Neuwahlen zum Deutschen Bundestag

Nach der Landtagswahl 2005 in Nordrhein-Westfalen kündigte Bundeskanzler Gerhard Schröder Neuwahlen für den Herbst an. Dabei hätte er noch ein ganzes Jahr länger regieren können. Offiziell hätten die Deutschen erst im Herbst 2006 einen neuen Bundestag wählen müssen. Doch innerhalb von vier Monaten Neuwahlen durchzuführen, ist gar nicht so einfach.

Schröder verliert Vertrauensfrage wie gewollt

Der Deutsche Bundestag sprach Kanzler Schröder am 1. Juli 2005 das Misstrauen aus. Gerhard Schröder verfehlte die so genannte "Kanzlermehrheit" von 301 Stimmen. Bundespräsident Horst Köhler hatte nun drei Wochen Zeit, über Neuwahlen zu entscheiden.

Aber einige Politker wollten vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Sie meinten, dass Bundespräsident Horst Köhler das Parlament nicht auflösen dürfe. Denn 1983 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Parlament nicht aufgelöst werden darf, wenn der Kanzler eine eindeutige Mehrheit hat und die Vertrauensfrage nur stellt, um Neuwahlen zu ermöglichen. Doch die Richter in Karlsruhe waren im Urteil vom 25. August der Ansicht, die Auflösung der Bundestags sei in diesem Fall verfassungskonform.

Warum will der Kanzler Neuwahlen?

Weil viele Bürger mit den Reformen der Bundesregierung unzufrieden waren, erhielt die SPD in den Ländern weniger Stimmen, was zu veränderten Mehrheiten im Bundesrat führte. Nach dem Patt in Schleswig-Holstein, wo die SPD unter einem CDU-Ministerpräsidenten an der Regierung beteiligt ist, verlor die SPD nun auch noch Nordrhein-Westfalen, das sie immerhin 39 Jahre lang regierte. Damit hatte im Bundesrat nun komplett die Union aus CDU und CSU das Sagen, was bedeutete, dass sie jedes im Bundestag neu beschlossene Gesetz im Bundesrat blockieren konnte. Der Bundesregierung blieb kein Handlungsspielraum, was den Schritt des Bundeskanzlers, Neuwahlen einzuleiten, logisch macht.

(Informationen zu den Reformen der Bundesregierung und der Rolle des Bundesrats bekommst du, wenn du unten auf den entsprechenden Link klickst) .

Kann der Kanzler Neuwahlen anordnen?

Nein, das geht nicht so einfach. Auch der Bundeskanzler muss sich an die Regeln halten: Um eine Neuwahl des Bundestages zu erreichen, muss er nach Artikel 68 des Grundgesetzes die Vertrauensfrage stellen. Bekommt er keine Mehrheit, kann der Bundespräsident binnen 21 Tagen den Bundestag auflösen, sofern das Parlament keinen anderen Bundeskanzler wählt.

Die Vertrauensfrage kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht beliebig zur Auflösung des Bundestages benutzt werden. Es muss eine echte Regierungskrise vorliegen.

Artikel 68 lautet:

"(1) Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt."

Was passiert mit neuen Gesetzen?

Wenn dann neu gewählt wird, bedeutet das für alle nicht abgeschlossenen Gesetzesvorhaben das Aus.  Mit dem vorzeitigen Ende der Legislaturperiode endet auch die Verantwortung der gewählten Abgeordneten, denn diese erhalten ihren politischen Auftrag von den Wählern immer nur bis zur nächsten Wahl. Die Abgeordneten des 15. Deutschen Bundestages gingen nun nach der Vertrauensfrage am 1. Juli zwar in die - theoretische - Sommerpause, blieben aber bis zum Wahltermin im September gewählte Volksvertreter.

Für den Bundestag gilt das Prinzip der Nicht-Fortsetzung oder der "Diskontinuität". Es sorgt dafür, dass jeder neu gewählte Bundestag mit der Gesetzesarbeit von vorne anfängt. Das bedeutet: Alle Gesetzesvorhaben, die ein Bundestag bis zum Ende seiner Wahlperiode nicht vollständig abgearbeitet hat, sind Makulatur. Sie müssen gegebenenfalls nach der Wahl in den neu gewählten Bundestag neu eingebracht werden oder werden gar nicht mehr umgesetzt.

Viel Arbeit an der Basis

Ein gewaltiger Kraftakt sollte die kurze Vorlaufzeit in den Städten und Gemeinden werden. Die Vertreter der Parteien mussten ihre Kandidaten aufstellen oder bestätigen, Wahlplakate mussten gedruckt und Termine für Wahlkundgebungen gefunden werden. Die vor der Wahl liegenden Sommerferien verkürzten die verfügbare Zeit. Weil sich einige der amtierenden Bundestagsabgeordneten in den Ruhestand verabschieden sollten, gab es mancherorts auch kleine, innerparteiliche Wahlkämpfe, bis ein neuer Kandidat den Wählern vorgestellt werden konnte.

Aber auch die Spitzenkandidaten erwartete ein heißer Sommer, egal wie das Wetter aussehen sollte. Wahlkampftourneen führten sie durch das ganze Land. Doch nicht nur Personen müssen die Parteien präsentieren, noch wichtiger sind die Inhalte ihres Wahlprogramms - und daran musste bei allen Parteien noch kräftig gebastelt und gezimmert werden.

Mehr über die Geschichte der Wahlen in Deutschland findest du hier.

23. 5. 2005

Text und Bild: Roland Rosenbauer; ergänzt am 1.7. von -jj-; Update 09.04.09 von Jan Wrede

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