Reinhard Mannesmann und die Stahlrohre

Zusammen mit seinem Bruder Max erfand er 1884 ein Verfahren zur Herstellung sehr stabiler Stahlrohre und wurde ein Wegbereiter der Industrialisierung. Das nahtlose Rohr veränderte die Welt: Von großen Maschinen bis zum Fahrrad, vom Möbelrohr zum Laternenmast. Die Erfindung legte die Grundlage für einen Weltkonzern.

Reinhard Mannesmann wurde am 13. 5. 1856 als Sohn des Werkzeugfabrikanten Reinhard Mannesmann in Remscheid geboren. 1857 kam sein Bruder Max zur Welt und später noch vier weitere Brüder.


Das Unternehmen der Familie stellte seit 1776 Eisenfeilen her. Seinen Stahlbedarf konnte der Vater durch eine Gussstahlfabrik selber decken.

Wie der Vater vorher, traten auch Reinhard und Max in das elterliche Unternehmen ein und lernten alle Arbeitsgänge der Feilenfabrikation. Während der Schulferien brachte ihnen der Vater die praktischen Fertigkeiten bei.

Erfindungsreiche Brüder

Die Mannesmann-Brüder hatten offene Augen für die Errungenschaften ihrer Zeit und zeigten sich vielseitig interessiert.

Ihr erstes Patent erhielten Reinhard und Max 1878 für die Entwicklung eines Schallverstärkers für Fernsprecher.


1884 erfanden die Brüder das Schrägwalzverfahren zur Herstellung schweißnahtloser Stahlrohre. Aus einem angebohrten Block walzten sie ein nahtloses Stahlrohr.

 

Es war eine bahnbrechende Erfindung, denn die damals in der Industrie eingesetzten Dampfmaschinen arbeiteten unter hohem Druck und der Dampf musste durch Rohre ans Ziel geleitet werden. Die damals üblichen Schweißnähte hielten diesen Kräften oft nicht Stand, weswegen sehr oft Unfälle passierten.


Ein Konzern entsteht


1885 wurde die Erfindung patentiert, und die Industrie fragte die neuen Röhren so stark nach, dass die Brüder eine Fabrik nach der anderen gründeten. Das nötige Kapital wurde durch die Vergabe von Auslandslizenzen erwirtschaftet.

1889 besaßen sie bereits vier Fabriken in Deutschland, Frankreich, Wales und Böhmen, das damals zu Österreich gehörte.

1890 entwickelten die Brüder das so genannte Pilgerschritt- oder Mannesmann-Verfahren, nach dem heute noch gearbeitet wird. Unter anderen ermöglichte es den Bau von Rohrleitungsnetzen.

Im gleichen Jahr gingen alle Werke in in der "Deutsch-Österreichischen Mannesmannröhren-Werke AG" auf. Mit einem Grundkapital von 35 Millionen Mark war es bereits bei der Gründung eines der größten deutschen Unternehmen.


Vielseitige Möglichkeiten


Die neuen Stahlrohre revolutionierten nicht nur den Maschinen- und Fahrzeugbau, sie eröffneten auch vollkommen neue Einsatzzwecke in der Architektur.


Die Brüder Mannesmann entdeckten rasch Verwendungsmöglichkeiten, die klassische Röhrenhersteller bisher nicht anbieten konnten: Metallrohre für Möbel, Fahrräder, Beleuchtungskörper, Licht- und Leitungsmasten. Die Entwicklung korrespondierte mit dem gerade aufkommenden Jugendstil in Kunst und Design.

Mannesmanns mit Jugendstil-Ornamenten verzierten Maste beherrschten um die Jahrhundertwende den Weltmarkt.


Die ab 1893 in großen Mengen und präziser Qualität gelieferten Fahrradrohre sorgten ab 1895 für einen gewaltigen Fahrrad-Boom

Fahrräder, Gaslampen und Automobile

Als der Leiter der Konstruktionsabteilung bei Mannesmann kündigte und mit dem amerikanischen Fahrradkönig Lozier durch eigene Patente die Mannesmann-Patente umging, gründete Reinhard Mannesmann in den USA eine eigene Fahrradfabrik.

Doch der große Fahrradboom flachte bereits ab, so dass er eine große Chance im Automobilbau sah. 1899 schrieb er an seinen Bruder Max: "Die Armeen fangen jetzt an, die Automobile einzuführen. Ich bin absolut der Ansicht, daß der Brennpunkt der nächsten 10 Jahre das Automobil sein wird ..."

Alle sechs Brüder Mannesmann entwickelten zusammen das Hängeglühlicht, das 1903 patentiert wurde und das Gasglühlicht weiter verbreitete.

Ende 1910 kauften die Brüder den gesamten Aktienbesitz der Aachener Motoren-und Lastwagen AG. Ende 1913 erhielt die Firma den Namen "Mannesmann-Mulag". Mit Panzerwagen, Flugmotoren und Lastwagen versorgte die Firma das deutsche Militär im Ersten Weltkrieg.

Abenteuer Marokko

Reinhard Mannesmann heiratete am 6. Januar 1906 die 23jährige Marie Luise Eigen. Ihre Hochzeitsreise verbrachten sie in Marokko.

Das Ziel hatte er aus unternehmerischem Kalkül heraus gewählt:


Seit einigen Jahren verfolgte er die Theorie, daß sich die Erzvorkommen von Südwest-Spanien in Nordafrika fortsetzen mußten und schickte geologische Expeditionen durch Marokko.

Die größte Herausforderung für ihn war, die religiösen Hürden gegen die Schürfungen zu überwinden, da der Koran jede "Entweihung der Erde" durch Menschenhand verbietet. Reinhard Mannesmann gelang es als erstem Europäer, die Koranverse so auslegen zu lassen, daß die islamischen Gelehrten nichts mehr gegen die Suche nach Erzen einzuwenden hatten.

Bis 1914 betrieb das Ehepaar Mannesmann in Marokko Handel, Landwirtschaft und Bergbauaktivitäten. Zuletzt wurde ihr Eigentum dort auf ein Achtel aller Werte des Sultanats Marokko geschätzt.

Im Ersten Weltkrieg beschlagnahmte Frankreich alles. Der Versailler Vertrag schrieb die Enteignungen 1919 endgültig fest.

Die letzten Jahre

Max Mannesmann starb noch während des Weltkrieges im Jahr 1915. Nach Kriegsende wurde wieder auf zivile Produktion umgestellt. Neben der Herstellung von Tiefkühlschränken rüsteten die Brüder Reinhard, Carl und Alfred im Krieg beschädigte LKW für den zivilen Gebrauch um.

Bald darauf befaßten sie sich auch mit der Entwicklung eines Automobils. Zwischen 1920 und 1930 wurden in Remscheid-Bliedinghausen Automobile der Marke Mannesmann gebaut. Die Modellpalette reichte vom Sportcoupe bis zur Reiselimousine mit Achtzylindermotor.

Die Weltwirtschaftskrise beendete die große Zeit der Mannesmann-Autos. Die Beschäftigten wechselten zu den Kölner Ford-Werken.

Reinhard Mannesmann erlebte diese Zeit nicht mehr. Er verstarb am 20.2.1922.

Weitere Informationen findest du hier.

Text: RR, Stand: 12. 5. 2011, Bilder: Familie Mannesmann


Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt