neues Leben.

Tragischer Tod

Als die Flüchtenden längst in der Freiheit waren, gerieten die Fluchthelfer in eine Grenzkontrolle. Schüsse fielen, und die Volksarmee rückte an. Dabei wurde der DDR-Unteroffizier Egon Schultz aus Versehen von seinen eigenen Leuten erschossen. Später behauptete die DDR-Führung, der Soldat sei von den Flüchtlingen getötet worden und stellte Schultz als Volkshelden dar. In der DDR galten die beteiligten Fluchthelfer als Agenten und Mörder. Erst durch die Öffnung der Stasi-Akten wurde offenbar, dass die tödlichen Schüsse aus der Waffe eines Grenzsoldaten abgegeben wurden.

Verfilmungen der Geschichte

Im August 2001 wurde auf Arte unter dem Titel "Heldentod Wer erschoss Egon Schultz?" eine Dokumentation gesendet, in der die Fluchtaktion beleuchtet wurde. Im gleichen Jahr hatte auch der Film "Der Tunnel" des Regisseurs Roland Suso Richter Premiere, der auf dieser Begebenheit basiert. Es wirken unter anderem Heino Ferch, Nicolette Krebitz und Alexandra Maria Lara mit.

Hier findest du eine Chronik der Mauer samt Vorgeschichte ab dem 4. Juni 1961.

Mehr über die Deutsche Geschichte erfahrt ihr im  WAS IST WAS Band 126 Deutschland.

Text: RR, Stand 4. 10. 2009, Fotos: Mauer 1986: Thierry Noir: PD; Egon Schulz: Deutsches Bundesarchiv, Bild 183-C1005-0010-001


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